Willi Mako
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Dynamische Ausnahmeregelung in ORDERS: Risikoverteilung & APERAK

ID#9D3-13
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TAGS [LIEFERANTENWECHSEL][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][ZUORDNUNG][FEHLERBEHANDLUNG]

Einfluss der dynamischen Ausnahmeregelung für ORDERS-Nachrichten auf die prozessuale Risikoverteilung in APERAK-Rückmeldungen

1. Hintergrund und Regelungszweck

Die dynamische Ausnahmeregelung für bestimmte ORDERS-Nachrichten (z. B. mit BGM+7/IMD+Z10–Z35 oder BGM+Z28/Z48) modifiziert die standardmäßige Fehlerprüfung in APERAK-Rückmeldungen (Application Error and Acknowledgement). Sie dient der prozessualen Flexibilisierung, indem sie für definierte Nachrichtentypen bestimmte Prüfroutinen aussetzt. Dies betrifft insbesondere:

  • BGM+7 (Bestelländerung) in Kombination mit IMD+Z10–Z35 (spezifische Identifikationscodes für Lieferstellen oder Messlokationen),
  • BGM+Z28 (Stornierung einer Bestellung) oder BGM+Z48 (Rücknahme einer Stornierung),
  • sowie BGM+Z12 (Bestellung ohne Lokationszuordnung) bei Vorliegen eines NAD+MS (Lieferant in der Rolle "LF").

Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass diese Nachrichtentypen häufig in Sonderprozessen (z. B. kurzfristige Lieferantenwechsel, Notfallmaßnahmen oder korrektive Eingriffe) eingesetzt werden, bei denen eine strikte Syntax- oder Plausibilitätsprüfung die Prozessabwicklung unnötig verzögern oder blockieren würde.


2. Auswirkungen auf die Risikoverteilung

Die Ausnahmeregelung verschiebt die Verantwortung für die Datenqualität und Fehlerbehandlung zwischen den Marktpartnern (Lieferanten, Netzbetreibern, Messstellenbetreibern) und beeinflusst damit die prozessuale Risikoverteilung wie folgt:

2.1 Entlastung des Senders (Lieferant/Marktpartner)

  • Reduzierte Prüfpflichten: Der Sender einer ORDERS-Nachricht mit den genannten Ausnahmen muss keine vollständige Konformität mit allen Syntax- und Plausibilitätsregeln sicherstellen. Beispielsweise entfällt die Prüfung auf:
    • Konsistenz zwischen IMD+Z10–Z35 und den im System hinterlegten Stammdaten,
    • Vollständigkeit der Lokationszuordnung bei BGM+Z12/NAD+MS.
  • Schnellere Prozessabwicklung: Kritische Bestellungen (z. B. Stornierungen oder Änderungen) können ohne Rückfragen verarbeitet werden, was die Reaktionszeit in Notfallszenarien verkürzt.
  • Risiko: Der Sender trägt jedoch das Risiko von Folgefehlern, wenn die Nachricht trotz Ausnahmeregelung inhaltliche Mängel aufweist (z. B. falsche IMD-Codes). Diese werden erst in späteren Prozessschritten (z. B. bei der Rechnungsstellung) sichtbar.

2.2 Erhöhte Verantwortung des Empfängers (Netzbetreiber/Messstellenbetreiber)

  • Manuelle Nachbearbeitung: Der Empfänger muss die Nachricht ohne automatisierte Fehlerrückmeldung verarbeiten. Dies erfordert:
    • Manuelle Plausibilitätsprüfungen (z. B. Abgleich der IMD-Codes mit internen Systemen),
    • Proaktive Fehlererkennung durch zusätzliche Kontrollmechanismen (z. B. Stichproben oder nachgelagerte Validierungen).
  • Risiko von Systeminkonsistenzen: Fehlende APERAK-Fehlermeldungen können zu Dateninkonsistenzen führen, wenn der Empfänger die Nachricht ungeprüft übernimmt. Beispiel:
    • Eine BGM+Z28 (Stornierung) mit falschem IMD-Code wird nicht zurückgewiesen, führt aber später zu Abrechnungsdifferenzen.
  • Dokumentationspflicht: Der Empfänger muss die Verarbeitung der Ausnahme-Nachrichten nachvollziehbar dokumentieren, um im Streitfall die Einhaltung der prozessualen Vorgaben nachweisen zu können.

2.3 Verschiebung der Haftungsrisiken

  • Lieferant (LF):
    • Profitiert von der Beschleunigung kritischer Prozesse, trägt aber das Risiko, dass inhaltliche Fehler erst spät erkannt werden (z. B. bei der Rechnungsprüfung).
    • Bei BGM+Z12/NAD+MS (Bestellung ohne Lokationszuordnung) obliegt es dem Lieferanten, die prozessuale Zulässigkeit der Bestellung zu prüfen (z. B. ob eine Lokationszuordnung nachträglich möglich ist).
  • Netzbetreiber (NB):
    • Übernimmt eine erweiterte Prüfpflicht, da APERAK-Fehlermeldungen entfallen. Dies kann zu höherem manuellem Aufwand führen.
    • Bei BGM+Z48 (Rücknahme einer Stornierung) muss der NB sicherstellen, dass die ursprüngliche Stornierung tatsächlich rückgängig gemacht werden kann (z. B. durch Abgleich mit vorangegangenen APERAK-Meldungen).
  • Marktpartner (z. B. Messstellenbetreiber):
    • Müssen interne Prozesse anpassen, um die Ausnahme-Nachrichten korrekt zu verarbeiten. Beispiel:
      • Bei IMD+Z35 (Messlokation) muss der Messstellenbetreiber prüfen, ob die angegebene Lokation technisch anbindbar ist.

3. Prozessuale Konsequenzen und Empfehlungen

3.1 Für Lieferanten (LF)

  • Dokumentation der Ausnahmen: Jede Nutzung der Ausnahmeregelung sollte protokolliert werden (z. B. Grund für die Bestellung ohne Lokationszuordnung bei BGM+Z12).
  • Nachgelagerte Qualitätssicherung: Implementierung von automatisierten Plausibilitätsprüfungen nach der initialen Verarbeitung, um Folgefehler zu vermeiden.
  • Kommunikation mit dem Netzbetreiber: Klare Absprachen über die Verarbeitung von Ausnahme-Nachrichten, insbesondere bei BGM+Z28/Z48 (Stornierungen).

3.2 Für Netzbetreiber (NB)

  • Erweiterte Prüfroutinen: Entwicklung von manuellen oder teilautomatisierten Kontrollen für Ausnahme-Nachrichten, z. B.:
    • Abgleich der IMD-Codes mit dem Marktstammdatenregister,
    • Validierung der Lokationszuordnung bei BGM+Z12.
  • Risikomanagement: Einrichtung von Frühwarnsystemen, die auf inkonsistente Daten hinweisen (z. B. doppelte Stornierungen).
  • Schulungen: Sensibilisierung der Mitarbeiter für die erhöhte Verantwortung bei der Verarbeitung von Ausnahme-Nachrichten.

3.3 Für Marktpartner (z. B. Messstellenbetreiber)

  • Anpassung der Schnittstellen: Sicherstellung, dass die Verarbeitungssysteme die Ausnahme-Nachrichten korrekt interpretieren (z. B. IMD+Z35 ohne automatische Fehlerrückmeldung).
  • Dokumentation der Verarbeitung: Nachweis, dass die Nachricht trotz fehlender APERAK-Fehlermeldung geprüft wurde (z. B. durch Log-Einträge).

4. Fazit

Die dynamische Ausnahmeregelung für ORDERS-Nachrichten entlastet den Sender kurzfristig, verschiebt jedoch die Risikoverantwortung auf den Empfänger. Während sie prozessuale Flexibilität in kritischen Szenarien ermöglicht, erhöht sie gleichzeitig den manuellen Prüfaufwand und das Risiko von Dateninkonsistenzen. Eine klare Dokumentation, erweiterte Kontrollmechanismen und abgestimmte Prozesse zwischen den Marktpartnern sind essenziell, um die Vorteile der Regelung zu nutzen, ohne die Datenqualität zu gefährden.

Rechtlicher Hinweis: Die Ausnahmeregelung entbindet nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäß den Marktregeln. Im Streitfall obliegt es den Parteien, die ordnungsgemäße Verarbeitung der Nachricht nachzuweisen. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die Konsultation der aktuellen Version des APERAK-Anwendungshandbuchs oder eine Abstimmung mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).