Veränderung der Rollenverteilung durch Automatisierung von APERAK-Meldungen und regulatorische Anpassungsbedarfe
1. Auswirkungen der Automatisierung auf die Rollenverteilung
Die zunehmende Automatisierung von APERAK-Meldungen (Application Error and Acknowledgement Messages) durch KI-gestützte Fehlererkennung verändert die traditionelle Aufgabenteilung zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern (MSB) im Fehlerbehebungsprozess. Bisher basierte die Fehleridentifikation und -kommunikation auf manuellen oder semi-automatisierten Prozessen, bei denen menschliche Akteure eine zentrale Rolle spielten. Durch den Einsatz von KI-Systemen ergeben sich folgende Verschiebungen:
1.1 Netzbetreiber: Von der manuellen Prüfung zur Systemüberwachung
- Aktuelle Rolle: Netzbetreiber sind für die Validierung von Marktkommunikationsdaten (z. B. Zählerstände, Lastgänge) verantwortlich und leiten bei Fehlern APERAK-Meldungen an Lieferanten oder MSB weiter.
- Veränderung durch Automatisierung:
- KI-Systeme können Echtzeit-Fehlererkennung durchführen, indem sie Abweichungen in Datenformaten, Plausibilitätsprüfungen oder fehlende Referenzen automatisch identifizieren.
- Die manuelle Prüfung von Einzelfällen reduziert sich auf Ausnahmefälle, während Standardfehler (z. B. falsche OBIS-Kennzahlen, fehlende Zeitstempel) direkt durch das System korrigiert oder eskaliert werden.
- Netzbetreiber übernehmen zunehmend eine Monitoring- und Steuerungsfunktion, während die operative Fehlerbehebung teilweise an die KI delegiert wird.
- Herausforderung: Die Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Entscheidungen bleibt beim Netzbetreiber, was neue Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Algorithmen stellt.
1.2 Lieferanten: Von reaktiver Bearbeitung zu proaktiver Datenqualität
- Aktuelle Rolle: Lieferanten erhalten APERAK-Meldungen und müssen diese manuell prüfen, korrigieren und erneut übermitteln.
- Veränderung durch Automatisierung:
- KI-Systeme können Fehlerursachen direkt im Quellsystem (z. B. im Abrechnungssystem des Lieferanten) identifizieren und automatisierte Korrekturvorschläge generieren.
- Lieferanten werden stärker in die Datenqualitätssicherung eingebunden, da KI-Systeme systematische Fehler (z. B. falsche Vertragsreferenzen) erkennen und an die Ursprungsquelle zurückmelden.
- Herausforderung: Die Schnittstelle zwischen Lieferant und Netzbetreiber muss neu definiert werden, da KI-Systeme eine bidirektionale Fehlerkommunikation erfordern (z. B. automatisierte Rückfragen an den Lieferanten bei unklaren Daten).
1.3 Messstellenbetreiber (MSB): Von der manuellen Datenvalidierung zur Systemintegration
- Aktuelle Rolle: MSB sind für die korrekte Erfassung und Übermittlung von Zählerdaten verantwortlich und müssen auf APERAK-Meldungen reagieren.
- Veränderung durch Automatisierung:
- KI kann technische Fehler (z. B. Kommunikationsausfälle, falsche Zählerstände) direkt erkennen und automatisierte Eskalationspfade auslösen (z. B. Fernwartung oder Austausch des Zählers).
- Die Rolle des MSB verschiebt sich hin zu einer Systemintegrationsfunktion, bei der die Kompatibilität zwischen Messinfrastruktur und KI-gestützter Fehlererkennung sichergestellt werden muss.
- Herausforderung: Die Verantwortung für die Datenintegrität muss klar geregelt sein, insbesondere wenn KI-Systeme automatisierte Korrekturen vornehmen (z. B. Schätzung fehlender Werte).
2. Regulatorische Anpassungsbedarfe
Die Automatisierung von APERAK-Prozessen erfordert eine Neudefinition der Verantwortungsbereiche und Anpassungen der regulatorischen Rahmenbedingungen, um Rechtssicherheit und Effizienz zu gewährleisten.
2.1 Klärung der Haftung bei KI-gestützten Entscheidungen
- Problem: Wer haftet, wenn ein KI-System einen Fehler falsch klassifiziert oder eine automatisierte Korrektur zu falschen Abrechnungen führt?
- Lösungsansatz:
- Transparenzpflichten für KI-Systeme: Netzbetreiber müssen nachweisen können, nach welchen Kriterien Fehler erkannt und behoben werden (z. B. durch Audit-Trails).
- Haftungsregelungen: Klare Zuordnung der Verantwortung für menschliche Überprüfungspflichten (z. B. bei kritischen Fehlern) und automatisierte Standardfälle.
- Regulatorische Vorgaben: Die Bundesnetzagentur (BNetzA) sollte Mindeststandards für KI-gestützte Fehlererkennung definieren (z. B. Genauigkeitsanforderungen, Eskalationsmechanismen).
2.2 Standardisierung der Schnittstellen und Datenformate
- Problem: KI-Systeme benötigen einheitliche Datenformate, um Fehler zuverlässig zu erkennen. Aktuell gibt es Abweichungen in der Umsetzung der APERAK-Spezifikationen.
- Lösungsansatz:
- Verbindliche Vorgaben für Datenqualität: Einführung von Mindestanforderungen an die Datenübermittlung (z. B. Pflichtfelder, Plausibilitätsprüfungen).
- Automatisierte Validierungsregeln: Netzbetreiber und Lieferanten müssen gemeinsame KI-Trainingsdaten nutzen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
- Regulatorische Maßnahme: Die BNetzA sollte ein zentrales Testsystem einführen, in dem neue KI-Algorithmen vor der Einführung geprüft werden.
2.3 Neudefinition der Eskalationsprozesse
- Problem: Automatisierte Systeme können komplexe Fehler (z. B. Vertragsstreitigkeiten) nicht eigenständig lösen, was zu unklaren Verantwortungsübergängen führt.
- Lösungsansatz:
- Stufenweise Eskalation:
- Automatisierte Fehlererkennung und -korrektur (z. B. Formatfehler).
- Manuelle Prüfung durch den Netzbetreiber bei unklaren Fällen.
- Einbindung des Lieferanten/MSB bei systemischen Fehlern.
- Regulatorische Maßnahme: Festlegung von maximalen Bearbeitungszeiten für automatisierte und manuelle Prozesse (z. B. 24 Stunden für Standardfehler, 5 Werktage für komplexe Fälle).
- Stufenweise Eskalation:
2.4 Datenschutz und Compliance
- Problem: KI-Systeme verarbeiten personenbezogene Daten (z. B. Zählerstände), was DSGVO-konforme Lösungen erfordert.
- Lösungsansatz:
- Anonymisierung/Pseudonymisierung: Sensible Daten sollten vor der KI-Verarbeitung technisch geschützt werden.
- Regulatorische Maßnahme: Die BNetzA sollte Leitlinien für den datenschutzkonformen Einsatz von KI in der Marktkommunikation erlassen.
3. Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Automatisierung von APERAK-Meldungen führt zu einer Verschiebung der Rollen hin zu systemgestützter Fehlererkennung und -behebung, wobei menschliche Akteure zunehmend Steuerungs- und Kontrollfunktionen übernehmen. Um diese Entwicklung rechtssicher und effizient zu gestalten, sind folgende regulatorische Anpassungen notwendig:
- Haftungsregelungen für KI-Entscheidungen (Transparenz, Auditierbarkeit, menschliche Letztverantwortung).
- Standardisierung von Datenformaten und Schnittstellen (verbindliche Vorgaben für Netzbetreiber und Lieferanten).
- Neudefinition der Eskalationsprozesse (klare Verantwortungsübergänge zwischen Automatisierung und manueller Bearbeitung).
- Datenschutzkonforme KI-Nutzung (DSGVO-konforme Verarbeitung personenbezogener Daten).
Eine koordinierte Umsetzung durch die Bundesnetzagentur, den BDEW und die Marktpartner ist erforderlich, um die Vorteile der Automatisierung zu nutzen, ohne die Prozesssicherheit und Compliance zu gefährden.