Einfluss der dynamischen Objekteigenschaftsprüfung auf Konsistenz und Fehleranfälligkeit im EDI-Prozess der Energiewirtschaft
Die dynamische Aktivierung oder Deaktivierung der Objekteigenschaftsprüfung im Rahmen des EDI@Energy-Standards (z. B. gemäß der Anwendungsübersicht der Prüfidentifikatoren) hat direkte Auswirkungen auf die Prozessstabilität, Datenqualität und regulatorische Compliance in der Energiewirtschaft. Die folgenden Aspekte sind dabei zentral:
1. Auswirkungen auf Konsistenz und Fehleranfälligkeit
a) Konsistenz der Datenverarbeitung
Die Objekteigenschaftsprüfung dient der Validierung von Stamm- und Bewegungsdaten (z. B. Marktpartner-IDs, Zählpunktbezeichnungen, Messwertformate) gegen definierte Regeln. Eine fallweise Deaktivierung kann zu Inkonsistenzen führen, wenn:
- Kritische Prüfungen (z. B. Syntaxvalidierung von OBIS-Kennzahlen) umgangen werden, was zu fehlerhaften Nachrichten (z. B. MSCONS, UTILMD) führt.
- Abhängigkeiten zwischen Anwendungsfällen nicht berücksichtigt werden (z. B. wenn eine deaktivierte Prüfung in einem vorangegangenen Prozessschritt später zu Fehlern in der Abrechnung führt).
- Historische Daten nicht mehr rückwirkend validiert werden können, falls Prüfungen nachträglich aktiviert werden.
Risiko: Inkonsistente Datenbestände, die zu manuellen Nacharbeiten oder regulatorischen Beanstandungen führen (z. B. bei der MaBiS-konformen Marktkommunikation).
b) Fehleranfälligkeit im Prozess
Die dynamische Prüfintensität erhöht die Komplexität der Fehlererkennung:
- Falsch-negative Ergebnisse: Deaktivierte Prüfungen können fehlerhafte Daten durchlassen, die erst in späteren Prozessschritten (z. B. bei der Rechnungsstellung) auffallen.
- Falsch-positive Ergebnisse: Übermäßig strenge Prüfungen (z. B. bei aktivierter Plausibilitätsprüfung) können korrekte Nachrichten blockieren, was zu Verzögerungen führt.
- Prozessbrüche: Unterschiedliche Prüfkonfigurationen zwischen Marktpartnern (z. B. Netzbetreiber vs. Lieferant) können zu asynchronen Datenflüssen führen, insbesondere bei GPKE-relevanten Prozessen (z. B. Lieferantenwechsel).
Risiko: Erhöhte Fehlerquoten in der automatisierten Marktkommunikation, was zu manuellen Korrekturen und Compliance-Verstößen führen kann.
2. Regulatorische Compliance (MaBiS, GPKE) trotz variabler Prüfintensität
Die MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom) und GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) stellen hohe Anforderungen an die Datenintegrität und Nachvollziehbarkeit. Um diese trotz dynamischer Prüfungen zu gewährleisten, sind folgende prozessuale Sicherheitsmechanismen notwendig:
a) Dokumentierte Prüfkonfigurationen
- Festlegung von Mindestprüfungen: Für jeden Anwendungsfall müssen obligatorische Prüfungen definiert werden, die nicht deaktivierbar sind (z. B. Formatvalidierung von EDIFACT-Nachrichten).
- Versionierte Prüfregeln: Änderungen an Prüfkonfigurationen müssen revisionssicher dokumentiert werden (z. B. in einem Prüfregister), um Compliance-Nachweise für Audits (z. B. durch die BNetzA) zu ermöglichen.
- Rollenbasierte Freigabe: Deaktivierungen von Prüfungen dürfen nur durch autorisierte Personen (z. B. Prozessverantwortliche) erfolgen, mit Begründung und Gültigkeitszeitraum.
b) Automatisierte Plausibilitätskontrollen
- Cross-Validierung: Selbst bei deaktivierten Prüfungen müssen alternative Kontrollen greifen, z. B.:
- Referenzdatenabgleich (z. B. Vergleich von Zählpunktdaten mit dem BDEW-Stammdatenregister).
- Statistische Ausreißererkennung (z. B. ungewöhnliche Verbrauchswerte in MSCONS-Nachrichten).
- Fehlereskalation: Bei erkannten Inkonsistenzen müssen automatisierte Workflows ausgelöst werden (z. B. APERAK-Nachrichten mit Fehlercodes gemäß EDI@Energy-Standard).
c) Protokollierung und Audit-Trails
- Lückenlose Protokollierung: Jede Aktivierung/Deaktivierung von Prüfungen sowie alle Validierungsergebnisse müssen zeitgestempelt und revisionssicher gespeichert werden (z. B. in einem EDI-Monitoring-System).
- Compliance-Berichte: Regelmäßige Auswertungen der Prüfprotokolle müssen MaBiS/GPKE-konforme Nachweise liefern, z. B.:
- Anteil erfolgreich validierter Nachrichten pro Marktpartner.
- Häufigkeit und Art von Fehlern (z. B. Formatfehler vs. logische Fehler).
- Externe Prüfbarkeit: Die Protokolle müssen für Aufsichtsbehörden (z. B. BNetzA) und Wirtschaftsprüfer zugänglich sein.
d) Fallback-Mechanismen
- Default-Prüfungen: Bei fehlender Konfiguration müssen Standardprüfungen greifen, um Datenintegrität zu gewährleisten.
- Manuelle Freigabeprozesse: Kritische Nachrichten (z. B. Rechnungen) dürfen nur nach manueller Freigabe durch einen Sachbearbeiter weiterverarbeitet werden, falls Prüfungen deaktiviert waren.
3. Empfehlungen für die Praxis
Standardisierte Prüfmatrix:
- Entwicklung einer unternehmensweiten Prüfmatrix, die für jeden Anwendungsfall (z. B. MSCONS, UTILMD) definiert, welche Prüfungen obligatorisch, optional oder deaktivierbar sind.
- Integration in EDI-Gateways (z. B. SAP IS-U, SEEBURGER BIS) zur automatisierten Steuerung.
Regelmäßige Compliance-Checks:
- Vierteljährliche Audits der Prüfkonfigurationen durch interne Revision oder externe Prüfer.
- Testnachrichten mit definierten Fehlern, um die Wirksamkeit der Prüfungen zu validieren.
Schulung und Verantwortlichkeiten:
- Klare Rollen und Verantwortlichkeiten für die Pflege der Prüfregeln (z. B. EDI-Koordinatoren).
- Schulungen für Mitarbeiter zu MaBiS/GPKE-Anforderungen und den Auswirkungen dynamischer Prüfungen.
Technische Absicherung:
- Einsatz von EDI-Monitoring-Tools (z. B. EDI@Energy-konforme Lösungen), die Prüfungen in Echtzeit überwachen und bei Abweichungen Alarm schlagen.
- Automatisierte Korrekturworkflows für häufige Fehler (z. B. Formatkonvertierung bei falschen OBIS-Kennzahlen).
Fazit
Die dynamische Steuerung der Objekteigenschaftsprüfung bietet Flexibilität, birgt jedoch erhebliche Risiken für Datenkonsistenz und Compliance. Durch dokumentierte Prozesse, automatisierte Kontrollen und revisionssichere Protokollierung können diese Risiken minimiert werden. Entscheidend ist, dass regulatorische Mindestanforderungen (z. B. MaBiS, GPKE) unabhängig von der Prüfintensität stets eingehalten werden. Eine proaktive Steuerung der Prüfkonfigurationen – kombiniert mit technischen und organisatorischen Sicherheitsmechanismen – ist daher unerlässlich.