Willi Mako
// PROTOCOL:

EDI in der Energiewirtschaft: Effizienzrisiken durch fehlende Standards

ID#E39-1C
STATUSREAD_ONLY
AUTHORSYS_ADMIN
TAGS [EDIFACT][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][BILANZ][NETZENTGELT][BILANZKREIS]

Einfluss fehlender Standardisierung im elektronischen Datenaustausch der Energiewirtschaft auf Effizienz und Fehleranfälligkeit

Der elektronische Datenaustausch (EDI) ist ein zentraler Baustein der digitalen Energiewirtschaft. Er ermöglicht die automatisierte Übermittlung von Messdaten, Abrechnungsinformationen, Netzstatusmeldungen und Marktkommunikation zwischen Netzbetreibern, Lieferanten, Messstellenbetreibern und anderen Akteuren. Die fehlende Standardisierung von Kommunikationsparametern – etwa bei Übertragungsprotokollen, Adressformaten, Verschlüsselungsmethoden oder Signaturverfahren – führt jedoch zu erheblichen Ineffizienzen und erhöht die Fehleranfälligkeit der gesamten Prozesskette.


1. Auswirkungen auf die Effizienz

Ohne verbindliche Standards müssen sich die Marktteilnehmer individuell auf technische Parameter einigen, was zu folgenden Problemen führt:

  • Hoher manueller Aufwand bei der Einrichtung von Schnittstellen Jeder neue Geschäftspartner erfordert eine separate Konfiguration der Kommunikationswege (z. B. SFTP, AS2, Webservices), Adressformate (EDIFACT, XML, CSV) und Sicherheitsmechanismen (z. B. Zertifikate, Signaturen). Dies bindet personelle und technische Ressourcen, die stattdessen für Kernprozesse genutzt werden könnten.

  • Fragmentierte Datenformate und Medienbrüche Unterschiedliche Formate (z. B. EDIFACT vs. XML) oder proprietäre Lösungen einzelner Marktakteure erfordern manuelle Konvertierungen oder zusätzliche Middleware. Dies verlangsamt die Datenverarbeitung und erhöht das Risiko von Übertragungsfehlern.

  • Verzögerte Skalierbarkeit Neue Marktteilnehmer (z. B. kleinere Lieferanten oder Messdienstleister) müssen sich an eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen anpassen, was Markteintrittsbarrieren schafft. Dies hemmt den Wettbewerb und die Digitalisierung der Branche.

  • Erhöhte Betriebskosten Die Pflege mehrerer paralleler Kommunikationswege und die Fehlerbehebung bei inkompatiblen Systemen verursachen wiederkehrende Kosten für IT-Administration, Schulungen und Support.


2. Erhöhte Fehleranfälligkeit

Fehlende Standardisierung führt zu systematischen Risiken in der Datenübertragung:

  • Datenverluste und -verfälschungen Unterschiedliche Verschlüsselungsstandards oder fehlerhafte Signaturprüfungen können dazu führen, dass Nachrichten nicht korrekt verarbeitet oder abgelehnt werden. Im schlimmsten Fall gehen kritische Daten (z. B. Zählerstände für die Abrechnung) verloren oder werden falsch zugeordnet.

  • Fehlinterpretation von Daten Inkonsistente Feldbezeichnungen oder Einheiten (z. B. kWh vs. MWh) führen zu automatisierten Fehlberechnungen, etwa bei der Bilanzierung oder Rechnungsstellung. Dies zieht manuelle Nacharbeiten und Korrekturprozesse nach sich.

  • Sicherheitslücken Uneinheitliche Authentifizierungsverfahren (z. B. unterschiedliche Zertifikatsanforderungen) erhöhen das Risiko von Cyberangriffen oder Datenlecks. Ohne klare Vorgaben können Schwachstellen in der Kommunikation unentdeckt bleiben.

  • Prozessunterbrechungen Wenn Nachrichten aufgrund inkompatibler Formate oder Protokolle nicht verarbeitet werden können, kommt es zu Verzögerungen in der Lieferkette – etwa bei der Schaltung von Zählpunkten oder der Abrechnung von Netzentgelten. Dies kann zu Vertragsstrafen oder regulatorischen Sanktionen führen.


3. Regulatorische und marktliche Hebel zur Harmonisierung

Eine Standardisierung der Kommunikationsparameter kann durch regulatorische Vorgaben, branchenweite Initiativen oder marktgetriebene Lösungen vorangetrieben werden. Mögliche Ansätze sind:

A. Regulatorische Maßnahmen
  • Verbindliche technische Standards durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) oder die EU Die BNetzA könnte – analog zu den Vorgaben für Marktkommunikation (z. B. GPKE, MaBiS) – einheitliche Kommunikationsprotokolle, Adressformate und Sicherheitsanforderungen verbindlich festlegen. Auf EU-Ebene könnte die EU-Kommission im Rahmen des Clean Energy Package oder der Digitalisierung der Energiewende (z. B. durch die EU-Datenstrategie) Mindeststandards definieren.

  • Erweiterung bestehender Regelwerke Die Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS) oder die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE) könnten um technische Spezifikationen für EDI ergänzt werden. Beispielsweise könnten:

    • Einheitliche Verschlüsselungsstandards (z. B. TLS 1.3) vorgeschrieben,
    • Adressformate (z. B. GLN-Nummern für Marktpartner) verbindlich gemacht,
    • Signaturverfahren (z. B. qualifizierte elektronische Signaturen nach eIDAS) harmonisiert werden.
  • Pflicht zur Interoperabilitätstests Vor der Zulassung neuer Marktteilnehmer oder Systeme könnte eine Zertifizierungspflicht eingeführt werden, die die Kompatibilität mit definierten Standards nachweist. Dies würde die Fehleranfälligkeit bei der Anbindung neuer Partner reduzieren.

B. Marktgetriebene Lösungen
  • Branchenweite Standardisierungsinitiativen Organisationen wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E) oder das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) könnten technische Leitfäden entwickeln, die von der Branche freiwillig übernommen werden. Ein Beispiel ist der BDEW-Standard für die Marktkommunikation, der bereits heute von vielen Akteuren genutzt wird.

  • Open-Source-Referenzimplementierungen Die Bereitstellung kostenfreier, standardkonformer Software-Bibliotheken (z. B. für EDIFACT- oder XML-Verarbeitung) würde die Einhaltung von Standards erleichtern und die Hürden für kleinere Marktteilnehmer senken.

  • Zentrale Plattformen für den Datenaustausch Eine neutral betriebene Clearingstelle (z. B. durch die Deutsche Energie-Agentur (dena) oder einen unabhängigen Dienstleister) könnte als „Übersetzer“ zwischen unterschiedlichen Formaten fungieren. Dies würde die Komplexität für einzelne Akteure reduzieren, ohne die Vielfalt der Systeme vollständig zu beseitigen.

  • Anreizsysteme für Standardisierung Regulatorische Vorgaben könnten Kostenvorteile für Unternehmen schaffen, die standardisierte Lösungen nutzen (z. B. durch reduzierte Netzentgelte oder schnellere Genehmigungsverfahren). Gleichzeitig könnten Strafzahlungen für die Nichteinhaltung von Standards eingeführt werden.


4. Fazit

Die fehlende Standardisierung von Kommunikationsparametern im elektronischen Datenaustausch der Energiewirtschaft führt zu Ineffizienzen, höheren Kosten und einer erhöhten Fehleranfälligkeit. Während regulatorische Vorgaben (z. B. durch die BNetzA oder EU) den schnellsten Weg zu einer Harmonisierung darstellen, können auch branchenweite Initiativen und marktgetriebene Lösungen einen Beitrag leisten.

Eine Kombination aus verbindlichen Mindeststandards, Interoperabilitätstests und Anreizsystemen wäre der effektivste Ansatz, um die Digitalisierung der Energiewirtschaft voranzutreiben und gleichzeitig die Prozesssicherheit zu erhöhen. Langfristig würde dies nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Energiemarktes stärken.