Einfluss der bidirektionalen APERAK-Kommunikation auf die prozessuale Verantwortungsverteilung und regulatorische Risiken
1. Prozessuale Verantwortungsverteilung im Fehlerfall
Die bidirektionale APERAK-Kommunikation (Application Error and Acknowledgement Message) dient als zentrales Steuerungsinstrument im Datenaustausch zwischen Netzbetreibern und Lieferanten im Strommarkt. Sie definiert nicht nur die technische Fehlererkennung, sondern auch die rechtliche und operative Verantwortung für die Korrektur von Geschäftsvorfällen.
a) Fehlerrückmeldung (APERAK mit Fehlerstatus)
Verantwortung des Empfängers (Netzbetreiber/Lieferant): Der Empfänger einer fehlerhaften Nachricht (z. B. einer MSCONS, UTILMD oder INVOIC) prüft die Daten auf formale und inhaltliche Konformität. Wird ein Fehler identifiziert, sendet er eine APERAK mit Fehlerstatus zurück, die:
- Den Fehler konkret benennt (z. B. ungültige Zählpunktbezeichnung, fehlende Referenzdaten).
- Den Absender zur Korrektur auffordert.
- Den Geschäftsvorfall nicht in die weitere Verarbeitung überführt.
Rechtliche Implikation: Die Verantwortung für die Korrektur liegt beim Absender der ursprünglichen Nachricht. Der Empfänger hat seine Pflicht erfüllt, indem er den Fehler rückmeldet. Eine Nichtbehebung durch den Absender kann zu vertraglichen oder regulatorischen Sanktionen führen (z. B. nach § 55 EnWG oder den Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom – MaBiS).
Verantwortung des Absenders: Der Absender muss den Fehler innerhalb der vorgegebenen Fristen (z. B. gemäß MaBiS oder GPKE) beheben und eine korrigierte Nachricht übermitteln. Unterlässt er dies, geht das Risiko von Folgeschäden (z. B. falsche Bilanzkreisabrechnung, Lieferantenwechselstörungen) auf ihn über.
b) Anerkennung (APERAK mit Erfolgstatus)
Verantwortung des Empfängers: Bei fehlerfreier Prüfung sendet der Empfänger eine APERAK mit Erfolgstatus, die:
- Die formale und inhaltliche Korrektheit bestätigt.
- Den Geschäftsvorfall für die weitere Verarbeitung freigibt.
Rechtliche Implikation: Mit der Anerkennung geht die Verantwortung für die Richtigkeit der Daten auf den Empfänger über. Ab diesem Zeitpunkt kann der Absender nicht mehr für inhaltliche Fehler haftbar gemacht werden, sofern er die Daten korrekt übermittelt hat. Der Empfänger trägt nun das Risiko von Folgefehlern (z. B. falsche Abrechnung, Netzabrechnung).
2. Regulatorische Risiken bei nicht geschlossener APERAK-Schnittstelle
Wird die APERAK-Kommunikation nicht als geschlossener Regelkreis implementiert, entstehen erhebliche regulatorische und operative Risiken:
a) Fehlende Rückmeldepflicht und Haftungslücken
Problem: Wenn der Empfänger eine fehlerhafte Nachricht nicht mit einer APERAK quittiert (weder Fehler noch Anerkennung), bleibt der Status des Geschäftsvorfalls unklar.
- Der Absender kann nicht nachweisen, ob die Nachricht verarbeitet wurde.
- Der Empfänger kann später behaupten, die Nachricht nie erhalten zu haben.
Regulatorische Konsequenzen:
- Verstoß gegen § 55 EnWG (Datenqualität und -austausch): Netzbetreiber und Lieferanten sind verpflichtet, einen fehlerfreien und nachvollziehbaren Datenaustausch zu gewährleisten. Eine fehlende APERAK-Rückmeldung stellt eine Pflichtverletzung dar.
- MaBiS-Verstöße (Bilanzkreisabrechnung): Ohne geschlossene APERAK-Kommunikation können Bilanzkreisabweichungen nicht eindeutig zugeordnet werden, was zu Abrechnungsstreitigkeiten und möglichen Bußgeldern führt.
- GPKE-Verstöße (Grundversorgungsverordnung): Bei Lieferantenwechseln oder Zählerstandsübermittlungen kann eine fehlende APERAK zu falschen Abrechnungen führen, was Rückforderungsansprüche der Regulierungsbehörde (BNetzA) nach sich zieht.
b) Unklare Verantwortungszuweisung bei Folgeschäden
Problem: Ohne dokumentierte APERAK-Rückmeldung ist nicht nachweisbar, wer für einen Fehler verantwortlich ist.
- Beispiel: Ein Lieferant übermittelt falsche Zählerstände, der Netzbetreiber verarbeitet sie ohne APERAK-Rückmeldung. Später stellt sich heraus, dass die Abrechnung fehlerhaft war.
- Frage: Wer haftet für die Korrekturkosten? Ohne APERAK kann der Lieferant argumentieren, der Netzbetreiber habe die Daten akzeptiert.
Regulatorische Konsequenzen:
- Beweislastumkehr (§ 280 BGB, vertragliche Haftung): Ohne APERAK-Dokumentation kann der Geschädigte (z. B. der Netzbetreiber) seine Ansprüche nicht durchsetzen, da der Nachweis der Pflichtverletzung fehlt.
- Bußgelder nach § 95 EnWG: Die BNetzA kann bei systematischen Mängeln im Datenaustausch Bußgelder verhängen, insbesondere wenn diese zu Marktstörungen führen.
c) Compliance-Risiken durch fehlende Auditierbarkeit
Problem: Die APERAK dient als Nachweis für die Einhaltung der Marktregeln. Fehlt sie, ist der Datenaustausch nicht revisionssicher.
- Beispiel: Bei einer Prüfung durch die BNetzA kann der Netzbetreiber oder Lieferant nicht nachweisen, dass er seine Pflichten erfüllt hat.
Regulatorische Konsequenzen:
- Verstoß gegen § 6a EnWG (Datenmanagement): Netzbetreiber müssen ein dokumentiertes Datenmanagement vorweisen. Fehlende APERAK-Nachweise führen zu Compliance-Verstößen.
- Ausschluss von Marktprozessen: Bei wiederholten Verstößen kann die BNetzA den Marktteilnehmer von bestimmten Prozessen (z. B. Bilanzkreisabrechnung) ausschließen.
3. Empfehlungen für eine regelkonforme Implementierung
Um die genannten Risiken zu vermeiden, sollten Netzbetreiber und Lieferanten folgende Maßnahmen ergreifen:
Technische Umsetzung als geschlossener Regelkreis:
- Automatisierte APERAK-Generierung bei jeder eingehenden Nachricht (Fehler oder Erfolg).
- Protokollierung aller APERAK-Nachrichten in einem revisionssicheren System (z. B. Archivierung nach GoBD).
Klare vertragliche Regelungen:
- Definition von Fristen für die Fehlerbehebung (z. B. 2 Werktage nach APERAK-Fehlerrückmeldung).
- Festlegung von Haftungsregeln bei Nichtbeachtung der APERAK-Pflicht.
Regelmäßige Audits:
- Überprüfung der APERAK-Kommunikation durch interne oder externe Prüfer.
- Meldung von systematischen Fehlern an die BNetzA, um Compliance-Risiken zu minimieren.
Schulungen und Prozessdokumentation:
- Schulung der Mitarbeiter zur korrekten Handhabung von APERAK-Nachrichten.
- Dokumentation der Verantwortlichkeiten in Arbeitsanweisungen.
Fazit
Die bidirektionale APERAK-Kommunikation ist kein optionales technisches Feature, sondern ein zentrales Steuerungsinstrument für die Verantwortungsverteilung im Strommarkt. Eine nicht als geschlossener Regelkreis implementierte APERAK-Schnittstelle führt zu:
- Haftungslücken bei Datenfehlern,
- regulatorischen Verstößen (EnWG, MaBiS, GPKE),
- Compliance-Risiken durch fehlende Auditierbarkeit.
Netzbetreiber und Lieferanten müssen sicherstellen, dass jeder Geschäftsvorfall mit einer APERAK quittiert wird, um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden. Die BNetzA überwacht die Einhaltung dieser Pflichten und kann bei Verstößen Bußgelder oder Marktausschlüsse verhängen.