Willi Mako
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EDIFACT-Hierarchie: Datenvalidierung & Fehlerbehandlung in der Energiewirtschaft

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TAGS [EDIFACT][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][GELI GAS][BILANZ][ZUORDNUNG][BILANZKREIS]

Einfluss der EDIFACT-Hierarchie auf Datenvalidierung und Fehlerbehandlung in der deutschen Energiewirtschaft

1. Hierarchische Segmentstruktur und prozessuale Verantwortung

Die EDIFACT-Nachrichtenstruktur in der deutschen Energiewirtschaft (z. B. nach GPKE oder GeLi Gas) folgt einer klaren Hierarchie, die die Verantwortungsbereiche für Datenvalidierung und Fehlerbehandlung zwischen Marktpartnern (Lieferanten, Netzbetreibern, Messstellenbetreibern) definiert. Die Segmentgruppen SG2 (Referenzdaten) und SG3 (Partnerdaten) sind dabei von zentraler Bedeutung:

  • SG2 (RFF-Segmente) Enthält transaktionsbezogene Referenzen (z. B. Transaktionsnummer (1153/TN) oder Vorgangsnummer (1154)). Diese Segmente dienen der eindeutigen Identifikation von Geschäftsvorfällen und sind Grundlage für die Nachverfolgbarkeit im Fehlerfall.

    • Verantwortung: Der Absender der Nachricht (z. B. Lieferant) ist für die korrekte Generierung und Konsistenz dieser Referenzen verantwortlich. Der Empfänger (z. B. Netzbetreiber) muss prüfen, ob die Referenzen eindeutig, plausibel und mit vorherigen Nachrichten verknüpfbar sind.
      • Fehlerbehandlung: Bei inkonsistenten Referenzen (z. B. doppelte TN) muss der Empfänger die Nachricht abweisen und eine Fehlermeldung (APERAK) mit Verweis auf das betroffene Segment zurücksenden. Der Absender trägt die Korrekturpflicht und muss die Nachricht neu übermitteln.
  • SG3 (NAD-Segmente) Definiert die Marktpartnerrollen (z. B. Nachrichtenaussteller (3035/MS) oder Empfänger). Hier wird festgelegt, wer für welche Daten verantwortlich ist.

    • Verantwortung: Der Nachrichtenaussteller muss sicherstellen, dass die Partneridentifikation (z. B. BDEW-Codenummer) korrekt ist. Der Empfänger prüft, ob die Rollenzuordnung (z. B. "Lieferant" vs. "Netzbetreiber") mit dem Geschäftsvorfall übereinstimmt.
      • Fehlerbehandlung: Bei falscher Rollenzuordnung (z. B. Netzbetreiber als Lieferant deklariert) muss der Empfänger die Nachricht zurückweisen, da dies zu fehlerhaften Prozessabläufen (z. B. falsche Abrechnung) führen kann. Die Korrektur obliegt dem Absender.

2. Regulatorische Implikationen für die Nachweispflicht

Die hierarchische Struktur von EDIFACT hat direkte Auswirkungen auf die Beweislast in Streitfällen, insbesondere im Rahmen folgender regulatorischer Vorgaben:

  • § 47 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) & GPKE/GeLi Gas Die Verkehrssicherungspflicht für EDIFACT-Nachrichten liegt beim Absender. Dieser muss nachweisen, dass die übermittelten Daten vollständig, korrekt und fristgerecht waren.

    • Praktische Konsequenz: Bei Streitigkeiten (z. B. falsche Abrechnung aufgrund fehlerhafter SG2-Referenzen) muss der Absender Protokolle der Datenvalidierung vorlegen (z. B. Logs der EDIFACT-Prüfung). Fehlt dieser Nachweis, geht die Beweislast auf den Absender über (§ 286 ZPO).
  • MaBiS (Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom) & KoV (Kooperationsvereinbarung Gas) Die Segmenthierarchie definiert, wer für welche Daten haftet:

    • SG2 (Referenzen): Der Absender haftet für die Eindeutigkeit und Konsistenz der Transaktionsnummern. Bei Duplikaten oder fehlenden Referenzen kann der Empfänger die Ablehnung der Nachricht mit Verweis auf MaBiS § 6.2 (Pflicht zur eindeutigen Identifikation) begründen.
    • SG3 (Partnerdaten): Falsche Rollenzuordnungen führen zu Prozessabbrüchen und können Vertragsstrafen nach sich ziehen (z. B. nach KoV § 12 für fehlerhafte Marktkommunikation).
  • DSGVO & Datenschutz Die Segmentierung beeinflusst auch die Datenverantwortung im Sinne der DSGVO:

    • Personenbezogene Daten (z. B. in NAD-Segmenten) müssen vom Absender pseudonymisiert werden, sofern sie nicht für die Abwicklung erforderlich sind.
    • Bei Datenpannen (z. B. falsche Zuordnung von Zählpunkten) muss der Verantwortliche (i. d. R. der Absender) die Meldung an die Aufsichtsbehörde (§ 33 DSGVO) vornehmen.

3. Praktische Handlungsempfehlungen für Marktpartner

Um regulatorische Risiken zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  1. Automatisierte Validierung der Segmenthierarchie

    • Implementierung von Prüfregeln für SG2/SG3 vor dem Versand (z. B. Plausibilitätschecks für Referenznummern, Rollenvalidierung).
    • Nutzung von EDIFACT-Validatoren (z. B. nach UN/EDIFACT D.16B), um Syntax- und Semantikfehler zu vermeiden.
  2. Dokumentation der Fehlerbehandlung

    • Protokollierung aller Fehlermeldungen (APERAK) mit Zeitstempel und betroffenem Segment.
    • Archivierung der Originalnachrichten für mindestens 10 Jahre (gemäß § 257 HGB und EnWG-Aufbewahrungspflichten).
  3. Klare vertragliche Regelungen

    • Definition von SLA (Service Level Agreements) für die Fehlerbehandlung (z. B. maximale Bearbeitungszeit für Korrekturen).
    • Vereinbarung von Strafzahlungen bei wiederholten Fehlern in kritischen Segmenten (z. B. SG3-Rollen).
  4. Schulung der Mitarbeiter

    • Sensibilisierung für die Bedeutung der Segmenthierarchie in Schulungen (z. B. nach BDEW-Schulungskonzept).
    • Regelmäßige Audits der EDIFACT-Prozesse durch unabhängige Dritte.

4. Fazit

Die hierarchische Struktur von EDIFACT-Segmenten (insbesondere SG2/SG3) definiert klare Verantwortungsbereiche für Datenvalidierung und Fehlerbehandlung in der deutschen Energiewirtschaft. Während der Absender für die korrekte Generierung und Konsistenz der Daten haftet, obliegt dem Empfänger die Pflicht zur Prüfung und Ablehnung fehlerhafter Nachrichten. Die regulatorischen Implikationen (EnWG, MaBiS, DSGVO) erfordern eine lückenlose Dokumentation und automatisierte Validierungsprozesse, um Nachweispflichten in Streitfällen zu erfüllen. Marktpartner sollten daher technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um Compliance-Risiken zu minimieren.