Einfluss dynamischer Prüfschablonen auf Flexibilität, Fehleranfälligkeit und prozessuale Abhängigkeiten in der Marktkommunikation
1. Dynamische Festlegung von Prüfschablonen durch Prüfidentifikatoren
Die Verwendung von Prüfidentifikatoren zur dynamischen Auswahl von Prüfschablonen in der Marktkommunikation (z. B. im Rahmen des MaKo 2020-Prozesses oder vergleichbarer Regelwerke) ermöglicht eine fallbezogene Validierung von Nachrichten. Dabei wird die anzuwendende Prüfschablone nicht statisch vorgegeben, sondern erst zur Laufzeit anhand des Identifikators bestimmt. Dies betrifft insbesondere:
- Anwendungsfälle (z. B. Zählerstandsübermittlung, Wechselprozesse, Netznutzungsabrechnung),
- Marktrollen (Netzbetreiber, Lieferanten, Messstellenbetreiber),
- Nachrichtentypen (z. B. UTILMD, MSCONS, INVOIC).
2. Auswirkungen auf Flexibilität
Vorteile
- Anpassungsfähigkeit an Prozessänderungen: Durch die Trennung von Identifikator und Schablone können Prüfregeln ohne Anpassung der Nachrichtenstruktur aktualisiert werden. Beispiel: Bei Änderungen in der BDEW-Codeliste oder neuen regulatorischen Vorgaben (z. B. StromNZV, MsbG) müssen nur die Schablonen angepasst werden, nicht die übermittelten Daten.
- Unterstützung heterogener Marktprozesse: Unterschiedliche Prüfanforderungen (z. B. für Grundversorger vs. Sondervertragskunden) lassen sich über spezifische Identifikatoren abbilden. Dies reduziert die Notwendigkeit von Workarounds oder manuellen Korrekturen.
- Skalierbarkeit: Neue Anwendungsfälle (z. B. Smart-Meter-Datenübermittlung) können durch Hinzufügen weiterer Identifikatoren integriert werden, ohne bestehende Prozesse zu stören.
Herausforderungen
- Komplexitätssteigerung: Die Verwaltung einer Vielzahl von Identifikatoren und Schablonen erfordert zentrale Koordinierung (z. B. durch die BNetzA oder edi@energy). Fehlende Standardisierung kann zu Inkompatibilitäten zwischen Marktteilnehmern führen.
- Abhängigkeit von Metadaten: Die korrekte Zuordnung der Schablone setzt voraus, dass der Prüfidentifikator eindeutig und konsistent in der Nachricht übermittelt wird. Fehlerhafte oder fehlende Identifikatoren führen zu Ablehnungen (z. B. mit Fehlermeldung "Prüfschablone nicht bestimmbar").
3. Einfluss auf die Fehleranfälligkeit
Risikofaktoren
- Falsche Schablonenauswahl:
Wird der Identifikator falsch gesetzt (z. B. durch manuelle Eingabe oder Systemfehler), kommt eine unpassende Prüfschablone zur Anwendung. Dies kann zu:
- Fehlinterpretationen von Pflichtfeldern (z. B. wird ein optionales Feld als obligatorisch geprüft),
- falschen Validierungsregeln (z. B. falsche Formatprüfung für OBIS-Kennzahlen),
- Ablehnungen führen, obwohl die Nachricht inhaltlich korrekt ist.
- Versionierungskonflikte: Wenn Schablonen asynchron aktualisiert werden (z. B. ein Netzbetreiber nutzt eine neuere Version als der Lieferant), kommt es zu Synchronisationsfehlern. Dies erfordert Rückfallmechanismen (z. B. Nutzung einer Default-Schablone) oder manuelle Klärung.
- Abhängigkeit von externen Systemen: Die dynamische Schablonenauswahl setzt voraus, dass alle Marktteilnehmer auf aktuelle Referenzdaten (z. B. Codelisten, Schablonenversionen) zugreifen. Verzögerungen bei der Bereitstellung führen zu Prozessstörungen.
Gegenmaßnahmen
- Automatisierte Konsistenzprüfung: Systeme sollten vor dem Versand validieren, ob der Prüfidentifikator mit der erwarteten Schablonenversion übereinstimmt (z. B. durch Abgleich mit einer zentralen Datenbank).
- Fehlertolerante Mechanismen: Bei unbekannten Identifikatoren sollte eine Standardschablone (z. B. für Basisanforderungen) greifen, um den Prozess nicht vollständig zu blockieren.
- Dokumentation und Schulung: Klare Prozessbeschreibungen (z. B. in den MaKo-Leitfäden) und Schulungen für Mitarbeiter reduzieren manuelle Fehler.
4. Prozessuale Abhängigkeiten zwischen Marktrollen
Die dynamische Schablonenauswahl schafft interdependente Prozesse, die eine enge Abstimmung zwischen den Marktteilnehmern erfordern:
| Abhängigkeit | Netzbetreiber | Lieferant | Messstellenbetreiber (MSB) |
|---|---|---|---|
| Definition der Prüfidentifikatoren | Legt fest, welche Identifikatoren für welche Prozesse gelten (z. B. in der MaKo-Vereinbarung). | Muss Identifikatoren korrekt in Nachrichten setzen (z. B. in UTILMD). | Übernimmt Identifikatoren aus dem Wechselprozess oder eigenen Messdaten. |
| Bereitstellung der Prüfschablonen | Stellt Schablonen für Netznutzungsabrechnung und Zählerstandsvalidierung bereit. | Nutzt Schablonen für Rechnungsprüfung und Kundenwechsel. | Definiert Schablonen für Smart-Meter-Daten (z. B. nach MsbG). |
| Synchronisation von Updates | Muss Änderungen an Schablonen (z. B. durch neue BDEW-Codes) zeitnah kommunizieren. | Muss Systeme anpassen, um neue Schablonen zu unterstützen. | Muss sicherstellen, dass Messdaten den aktuellen Prüfregeln entsprechen. |
| Fehlerbehandlung | Verantwortlich für die Ablehnung fehlerhafter Nachrichten (z. B. bei falschem Identifikator). | Muss Korrekturen vornehmen und Nachrichten neu senden. | Muss ggf. Messdaten nachliefern, wenn Prüfungen fehlschlagen. |
Kritische Schnittstellen
Wechselprozesse (Lieferantenwechsel, Zählerwechsel):
- Der Lieferant übermittelt den Identifikator für den Wechsel (z. B. in UTILMD).
- Der Netzbetreiber prüft anhand der Schablone, ob alle Pflichtangaben (z. B. Zählpunktbezeichnung, Wechseldatum) vorhanden sind.
- Der MSB muss sicherstellen, dass die Zählerstände den Prüfregeln entsprechen.
Abrechnungsprozesse (MSCONS, INVOIC):
- Der Netzbetreiber sendet Verbrauchsdaten mit Identifikator an den Lieferanten.
- Der Lieferant prüft die Daten gegen die Schablone (z. B. auf Plausibilität der OBIS-Kennzahlen).
- Fehler führen zu Nachforderungen oder manuellen Klärungen.
Smart-Meter-Datenübermittlung:
- Der MSB übermittelt Messdaten mit Identifikator an den Netzbetreiber/Lieferanten.
- Die Schablone prüft z. B. Zeitreihenformate oder Datengranularität (z. B. 15-Minuten-Werte vs. Tageswerte).
5. Fazit und Handlungsempfehlungen
Die dynamische Festlegung von Prüfschablonen durch Identifikatoren bietet erhebliche Flexibilitätsvorteile, erhöht jedoch die Komplexität und Fehleranfälligkeit der Marktkommunikation. Um Risiken zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Zentrale Koordinierung:
- Die BNetzA oder edi@energy sollten eine verbindliche Referenzdatenbank für Identifikatoren und Schablonen bereitstellen.
- Regelmäßige Abstimmungsrunden zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und MSBs zur Synchronisation von Updates.
Technische Standards:
- Automatisierte Versionierungskontrollen in den IT-Systemen (z. B. Abgleich mit einer zentralen API).
- Fehlertolerante Mechanismen (z. B. Fallback-Schablonen bei unbekannten Identifikatoren).
Prozessuale Klarheit:
- Dokumentation der Identifikatoren und zugehörigen Schablonen in den MaKo-Leitfäden.
- Schulungen für Mitarbeiter, um manuelle Fehler bei der Identifikatorvergabe zu vermeiden.
Monitoring und Reporting:
- Fehlerstatistiken sollten zentral erfasst werden (z. B. Häufigkeit von Ablehnungen aufgrund falscher Identifikatoren).
- Benchmarking zwischen Marktteilnehmern, um systematische Probleme zu identifizieren.
Durch diese Maßnahmen kann die Effizienz der Marktkommunikation gesteigert werden, ohne die Stabilität der Prozesse zu gefährden.