Willi Mako
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EDI erklärt: Abgrenzung & Anwendungsfälle im Überblick

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Elektronischer Datenaustausch: Abgrenzung und Anwendungsfälle

1. Abgrenzung zu anderen Formen des Datenaustauschs

Der elektronische Datenaustausch (EDI – Electronic Data Interchange) unterscheidet sich grundlegend von manuellen oder physischen Verfahren durch seine Automatisierung, Standardisierung und digitale Übermittlung. Die folgenden Merkmale grenzen ihn von alternativen Methoden ab:

1.1 Automatisierung vs. manuelle Prozesse

  • Elektronischer Datenaustausch: Daten werden ohne manuelle Eingriffe zwischen IT-Systemen übertragen, verarbeitet und weitergeleitet. Dies reduziert menschliche Fehlerquellen (z. B. Tippfehler, Medienbrüche) und beschleunigt die Bearbeitung. Beispiel: Eine Bestellung wird direkt vom ERP-System des Käufers in das Warenwirtschaftssystem des Lieferanten übermittelt, ohne dass ein Mitarbeiter die Daten abtippt.

  • Manueller Datenaustausch: Erfolgt durch physische oder digitale Dokumente, die von Personen erstellt, geprüft und weitergegeben werden (z. B. per E-Mail, Fax oder Papier). Dies ist zeitaufwendig, fehleranfällig und erfordert manuelle Nachbearbeitung. Beispiel: Eine Rechnung wird als PDF per E-Mail versendet und muss vom Empfänger manuell in das Buchhaltungssystem eingegeben werden.

1.2 Standardisierung vs. individuelle Formate

  • Elektronischer Datenaustausch: Nutzt strukturierte, maschinenlesbare Formate (z. B. EDIFACT, XML, JSON) mit festgelegten Syntaxregeln. Dies ermöglicht eine automatisierte Interpretation der Daten durch die empfangende Software. Beispiel: Ein Lieferschein im EDIFACT-Format enthält vordefinierte Felder für Artikelnummern, Mengen und Lieferdaten, die direkt in das Lagerverwaltungssystem eingelesen werden.

  • Physische oder unstrukturierte digitale Dokumente: Daten liegen in freien Formaten vor (z. B. PDF, Excel, Papier), die keine automatisierte Weiterverarbeitung zulassen. Jede Partei muss die Informationen manuell extrahieren und anpassen. Beispiel: Ein per Post versendeter Lieferschein muss vom Empfänger abgetippt oder eingescannt werden, um die Daten in das System zu übertragen.

1.3 Medienbruchfreiheit vs. Medienwechsel

  • Elektronischer Datenaustausch: Die Daten bleiben durchgängig digital – von der Erstellung bis zur Archivierung. Es gibt keine Unterbrechung durch physische Medien oder manuelle Zwischenschritte. Beispiel: Eine Zahlungsavisierung wird direkt vom Bankensystem des Zahlungspflichtigen an das des Empfängers übermittelt, ohne dass ein Ausdruck oder eine manuelle Freigabe erforderlich ist.

  • Physische oder hybride Verfahren: Daten werden zwischen digitalen und analogen Medien gewechselt (z. B. Ausdrucken, Scannen, Versand per Post). Dies führt zu Verzögerungen, Qualitätsverlusten (z. B. durch schlechte Scanqualität) und erhöhtem Aufwand. Beispiel: Ein Vertrag wird digital erstellt, ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und per E-Mail zurückgesendet – mit jedem Schritt steigt das Risiko von Fehlern oder Verzögerungen.

1.4 Rechtliche und technische Verbindlichkeit

  • Elektronischer Datenaustausch: Ermöglicht rechtssichere Transaktionen durch digitale Signaturen, Zeitstempel und Protokollierung (z. B. nach eIDAS-Verordnung in der EU). Die Integrität und Authentizität der Daten ist nachweisbar. Beispiel: Eine elektronische Rechnung mit qualifizierter Signatur erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrungspflicht (z. B. § 14 UStG in Deutschland).

  • Manuelle/physische Verfahren: Erfordern oft zusätzliche Nachweise (z. B. Originalunterschriften, Poststempel), um rechtliche Gültigkeit zu erlangen. Dies ist aufwendiger und weniger nachvollziehbar. Beispiel: Eine per Post versendete Rechnung muss physisch archiviert werden, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.


2. Konkrete Anwendungsfälle des elektronischen Datenaustauschs

Die im Dokument geregelten Verfahren kommen in folgenden Branchen und Prozessen zum Einsatz, wo sie manuelle oder physische Methoden ersetzen oder ergänzen:

2.1 Handel und Logistik

  • Bestellabwicklung (ORDERS/EDIFACT): Automatisierte Übermittlung von Bestellungen zwischen Händlern und Lieferanten, inkl. Bestätigungen (ORDRSP) und Lieferavisen (DESADV). Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von Fax- oder E-Mail-Bestellungen.
    • Integration in Just-in-Time-Lieferketten (z. B. Automobilindustrie).
  • Rechnungsstellung (INVOIC/EDIFACT oder XRechnung): Elektronische Rechnungen mit strukturierten Daten, die direkt in Buchhaltungssysteme eingelesen werden. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von Papierrechnungen oder PDF-Rechnungen per E-Mail.
    • Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung im öffentlichen Sektor (z. B. in Deutschland seit 2020).
  • Lager- und Transportmanagement: Automatisierte Meldungen über Wareneingänge (RECADV), Lagerbestände oder Transportaufträge (IFTMIN). Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von manuellen Lieferscheinen oder Excel-Listen.

2.2 Finanzwesen und Verwaltung

  • Zahlungsverkehr (PAIN-Formate nach ISO 20022): Automatisierte Übermittlung von Zahlungsaufträgen (z. B. SEPA-Überweisungen) zwischen Unternehmen und Banken. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von manuellen Banküberweisungen oder Schecks.
  • Steuerliche Meldungen (z. B. SAF-T, E-Bilanz): Elektronische Übermittlung von Buchhaltungsdaten an Finanzbehörden. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von papierbasierten Steuererklärungen oder manuellen Datenexporten.

2.3 Gesundheitswesen

  • Elektronische Patientenakten (HL7, FHIR): Austausch von Diagnosen, Laborwerten oder Medikationsplänen zwischen Krankenhäusern, Ärzten und Apotheken. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von Fax- oder Postversand medizinischer Dokumente.
  • Abrechnung mit Krankenkassen (z. B. DTAUS, xDT): Automatisierte Übermittlung von Abrechnungsdaten (z. B. für ärztliche Leistungen). Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von manuellen Abrechnungsbögen.

2.4 Öffentliche Verwaltung

  • Elektronische Vergabe (eVergabe): Automatisierte Übermittlung von Ausschreibungsunterlagen und Angeboten zwischen Behörden und Bietern. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von physischen Ausschreibungsmappen oder E-Mail-Anhängen.
  • Meldewesen (z. B. ELSTER, XMeld): Elektronische Übermittlung von Steuerdaten oder Meldebescheinigungen. Betroffene Prozesse:

    • Ersatz von Papierformularen oder persönlichen Vorsprachen.

3. Fazit

Der elektronische Datenaustausch ersetzt manuelle und physische Verfahren durch automatisierte, standardisierte und medienbruchfreie Prozesse. Dies führt zu:

  • Effizienzsteigerungen (schnellere Bearbeitung, weniger Fehler),
  • Kostensenkungen (geringerer Personalaufwand, weniger Papier),
  • Rechtssicherheit (nachweisbare Transaktionen, Compliance mit gesetzlichen Vorgaben).

Die im Dokument geregelten Verfahren betreffen vor allem hochvolumige, repetitive Prozesse in Handel, Logistik, Finanzwesen und Verwaltung, bei denen die Vorteile der Digitalisierung besonders zum Tragen kommen. Physische oder manuelle Methoden bleiben hingegen in Bereichen relevant, wo individuelle Kommunikation oder rechtliche Originale (z. B. notarielle Urkunden) erforderlich sind.