Willi Mako
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AHB-Meldungen: Risikoverteilung durch Zeitangaben optimieren

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Einfluss der Plausibilisierung von Zeitangaben in AHB-Meldungen auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten

1. Hintergrund und rechtliche Grundlagen

Die Abrechnung von Netzengpässen oder Störungsfällen im Energienetz erfolgt auf Basis von AHB-Meldungen (Anlagen- und Betriebsmeldungen), die von Netzbetreibern und Lieferanten gemäß den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sowie der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) ausgetauscht werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Plausibilisierung der Zeitangaben, da diese die Grundlage für die Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die Abrechnung von Ausgleichsenergie oder Entschädigungszahlungen bilden.

Die BNetzA (Bundesnetzagentur) und die MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom) definieren klare Anforderungen an die Datenqualität, insbesondere an die zeitliche Konsistenz von Meldungen. Unplausible Zeitangaben (z. B. widersprüchliche Zeitstempel, fehlende Synchronisation mit der Systemzeit oder logische Inkonsistenzen) können zu Abrechnungsfehlern führen und die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten beeinflussen.


2. Risikoverteilung bei plausiblen vs. unplausiblen Zeitangaben

2.1 Plausible Zeitangaben: Klare Verantwortungszuweisung

Bei korrekten und plausiblen Zeitangaben in AHB-Meldungen erfolgt eine eindeutige Zuordnung von Netzengpässen oder Störungsfällen zu den verantwortlichen Marktteilnehmern:

  • Netzbetreiber sind für die technische Netzstabilität verantwortlich und müssen Engpässe oder Störungen dokumentieren.
  • Lieferanten tragen das Risiko für Bilanzkreisabweichungen, die durch fehlerhafte Fahrpläne oder unvorhergesehene Laständerungen entstehen.

Die Abrechnung von Ausgleichsenergie (z. B. nach § 13 EnWG) oder Entschädigungszahlungen (z. B. bei Netzengpässen) basiert auf den gemeldeten Zeiträumen. Eine plausible Zeitangabe ermöglicht:

  • Eine gerechte Kostenverteilung zwischen Netzbetreiber und Lieferant.
  • Die Vermeidung von Streitigkeiten über die Ursache von Abweichungen.
  • Eine effiziente Abwicklung der Bilanzkreisabrechnung.
2.2 Unplausible Zeitangaben: Risikoverschiebung und Haftungsfragen

Werden Zeitangaben als unplausibel eingestuft (z. B. weil sie nicht mit der Systemzeit übereinstimmen oder logisch widersprüchlich sind), verschiebt sich die Risikoverteilung wie folgt:

a) Netzbetreiber trägt erhöhtes Risiko
  • Dokumentationspflicht: Der Netzbetreiber muss nachweisen, dass die Störung oder der Engpass tatsächlich in dem gemeldeten Zeitraum aufgetreten ist. Bei unplausiblen Zeitangaben kann dies schwerer zu belegen sein.
  • Haftung für Abrechnungsfehler: Falls die Unplausibilität auf technische Fehler im Mess- oder Meldesystem des Netzbetreibers zurückzuführen ist, trägt dieser das Risiko für falsche Abrechnungen (z. B. zu hohe Ausgleichsenergiekosten).
  • Regulatorische Konsequenzen: Die BNetzA kann bei wiederholten Plausibilitätsverstößen Bußgelder verhängen oder Anpassungen der Abrechnungsprozesse verlangen.
b) Lieferant profitiert von Beweislücken
  • Reduzierte Zahlungsverpflichtung: Kann der Netzbetreiber den tatsächlichen Störungszeitraum nicht zweifelsfrei nachweisen, kann der Lieferant die Abrechnung von Ausgleichsenergie anfechten.
  • Verzögerte Abrechnung: Unplausible Meldungen führen zu Nachprüfungen und Korrekturen, was die Liquidität des Lieferanten belasten kann (z. B. durch verzögerte Erstattungen).
  • Vertragliche Risiken: In bilateralen Verträgen (z. B. Lieferverträgen mit Großkunden) können Haftungsklauseln greifen, die den Lieferanten bei unklaren Zeitangaben entlasten.

3. Praktische Auswirkungen auf die Abrechnung

3.1 Ausgleichsenergie (§ 13 EnWG)
  • Bei plausiblen Zeitangaben wird die tatsächliche Abweichung zwischen Fahrplan und tatsächlichem Verbrauch abgerechnet.
  • Bei unplausiblen Zeitangaben kann der Bilanzkreisverantwortliche (BKV) die Abrechnung anfechten, was zu Nachberechnungen oder Stornierungen führt.
3.2 Entschädigungen bei Netzengpässen
  • Netzbetreiber müssen Redispatch-Maßnahmen (z. B. Lastabwurf) dokumentieren. Unplausible Zeitangaben können dazu führen, dass Entschädigungsansprüche von Lieferanten abgelehnt werden.
  • Lieferanten können Schadensersatzforderungen geltend machen, wenn sie nachweisen, dass sie aufgrund falscher Zeitangaben wirtschaftliche Nachteile erlitten haben.
3.3 Bilanzkreisabrechnung (MaBiS)
  • Die Bilanzkreisabrechnung erfolgt auf Basis der gemeldeten Zeiträume. Unplausible Angaben führen zu manuellen Korrekturen, was Verzögerungen und zusätzliche Kosten verursacht.
  • Die BNetzA überwacht die Einhaltung der Plausibilitätskriterien und kann bei systematischen Fehlern Anpassungen der Abrechnungsregeln verlangen.

4. Lösungsansätze zur Risikominimierung

Um die Risikoverteilung fair und transparent zu gestalten, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Maßnahme Ziel Verantwortlicher
Automatisierte Plausibilitätsprüfung Frühzeitige Erkennung von Zeitinkonsistenzen Netzbetreiber, IT-Dienstleister
Zeitsynchronisation (NTP-Protokoll) Vermeidung von Abweichungen zwischen Systemuhren Netzbetreiber, Messstellenbetreiber
Dokumentationspflichten verschärfen Nachweisbarkeit von Störungszeiträumen Netzbetreiber
Klare vertragliche Regelungen Definition von Haftungsregeln bei unplausiblen Meldungen Lieferanten, Netzbetreiber
Regelmäßige Schulungen Sensibilisierung für korrekte Zeitangaben Alle Marktteilnehmer

5. Fazit

Die Plausibilisierung von Zeitangaben in AHB-Meldungen ist ein zentraler Faktor für die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten. Während plausible Zeitangaben eine gerechte und effiziente Abrechnung ermöglichen, führen unplausible Angaben zu:

  • erhöhten Haftungsrisiken für Netzbetreiber,
  • wirtschaftlichen Nachteilen für Lieferanten,
  • Verzögerungen und zusätzlichen Kosten in der Abrechnung.

Eine standardisierte, automatisierte Prüfung sowie klare vertragliche und regulatorische Vorgaben sind essenziell, um Streitigkeiten zu vermeiden und eine transparente Risikoverteilung sicherzustellen. Die BNetzA und die MaBiS-Regeln bieten hierfür einen Rahmen, dessen Einhaltung für alle Marktteilnehmer verbindlich ist.