Einfluss der EDIFACT-Hierarchie auf prozessuale Verantwortlichkeiten und regulatorische Compliance
1. Hierarchische Struktur von EDIFACT und ihre Bedeutung für die Verantwortungsteilung
Die hierarchische Gliederung von EDIFACT-Nachrichten, insbesondere durch Segmentgruppen (z. B. SG5), definiert klare Schnittstellen zwischen Netzbetreibern und Lieferanten. Diese Struktur ist nicht nur technisch, sondern auch prozessual und rechtlich relevant, da sie die Zuständigkeiten für Fehlererkennung und -behebung regelt.
Segmentgruppen als Abgrenzungskriterium: Segmentgruppen wie SG5 (Referenzinformationen, z. B. RFF+MP) dienen der logischen Gruppierung von Daten, die spezifische Geschäftsvorfälle abbilden (z. B. Messstellenreferenzen). Da diese Gruppen oft domänenspezifische Daten enthalten (z. B. Zählpunktbezeichnungen), liegt die primäre Verantwortung für deren Korrektheit beim Datenlieferanten (z. B. dem Lieferanten bei Stammdaten oder dem Netzbetreiber bei Netzzustandsdaten).
- Beispiel: Ein fehlerhafter Eintrag im RFF-Segment (Referenznummer) innerhalb von SG5 kann zu falschen Zuordnungen von Messwerten führen. Die Fehlerquelle ist hier dem Lieferanten zuzuordnen, wenn dieser die Referenzdaten bereitstellt.
Fehlererkennung durch Strukturvorgaben: Die EDIFACT-Syntax (z. B. Muss-Felder wie UNT+0062 für die Nachrichtenreferenz) ermöglicht eine automatisierte Plausibilitätsprüfung. Netzbetreiber und Lieferanten nutzen diese Vorgaben, um:
- Formale Fehler (z. B. fehlende Segmente, ungültige Codes) bereits bei der Nachrichtenvalidierung zu erkennen.
- Inhaltliche Fehler (z. B. widersprüchliche Daten in SG5) durch domänenspezifische Prüfregeln zu identifizieren. Die Verantwortung für die Fehlerbehebung folgt dabei dem Verursacherprinzip: Wer die Daten bereitstellt, muss sie korrigieren.
2. Prozessuale Trennung der Verantwortlichkeiten
Die hierarchische Struktur erzwingt eine arbeitsteilige Fehlerbehandlung, die in regulatorischen Vorgaben wie der GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) verankert ist:
Netzbetreiber:
- Verantwortlich für die technische Validierung der Nachrichten (z. B. Syntaxprüfung gemäß UN/EDIFACT-Standard).
- Muss Anerkennungsmeldungen (APERAK) generieren, wenn Fehler in vom Lieferanten übermittelten Daten (z. B. SG5) erkannt werden.
- Übernimmt die Datenhoheit für netzbezogene Informationen (z. B. Zählpunktdaten in SG5), die der Lieferant nicht ändern darf.
Lieferanten:
- Verantwortlich für die inhaltliche Korrektheit der von ihnen übermittelten Daten (z. B. Kundenstammdaten, Vertragsreferenzen).
- Müssen auf Fehlermeldungen (APERAK) reagieren und korrigierte Nachrichten innerhalb regulatorischer Fristen (z. B. 2 Werktage gemäß GPKE) nachreichen.
- Dürfen keine netzrelevanten Daten (z. B. in SG5) ohne Abstimmung mit dem Netzbetreiber ändern.
Schnittstellenmanagement: Die Trennung wird durch EDIFACT-Kontrollsegmente wie UNT (Nachrichtenende) unterstützt, die eine eindeutige Referenzierung (z. B. UNT+0062) und Nachverfolgbarkeit von Fehlern ermöglichen. Dies ist essenziell für:
- Auditierbarkeit: Regulatoren (z. B. BNetzA) verlangen eine lückenlose Dokumentation von Fehlern und Korrekturen.
- Haftungsabgrenzung: Bei Streitfällen (z. B. falsche Abrechnungsdaten) kann anhand der Segmentgruppe die Verantwortung zugeordnet werden.
3. Regulatorische Compliance (GPKE) und EDIFACT-Struktur
Die GPKE und andere Vorgaben (z. B. MaBiS für den Messstellenbetrieb) setzen voraus, dass:
- Datenintegrität durch klare Verantwortungsbereiche gewährleistet wird.
- Die hierarchische Struktur verhindert, dass eine Partei unbefugt Daten der anderen ändert (z. B. darf der Lieferant keine Netzzustandsdaten in SG5 manipulieren).
- Fehlerbehebungsprozesse standardisiert und fristgerecht ablaufen.
- Die GPKE schreibt vor, dass Fehler in APERAK-Meldungen dokumentiert und innerhalb definierter Zeiträume behoben werden müssen. Die EDIFACT-Struktur ermöglicht dies durch:
- Eindeutige Fehlercodes (z. B. in APERAK-Segmenten).
- Referenzierung der fehlerhaften Nachricht (z. B. über UNT+0062).
- Die GPKE schreibt vor, dass Fehler in APERAK-Meldungen dokumentiert und innerhalb definierter Zeiträume behoben werden müssen. Die EDIFACT-Struktur ermöglicht dies durch:
- Transparenz für regulatorische Prüfungen.
- Die Segmentierung erlaubt eine granulare Analyse von Fehlern (z. B. "Fehler in SG5: RFF+MP ist ungültig"). Dies ist für Compliance-Nachweise unerlässlich.
4. Praktische Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Verstöße gegen die hierarchisch definierten Verantwortlichkeiten können zu:
- Regulatorischen Sanktionen: Die BNetzA kann bei wiederholten Fehlern (z. B. nicht behobene APERAK-Meldungen) Bußgelder verhängen.
- Prozessstörungen: Falsche Daten in SG5 können zu Abrechnungsfehlern oder Netzzugangsproblemen führen, die teure manuelle Nacharbeiten erfordern.
- Vertragsstrafen: Lieferverträge sehen oft Pönalen für verspätete oder fehlerhafte Datenlieferungen vor.
Fazit
Die hierarchische Struktur von EDIFACT-Nachrichten ist kein technisches Detail, sondern ein regulatorisch verankertes Instrument zur Verantwortungsteilung. Sie stellt sicher, dass:
- Netzbetreiber und Lieferanten eindeutige Zuständigkeiten für Datenqualität und Fehlerbehebung haben.
- Compliance-Vorgaben (z. B. GPKE) durch standardisierte Fehlerprozesse und Dokumentation erfüllt werden.
- Prozessrisiken minimiert werden, indem Fehlerquellen klar zugeordnet und behoben werden können.
Die strikte Einhaltung dieser Struktur ist daher sowohl für die operative Effizienz als auch für die rechtliche Absicherung aller Marktteilnehmer entscheidend.