Einfluss der 24-Stunden-Frist für APERAK-Rückmeldungen an Wochenenden auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten
1. Risikoverteilung unter der aktuellen Regelung
Die strikte 24-Stunden-Frist für APERAK-Rückmeldungen (Acknowledgement of Processing Electronic Data) an Wochenenden hat direkte Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten im Rahmen der Marktkommunikation nach den Vorgaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Regelung sieht vor, dass bei Eingang einer UTILMD- oder ORDERS-Nachricht an einem Samstag der Empfänger bis spätestens Sonntag, 12:00 Uhr MEZ, eine Rückmeldung über die Verarbeitbarkeit oder Fehlerhaftigkeit der Daten übermitteln muss.
1.1 Risiken für Netzbetreiber
Netzbetreiber tragen unter dieser Frist ein operatives und haftungsrechtliches Risiko, da sie:
- Technische Verfügbarkeit sicherstellen müssen, um die APERAK fristgerecht zu generieren – selbst bei hohem Nachrichtenaufkommen (z. B. durch Lastspitzen oder Systemstörungen).
- Manuelle Eingriffe bei Fehlern riskieren, falls automatisierte Prozesse versagen. Dies kann zu Verzögerungen führen, die formal als Fristverstoß gewertet werden.
- Rechtliche Konsequenzen befürchten müssen, wenn die Rückmeldung ausbleibt oder fehlerhaft ist. Gemäß § 55 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) sind Netzbetreiber für die korrekte Abwicklung von Geschäftsvorfällen verantwortlich. Eine nicht fristgerechte APERAK kann als Vertragsverletzung interpretiert werden, insbesondere wenn dadurch Lieferanten in der Abrechnung oder Netznutzung beeinträchtigt werden.
1.2 Risiken für Lieferanten
Lieferanten sind zwar primär Empfänger der APERAK, tragen aber indirekte Risiken:
- Planungsunsicherheit: Ohne fristgerechte Rückmeldung können Lieferanten keine verlässlichen Dispositionen für Energiebeschaffung oder Bilanzkreisabstimmung treffen. Dies betrifft insbesondere zeitkritische Prozesse wie die Nominierung von Fahrplänen oder die Anpassung von Lieferverträgen.
- Finanzielle Folgen: Verzögerungen in der Bestätigung von Geschäftsvorfällen können zu Bilanzkreisabweichungen führen, die nach § 13 StromNZV (Stromnetzzugangsverordnung) mit Ausgleichsenergiekosten verbunden sind.
- Abhängigkeit von Netzbetreiber-Prozessen: Lieferanten haben keine direkte Kontrolle über die Einhaltung der Frist, sind aber auf die Rückmeldung angewiesen, um eigene Prozesse fortzusetzen.
2. Systemische Resilienz: Prozessuale und regulatorische Hebel
Um die Resilienz des Gesamtsystems gegen Verzögerungen zu erhöhen, könnten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
2.1 Prozessuale Optimierungen
- Automatisierung der APERAK-Generierung:
- Netzbetreiber sollten vollständig automatisierte Plausibilitätsprüfungen implementieren, die unabhängig von manuellen Eingriffen funktionieren. Dies reduziert das Risiko menschlicher Fehler und beschleunigt die Rückmeldung.
- KI-gestützte Vorfilterung von Nachrichten könnte helfen, offensichtliche Fehler (z. B. Formatverstöße) bereits vor der manuellen Bearbeitung zu identifizieren.
- Priorisierung kritischer Geschäftsvorfälle:
- Eine dynamische Priorisierung von Nachrichten nach Dringlichkeit (z. B. Fahrplanänderungen vs. Stammdatenaktualisierungen) würde sicherstellen, dass zeitkritische Prozesse auch an Wochenenden priorisiert bearbeitet werden.
- Redundante Systeme und Notfallprozesse:
- Netzbetreiber sollten Backup-Systeme vorhalten, die bei Ausfall der Primärinfrastruktur die APERAK-Generierung übernehmen. Zudem könnten manuelle Notfallprozesse definiert werden, die bei Systemstörungen greifen.
2.2 Regulatorische Anpassungen
- Flexibilisierung der Fristen für Wochenenden/Feiertage:
- Eine Ausweitung der Frist auf 48 Stunden an Wochenenden oder die Einführung einer „Grace Period“ für technische Störungen** würde den Druck auf Netzbetreiber verringern, ohne die Lieferanten übermäßig zu benachteiligen.
- Alternativ könnte eine gestaffelte Frist eingeführt werden, die zwischen kritischen (z. B. Fahrpläne) und unkritischen Nachrichten (z. B. Stammdaten) unterscheidet.
- Verbindliche Service-Level-Agreements (SLAs):
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA) könnte Mindeststandards für die Verfügbarkeit von Marktkommunikationssystemen festlegen, einschließlich maximaler Ausfallzeiten und Reaktionszeiten bei Störungen.
- Pönalen für Fristverstöße könnten eingeführt werden, um Anreize für eine zuverlässige Rückmeldung zu schaffen – allerdings müssten diese so gestaltet sein, dass sie nicht zu einer Überregulierung führen.
- Standardisierung der Fehlercodes in APERAK:
- Eine einheitliche Klassifizierung von Fehlermeldungen (z. B. nach Schweregrad) würde Lieferanten helfen, schneller auf Probleme zu reagieren. Derzeit variieren die Fehlercodes zwischen Netzbetreibern, was die Automatisierung erschwert.
- Einführung eines zentralen Monitoring-Systems:
- Ein bundesweites Überwachungssystem (z. B. durch die BNetzA oder den BDEW) könnte die Einhaltung der Fristen in Echtzeit überwachen und bei systematischen Verzögerungen intervenieren.
2.3 Technische Harmonisierung
- Vereinheitlichung der Datenformate:
- Die EDIFACT-Nachrichtenformate (UTILMD, ORDERS, APERAK) sollten weiter standardisiert werden, um Kompatibilitätsprobleme zwischen unterschiedlichen IT-Systemen der Marktteilnehmer zu minimieren.
- Cloud-basierte Lösungen für kleine Netzbetreiber:
- Kleinere Netzbetreiber mit begrenzten IT-Ressourcen könnten durch zentrale Plattformen (z. B. über den BDEW) unterstützt werden, die die APERAK-Generierung übernehmen.
3. Fazit
Die 24-Stunden-Frist für APERAK-Rückmeldungen an Wochenenden führt zu einer asymmetrischen Risikoverteilung, bei der Netzbetreiber primär für die Einhaltung verantwortlich sind, während Lieferanten die Folgen von Verzögerungen tragen. Um die Resilienz des Systems zu erhöhen, sind prozessuale Optimierungen (Automatisierung, Priorisierung) ebenso notwendig wie regulatorische Anpassungen (flexiblere Fristen, SLAs, Monitoring). Eine Kombination aus technischer Standardisierung und rechtlicher Klarheit würde die Marktkommunikation robuster machen, ohne die Effizienz zu beeinträchtigen.
Empfehlung für Marktteilnehmer:
- Netzbetreiber sollten Notfallpläne für Wochenenden entwickeln und ihre IT-Infrastruktur auf Skalierbarkeit prüfen.
- Lieferanten sollten Pufferzeiten in ihre Prozesse einplanen und bei systematischen Verzögerungen Meldung an die BNetzA erstatten.
- Der BDEW und die BNetzA sollten eine Arbeitsgruppe einsetzen, um die genannten Hebel zu evaluieren und in die Marktregeln Strom zu integrieren.