Willi Mako
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API-gesteuerte iMS: Neue Rollen & Verantwortlichkeiten im Bestellprozess

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TAGS [MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][REDISPATCH][FEHLERBEHANDLUNG]

Veränderung der Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten durch den Universalbestellprozess über API-Webdienste bei intelligenten Messsystemen (iMS)

1. Einleitung

Die Einführung des Universalbestellprozesses über API-Webdienste zur Steuerung intelligenter Messsysteme (iMS) standardisiert die prozessuale Abwicklung von Steuerungshandlungen zwischen Netzbetreibern, Messstellenbetreibern (MSB) und Lieferanten. Diese Digitalisierung führt zu einer Neuordnung der Verantwortlichkeiten und schafft prozessuale Abhängigkeiten, die eine klare Schnittstellendefinition und operative Koordination erfordern. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Vorgaben des BDEW-Dokuments vom 24.10.2023 (Version 1.0.0) und den darin referenzierten API-Spezifikationen von edi@energy.


2. Veränderung der Rollen und Verantwortlichkeiten

2.1 Netzbetreiber

Der Netzbetreiber bleibt verantwortlich für die technische Steuerung des Netzes, einschließlich der Last- und Einspeisemanagementmaßnahmen. Durch den Universalbestellprozess übernimmt er jedoch zusätzliche koordinierende Funktionen:

  • Initiierung von Steuerungshandlungen: Der Netzbetreiber löst über die API Steuerungsanforderungen aus (z. B. Lastabwurf, Einspeisemanagement) und übermittelt diese an den MSB.
  • Validierung und Freigabe: Er prüft die technische Machbarkeit der Steuerungsmaßnahmen und gibt diese frei, sofern sie netzdienlich sind.
  • Monitoring und Eskalation: Der Netzbetreiber überwacht die Umsetzung der Steuerungshandlungen und leitet bei Fehlern oder Verzögerungen Eskalationsprozesse ein.

Neue Verantwortung:

  • Schnittstellenmanagement: Der Netzbetreiber muss sicherstellen, dass seine Systeme mit den APIs des MSB kompatibel sind und die Datenformate (z. B. nach dem edi@energy-Standard) korrekt verarbeitet werden.
  • Datenhoheit: Er ist für die Richtigkeit der Steuerungsparameter (z. B. Schaltzeiten, Leistungsgrenzen) verantwortlich, die über die API übermittelt werden.

2.2 Messstellenbetreiber (MSB)

Der MSB fungiert als technischer Umsetzer der Steuerungshandlungen und übernimmt eine zentrale Schnittstellenrolle:

  • Empfang und Weiterleitung von Steuerungsaufträgen: Der MSB nimmt die über die API übermittelten Steuerungsanforderungen des Netzbetreibers entgegen und leitet sie an das iMS weiter.
  • Technische Umsetzung: Er gewährleistet die korrekte Ausführung der Steuerungsbefehle (z. B. Schalthandlungen, Leistungsbegrenzungen) und meldet den Status zurück.
  • Datenbereitstellung: Der MSB stellt dem Netzbetreiber und Lieferanten Echtzeit- oder Prognosedaten zur Verfügung, die für die Steuerung relevant sind (z. B. aktuelle Lastgänge, Schaltzustände).

Neue Verantwortung:

  • API-Betrieb und Sicherheit: Der MSB muss die Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit der API-Schnittstelle gewährleisten (z. B. durch Authentifizierung, Verschlüsselung).
  • Fehlerbehandlung: Bei technischen Störungen (z. B. Kommunikationsausfall, fehlerhafte Schalthandlungen) ist der MSB für die sofortige Meldung an den Netzbetreiber und die Einleitung von Korrekturmaßnahmen verantwortlich.
  • Dokumentation: Alle Steuerungshandlungen müssen revisionssicher protokolliert werden, um Nachweispflichten (z. B. gegenüber der Bundesnetzagentur) zu erfüllen.

2.3 Lieferanten

Der Lieferant ist indirekt betroffen, da er zwar nicht direkt an der technischen Steuerung beteiligt ist, aber wirtschaftliche und vertragliche Auswirkungen zu tragen hat:

  • Information über Steuerungsmaßnahmen: Der Lieferant erhält über die API Benachrichtigungen über geplante oder durchgeführte Steuerungshandlungen, die seine Kunden betreffen (z. B. Unterbrechungen der Versorgung).
  • Anpassung von Lieferverträgen: Bei häufigen Steuerungseingriffen (z. B. im Rahmen des Redispatch 2.0) muss der Lieferant seine Preis- und Vertragsmodelle anpassen, um wirtschaftliche Nachteile auszugleichen.
  • Kommunikation mit Endkunden: Der Lieferant ist für die transparente Information der Verbraucher über Steuerungsmaßnahmen verantwortlich (z. B. über Rechnungsbeilagen oder Kundenportale).

Neue Verantwortung:

  • Datenintegration: Der Lieferant muss die über die API bereitgestellten Steuerungsdaten in seine Abrechnungs- und Prognosesysteme einbinden, um z. B. Entschädigungsansprüche (gemäß § 14a EnWG) korrekt zu berechnen.
  • Koordination mit dem Netzbetreiber: Bei Konflikten zwischen Steuerungsmaßnahmen und Lieferverträgen (z. B. garantierte Versorgungssicherheit) muss der Lieferant proaktiv mit dem Netzbetreiber abstimmen.

3. Neue prozessuale Abhängigkeiten

Die Einführung des Universalbestellprozesses schafft vier zentrale Abhängigkeiten, die eine enge Zusammenarbeit der Marktakteure erfordern:

3.1 Zeitliche Synchronisation

  • Echtzeit-Anforderungen: Steuerungshandlungen müssen innerhalb definierter Fristen (z. B. 15 Minuten vor Ausführung) über die API übermittelt und bestätigt werden. Verzögerungen können zu Netzinstabilitäten führen.
  • Abhängigkeit von MSB-Reaktionszeiten: Der Netzbetreiber ist darauf angewiesen, dass der MSB Steuerungsbefehle sofort umsetzt und Rückmeldungen liefert. Technische Störungen beim MSB blockieren den gesamten Prozess.

3.2 Datenqualität und -konsistenz

  • Einheitliche Datenformate: Alle Akteure müssen die edi@energy-Spezifikationen (z. B. für Steuerungsparameter, Statusmeldungen) einhalten. Abweichungen führen zu Fehlinterpretationen und Prozessabbrüchen.
  • Plausibilitätsprüfungen: Der MSB muss die vom Netzbetreiber übermittelten Steuerungsdaten auf technische Machbarkeit prüfen (z. B. ob eine Schalthandlung das iMS beschädigt). Bei Fehlern muss er die Ausführung verweigern und eine Eskalation einleiten.

3.3 Eskalations- und Fehlerbehandlungsprozesse

  • Automatisierte Fehlererkennung: Die API muss Fehlermeldungen (z. B. "Steuerungsbefehl nicht ausführbar") standardisiert zurückmelden. Fehlt diese Rückmeldung, entsteht eine manuelle Nachbearbeitungspflicht.
  • Verantwortungsketten: Bei fehlerhaften Steuerungshandlungen muss geklärt werden, ob der Netzbetreiber (falsche Parameter), der MSB (technischer Fehler) oder der Hersteller des iMS (Gerätedefekt) verantwortlich ist.

3.4 Rechtliche und regulatorische Compliance

  • Nachweispflichten: Alle Steuerungshandlungen müssen dokumentiert und archiviert werden, um bei Streitfällen (z. B. Entschädigungsforderungen) nachweisbar zu sein.
  • Datenschutz: Die API muss die DSGVO-konforme Verarbeitung personenbezogener Daten (z. B. bei Steuerung von Haushaltsgeräten) sicherstellen. Der MSB ist hierfür primär verantwortlich, der Netzbetreiber muss jedoch die Einhaltung prüfen.

4. Fazit und Handlungsempfehlungen

Der Universalbestellprozess über API-Webdienste zentralisiert die Steuerung von iMS und verschiebt Verantwortlichkeiten hin zu einer stärkeren technischen und prozessualen Integration der Marktakteure. Um die neuen Abhängigkeiten zu beherrschen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

  1. Technische Harmonisierung:

    • Alle Akteure müssen ihre Systeme an die edi@energy-API-Spezifikationen anpassen und regelmäßige Kompatibilitätstests durchführen.
    • Der MSB sollte Redundanzmechanismen (z. B. Backup-Server) implementieren, um Ausfallzeiten zu minimieren.
  2. Prozessuale Klarheit:

    • SLA-Vereinbarungen (Service Level Agreements) zwischen Netzbetreiber und MSB sollten Reaktionszeiten, Fehlerquoten und Eskalationspfade verbindlich regeln.
    • Schulungen für Mitarbeiter sind notwendig, um die neuen API-Prozesse korrekt anzuwenden.
  3. Regulatorische Absicherung:

    • Die Bundesnetzagentur sollte klare Mindestanforderungen an die API-Sicherheit und Dokumentationspflichten definieren.
    • Musterverträge für die Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern und MSB könnten die Umsetzung beschleunigen.
  4. Monitoring und kontinuierliche Verbesserung:

    • Ein zentrales Fehler- und Performance-Monitoring (z. B. über ein gemeinsames Dashboard) hilft, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen.
    • Regelmäßige Review-Termine zwischen den Akteuren sollten genutzt werden, um Prozesse anzupassen.

Die Einführung des Universalbestellprozesses bietet die Chance, die Steuerung von iMS effizienter und transparenter zu gestalten. Allerdings erfordert dies eine enge Kooperation und technische Investitionen aller Beteiligten, um die neuen prozessualen Abhängigkeiten zu beherrschen.