Willi Mako
// PROTOCOL:

Automatisierung in der Marktkommunikation: Weniger Fehler, klare Verantwortung

ID#CAB-19
STATUSREAD_ONLY
AUTHORSYS_ADMIN
TAGS [EDIFACT][LIEFERANTENWECHSEL][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][VERBRAUCHSPROGNOSE][ZUORDNUNG]

Einfluss der Automatisierung von Prüfprozessen auf Fehleranfälligkeit und Verantwortungsverteilung in der Marktkommunikation

1. Auswirkungen der Automatisierung auf Fehleranfälligkeit

Die zunehmende Automatisierung von Prüfprozessen in der Marktkommunikation (z. B. bei der Abrechnung von Energielieferungen, Messdatenvalidierung oder Wechselprozessen) führt zu einer grundlegenden Veränderung der Fehlerdynamik:

  • Reduzierung manueller Fehler: Automatisierte Systeme minimieren menschliche Eingabefehler, Inkonsistenzen bei der Datenübertragung oder Verzögerungen durch manuelle Bearbeitung. Dies gilt insbesondere für standardisierte Prozesse wie die Plausibilitätsprüfung von Zählerständen oder die Zuordnung von Lieferantenwechseln.
  • Neue Fehlerquellen: Gleichzeitig entstehen systemimmanente Risiken, etwa durch:
    • Fehlerhafte Algorithmen: Automatisierte Prüfregeln können falsche Ablehnungen (False Positives) oder unerkannte Fehler (False Negatives) verursachen, wenn sie nicht ausreichend validiert oder an geänderte regulatorische Vorgaben angepasst werden.
    • Datenqualitätsprobleme: Automatisierte Systeme sind abhängig von der Qualität der Eingabedaten. Unvollständige, fehlerhafte oder inkonsistente Stammdaten (z. B. Zählernummern, Vertragsnummern) führen zu Ablehnungen, selbst wenn der zugrundeliegende Prozess korrekt ist.
    • Schnittstellenprobleme: Inkompatible Datenformate oder fehlende Synchronisation zwischen den Systemen von Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern (MSB) können zu Ablehnungen führen, obwohl die Daten inhaltlich korrekt sind.

Beispiel aus dem Kontext: Eine Ablehnung im Prüfprozess kann entstehen, wenn ein automatisiertes System eine Diskrepanz zwischen gemeldeten Zählerständen und prognostizierten Werten erkennt – etwa aufgrund eines defekten Zählers oder einer falschen Verbrauchsprognose. Ohne manuelle Überprüfung wird der Fall pauschal abgelehnt, obwohl eine Klärung zwischen MSB und Netzbetreiber möglich gewesen wäre.


2. Verantwortungsverteilung im automatisierten Prozess

Die Automatisierung verschiebt die Verantwortlichkeiten, ohne sie vollständig aufzuheben. Die zentralen Akteure tragen folgende Pflichten:

  • Netzbetreiber:

    • Datenhoheit und Prüfregeln: Sie definieren die automatisierten Prüfkriterien (z. B. für Zählerstandsplausibilisierung) und sind für deren korrekte Implementierung verantwortlich.
    • Schnittstellenmanagement: Sie müssen sicherstellen, dass ihre Systeme mit denen der Lieferanten und MSB kompatibel sind (z. B. über EDIFACT oder andere standardisierte Formate).
    • Fehlerkommunikation: Bei Ablehnungen müssen sie klare, maschinenlesbare Rückmeldungen geben, die den Grund der Ablehnung spezifizieren (z. B. "Zählerstand außerhalb des Toleranzbereichs").
  • Lieferanten:

    • Datenqualität: Sie sind für die korrekte Übermittlung von Vertrags- und Verbrauchsdaten verantwortlich. Automatisierte Ablehnungen aufgrund fehlerhafter Stammdaten (z. B. falsche Zählernummer) gehen zu ihren Lasten.
    • Prozessanpassung: Sie müssen ihre internen Systeme an die Prüfregeln der Netzbetreiber anpassen und ggf. manuelle Nachbearbeitungen für abgelehnte Fälle vorsehen.
  • Messstellenbetreiber (MSB):

    • Datenbereitstellung: Sie liefern die Rohdaten (z. B. Zählerstände) und müssen sicherstellen, dass diese korrekt erfasst und übertragen werden.
    • Technische Verantwortung: Bei intelligenten Messsystemen (iMSys) obliegt ihnen die Wartung und Fehlerbehebung, um Datenverluste oder -verfälschungen zu vermeiden.

Problem der Verantwortungsdiffusion: Automatisierte Ablehnungen können dazu führen, dass sich die Akteure gegenseitig die Schuld zuweisen (z. B. Netzbetreiber verweist auf fehlerhafte Lieferantendaten, Lieferant auf intransparente Prüfregeln). Dies verzögert die Klärung und erhöht den manuellen Aufwand.


3. Prozessuale Anpassungen zur Vermeidung systematischer Ablehnungen

Um Ablehnungen wie im Kontext zu minimieren, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

A. Standardisierung und Transparenz der Prüfregeln

  • Einheitliche Prüfkriterien: Netzbetreiber sollten ihre automatisierten Prüfregeln (z. B. für Zählerstandsplausibilität) branchenweit harmonisieren und dokumentieren. Dies reduziert Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Netzbereichen.
  • Vorabvalidierung: Lieferanten und MSB sollten die Möglichkeit erhalten, Daten vor der Übermittlung gegen die Prüfregeln des Netzbetreibers zu testen (z. B. über Sandbox-Umgebungen).
  • Dokumentation von Ablehnungsgründen: Automatisierte Rückmeldungen müssen detailliert und maschinenlesbar sein (z. B. mit Fehlercodes nach GPKE oder MaBiS). Beispiel:
    • "Ablehnungscode 004: Zählerstand außerhalb des prognostizierten Bereichs (±20 %). Bitte prüfen Sie die Daten oder melden Sie eine technische Störung."

B. Datenqualitätsmanagement

  • Stammdatenpflege: Alle Akteure müssen sicherstellen, dass Stammdaten (z. B. Zählernummern, Vertragsbeziehungen) aktuell und konsistent sind. Automatisierte Synchronisationsprozesse (z. B. über das Marktstammdatenregister) können hier unterstützen.
  • Datenvalidierung vor Übermittlung: Lieferanten und MSB sollten interne Prüfroutinen implementieren, die typische Fehlerquellen (z. B. fehlende Pflichtfelder, Formatfehler) vor der Übermittlung erkennen.
  • Fehlerprotokolle: Automatisierte Systeme sollten nicht nur Ablehnungen melden, sondern auch Hinweise auf wiederkehrende Fehler geben (z. B. "Häufige Ablehnung bei Zählernummer XYZ – bitte Stammdaten prüfen").

C. Eskalations- und Klärungsprozesse

  • Manuelle Überprüfungsoptionen: Bei automatisierten Ablehnungen sollte ein definierter Eskalationspfad existieren, z. B.:
    1. Automatisierte Ablehnung mit Fehlercode.
    2. Möglichkeit zur manuellen Nachbearbeitung durch den Lieferanten (z. B. mit zusätzlichen Belegen).
    3. Klärung zwischen Netzbetreiber und MSB bei technischen Störungen (z. B. defekter Zähler).
  • Fristen für Klärungen: Klare Zeitvorgaben für die Bearbeitung von Ablehnungen (z. B. 3 Werktage) verhindern Verzögerungen.
  • Schlichtungsstellen: Bei wiederkehrenden Konflikten sollten neutrale Instanzen (z. B. die Bundesnetzagentur) als Schiedsrichter fungieren.

D. Technische Anpassungen

  • Robustere Schnittstellen: Die Kommunikation zwischen den Systemen sollte auf modernen Standards basieren (z. B. REST-APIs statt veralteter EDI-Formate) und Fehlertoleranzen berücksichtigen (z. B. Retry-Mechanismen bei temporären Übertragungsfehlern).
  • KI-gestützte Plausibilitätsprüfung: Maschinelles Lernen kann helfen, ungewöhnliche Muster (z. B. plötzliche Verbrauchsspitzen) zu erkennen, ohne pauschal abzulehnen. Beispiel: Ein Zählerstand, der 50 % über dem Vorjahreswert liegt, wird nicht sofort abgelehnt, sondern mit einer Warnung an den MSB zur Prüfung weitergeleitet.
  • Audit-Trails: Alle automatisierten Entscheidungen sollten protokolliert werden, um im Nachhinein nachvollziehen zu können, warum eine Ablehnung erfolgte.

4. Fazit

Die Automatisierung von Prüfprozessen in der Marktkommunikation reduziert zwar manuelle Fehler, schafft aber neue Risiken durch algorithmische Entscheidungen und Datenabhängigkeiten. Um systematische Ablehnungen zu vermeiden, müssen:

  1. Prüfregeln transparent und standardisiert sein,
  2. Datenqualität durch alle Akteure sichergestellt werden,
  3. Eskalationsprozesse für manuelle Klärungen etabliert sein und
  4. technische Schnittstellen kontinuierlich verbessert werden.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und MSB – unterstützt durch klare regulatorische Vorgaben – ist essenziell, um die Vorteile der Automatisierung zu nutzen, ohne die Fehleranfälligkeit zu erhöhen. Langfristig könnte eine zentrale Plattform (z. B. ein "Marktkommunikations-Hub") die Koordination weiter vereinfachen.