Einfluss hierarchischer Referenzangaben in EDIFACT auf die prozessuale Verantwortung für Datenkonsistenz
1. Grundlagen der hierarchischen Referenzstruktur in EDIFACT
In EDIFACT-Nachrichten wie dem APERAK (Application Error and Acknowledgement Message) oder anderen Geschäftsvorfall-Nachrichten (z. B. UTILMD, MSCONS) werden Referenzangaben in einer segmentierten Hierarchie abgebildet. Das Segment RFF (Reference) mit dem Qualifier ACE (Associated Document Number) dient dabei als zentrale Verknüpfung zwischen verschiedenen Prozessschritten und Akteuren.
Die Struktur folgt einem mehrstufigen Referenzierungsprinzip:
- Primärreferenz: Die Datenaustauschreferenz (UNB DE0020) identifiziert die übergeordnete Übertragungsdatei.
- Sekundärreferenz (RFF+ACE): Verweist auf die spezifische Datei oder den Geschäftsvorfall, zu dem eine Aussage (z. B. Bestätigung, Korrektur, Ablehnung) erfolgt.
- Tertiäre Referenzen: Weitere Segmente (z. B. DTM für Zeitstempel, NAD für Akteure) ergänzen die Kontextinformationen.
Diese Hierarchie ist bindend für die prozessuale Verantwortung, da sie die Nachvollziehbarkeit und Zuordenbarkeit von Daten zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB) sicherstellt.
2. Prozessuale Verantwortung und Datenkonsistenz
Die hierarchische Referenzierung beeinflusst die Verantwortungsverteilung in drei zentralen Bereichen:
a) Eindeutige Zuordnung von Geschäftsvorfällen
- Verantwortlicher Akteur: Der Sender der Ursprungsnachricht (z. B. der Lieferant bei einer UTILMD-Nachricht) ist verpflichtet, eine eindeutige Referenz (RFF+ACE) zu vergeben.
- Beispiel: Eine UTILMD-Nachricht mit RFF+ACE:TG9523 muss von allen Folgeprozessen (z. B. APERAK-Bestätigung des Netzbetreibers) referenziert werden.
- Konsequenz bei Fehlern: Fehlt die Referenz oder ist sie inkonsistent, kann der Empfänger den Geschäftsvorfall nicht korrekt zuordnen, was zu manuellen Klärungen oder Prozessabbrüchen führt.
- Verantwortung des Empfängers: Der Empfänger (z. B. Netzbetreiber) muss prüfen, ob die Referenz existiert und valide ist. Bei Diskrepanzen ist er verpflichtet, eine APERAK-Nachricht mit Fehlercode zurückzusenden.
b) Konsistenz über Prozessketten
- Kettenreferenzierung: In mehrstufigen Prozessen (z. B. Zählerstandsübermittlung → Rechnungsstellung → Zahlungsabwicklung) müssen alle Folgemeldungen die ursprüngliche RFF+ACE-Referenz enthalten.
- Beispiel:
- MSB sendet MSCONS mit RFF+ACE:ZS20240619.
- Netzbetreiber bestätigt mit APERAK, referenziert dieselbe RFF+ACE.
- Lieferant nutzt die Referenz für die Rechnungsstellung (INVOIC).
- Risiko: Fehlt die Referenz in einer Folgemeldung, bricht die automatisierte Verarbeitung ab, und die Daten müssen manuell nachgepflegt werden.
- Beispiel:
- Verantwortung für Datenintegrität:
- Der Initiator des Geschäftsvorfalls (z. B. MSB bei Zählerstandsübermittlung) trägt die Verantwortung für die korrekte Erstreferenzierung.
- Alle nachgelagerten Akteure (NB, LF) müssen sicherstellen, dass ihre Antworten oder Folgemeldungen die Referenz 1:1 übernehmen.
c) Fehlerbehandlung und Eskalation
- APERAK als Kontrollmechanismus: Bei Inkonsistenzen (z. B. unbekannte RFF+ACE, falsche Formatierung) sendet der Empfänger eine APERAK-Nachricht mit Fehlerkategorie (z. B. "Referenz nicht gefunden").
- Verantwortung des Senders: Dieser muss den Fehler innerhalb definierter Fristen (z. B. 2 Werktage) beheben und eine korrigierte Nachricht senden.
- Verantwortung des Empfängers: Bei wiederholten Fehlern kann der Empfänger den Geschäftsvorfall automatisiert ablehnen (Status "Rejected").
- Dokumentationspflicht: Alle Akteure müssen Referenzangaben archivieren, um im Streitfall die Prozesskette nachweisen zu können.
3. Praktische Auswirkungen auf die Zusammenarbeit
| Akteur | Verantwortung in der Referenzhierarchie | Risiken bei Nichteinhaltung |
|---|---|---|
| Messstellenbetreiber | - Vergabe einer eindeutigen RFF+ACE für Zählerstandsnachrichten (MSCONS). - Sicherstellung der Referenzierung in Folgemeldungen. |
- Ablehnung der Daten durch Netzbetreiber. - Manuelle Nachbearbeitung, Verzögerungen. |
| Netzbetreiber | - Prüfung der RFF+ACE auf Existenz und Format. - Rückmeldung via APERAK bei Fehlern. - Weiterleitung der Referenz an Lieferanten. |
- Inkonsistente Daten in der Abrechnung. - Haftung für falsche Weiterleitung. |
| Lieferant | - Übernahme der RFF+ACE in Rechnungen (INVOIC) und Bestätigungen. - Korrektur bei APERAK-Fehlermeldungen. |
- Zahlungsverzögerungen. - Vertragsstrafen bei wiederholten Fehlern. |
4. Technische und organisatorische Maßnahmen
Um die Datenkonsistenz zu gewährleisten, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
- Automatisierte Validierung:
- EDI-Systeme müssen prüfen, ob die RFF+ACE-Referenz im Format
an..70vorliegt und ob sie mit der UNB-Referenz korreliert. - Beispiel: Ein MSB-System sollte bei der Erstellung einer MSCONS-Nachricht automatisch eine eindeutige RFF+ACE generieren (z. B.
RFF+ACE:ZS20240619-001).
- EDI-Systeme müssen prüfen, ob die RFF+ACE-Referenz im Format
- Prozessuale Eskalationswege:
- Klare Fristen für Fehlerbehebungen (z. B. 48 Stunden für Korrekturen nach APERAK).
- Automatisierte Benachrichtigungen bei fehlenden oder falschen Referenzen.
- Dokumentation und Auditierung:
- Alle Referenzangaben müssen mindestens 10 Jahre archiviert werden (gemäß § 257 HGB und EnWG).
- Regelmäßige Stichprobenprüfungen durch interne oder externe Auditoren.
5. Fazit
Die hierarchische Struktur von Referenzangaben in EDIFACT (insbesondere RFF+ACE) ist kein technisches Detail, sondern ein zentrales Steuerungselement für die prozessuale Verantwortung in der Energiewirtschaft. Sie definiert:
- Wer für die korrekte Referenzierung verantwortlich ist (Sender der Ursprungsnachricht).
- Wie Daten über Prozessketten hinweg konsistent bleiben (durch Kettenreferenzierung).
- Was bei Fehlern passiert (APERAK-Fehlerbehandlung, Eskalation).
Nichtbeachtung führt zu:
- Prozessabbrüchen (z. B. abgelehnte Zählerstände),
- manuellen Nacharbeiten (Kosten, Zeitverzögerungen),
- rechtlichen Risiken (z. B. bei Abrechnungsfehlern).
Eine standardisierte, automatisierte Handhabung der Referenzhierarchie ist daher unabdingbar für eine effiziente und fehlerfreie Abwicklung von Geschäftsvorfällen zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern.