Verantwortungszuweisung und prozessuale Eskalationsmechanismen bei unklarer oder fehlender Gerätenummer in der Marktkommunikation
1. Rechtliche und prozessuale Grundlagen
Die Identifikation von Messstellen (Zählpunkten) über die Gerätenummer (auch: Zählernummer, Fabrikatnummer) ist ein zentrales Element der Marktkommunikation nach den Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) und der Bundesnetzagentur (BNetzA). Die Gerätenummer dient als eindeutiger technischer Schlüssel zur Zuordnung von Messwerten, Abrechnungsdaten und Zuständigkeiten zwischen den Marktteilnehmern: Netzbetreiber (NB), Lieferant (LF) und Messstellenbetreiber (MSB).
Fehlt die Gerätenummer oder ist sie unklar (z. B. in der SG4-Nachricht FTX+ABO), führt dies zu Prozessstörungen in der Lieferantenwechsel-, Abrechnungs- und Bilanzierungsphase. Die Verantwortungszuweisung richtet sich nach den Festlegungen der BNetzA (z. B. GPKE, GeLi Gas, MaBiS) sowie den vertraglichen Vereinbarungen (z. B. Lieferantenrahmenverträge, Messstellenverträge).
2. Verantwortungszuweisung bei unklarer Gerätenummer
2.1 Netzbetreiber (NB)
Der Netzbetreiber ist gemäß § 21c EnWG für die technische und administrative Verwaltung des Zählpunkts verantwortlich. Zu seinen Pflichten gehören:
- Eindeutige Zuordnung der Gerätenummer zum Zählpunkt (Marktlokation) in den Stammdaten.
- Korrekte Übermittlung der Gerätenummer in der Marktkommunikation (z. B. in der SG4-Nachricht).
- Prüfung der Plausibilität bei Diskrepanzen (z. B. Abweichungen zwischen Gerätenummer und Zählpunktbezeichnung).
Konsequenzen bei Fehlern:
- Der NB haftet für falsche oder fehlende Daten in der Marktkommunikation.
- Bei unklarer Gerätenummer muss der NB innerhalb von 2 Werktagen eine Klärung herbeiführen (BNetzA-Festlegung GPKE, Ziffer 4.2.2).
- Unterlässt er dies, kann der Lieferant oder MSB Eskalationsmechanismen einleiten (siehe Abschnitt 3).
2.2 Lieferant (LF)
Der Lieferant ist für die korrekte Abrechnung und Bilanzierung verantwortlich, benötigt dafür jedoch valide Messdaten. Fehlt die Gerätenummer:
- Der LF kann keine eindeutige Zuordnung der Verbrauchsdaten zum Kunden vornehmen.
- Abrechnungsprozesse (z. B. Lieferantenwechsel, Rechnungsstellung) werden blockiert.
- Der LF muss den NB unverzüglich auf die Unstimmigkeit hinweisen (GPKE, Ziffer 4.2.3).
Konsequenzen bei Nichtbehebung:
- Der LF darf keine Abrechnung vornehmen, bis die Gerätenummer geklärt ist.
- Bei wiederholten Fehlern kann der LF Schadensersatzansprüche geltend machen (z. B. für entgangene Erlöse durch verzögerte Abrechnung).
2.3 Messstellenbetreiber (MSB)
Der MSB ist für die technische Betriebsführung des Zählers verantwortlich, einschließlich:
- Registrierung der Gerätenummer im Messstellenbetriebssystem.
- Übermittlung korrekter Daten an NB und LF (z. B. in der SG5-Nachricht).
- Prüfung von Diskrepanzen zwischen physischer Installation und Stammdaten.
Konsequenzen bei Fehlern:
- Der MSB muss innerhalb von 3 Werktagen auf Anfragen zur Gerätenummer reagieren (MsbG, § 6).
- Bei wiederholten Fehlzuordnungen kann der NB oder LF den MSB vertraglich in Regress nehmen.
3. Prozessuale Eskalationsmechanismen bei gescheiterter Identifikation
Falls die Gerätenummer nicht geklärt werden kann, greifen standardisierte Eskalationsstufen nach den BNetzA-Festlegungen:
3.1 Stufe 1: Interne Klärung zwischen Marktteilnehmern
- Initiierung: Der betroffene Marktteilnehmer (z. B. LF) fordert den NB oder MSB schriftlich zur Klärung auf (Frist: 2 Werktage).
- Dokumentation: Alle Kommunikation muss nachweisbar erfolgen (z. B. per E-Mail mit Lesebestätigung).
- Lösung: Der NB oder MSB muss die Gerätenummer korrigieren oder ergänzen und in den Stammdaten aktualisieren.
3.2 Stufe 2: Einschaltung der Schlichtungsstelle (bei ausbleibender Lösung)
- Voraussetzung: Die interne Klärung scheitert innerhalb der Frist.
- Verfahren:
- Der betroffene Marktteilnehmer kann die Schlichtungsstelle der BNetzA anrufen (§ 111b EnWG).
- Die Schlichtungsstelle prüft die Sachlage und fordert die Beteiligten zur Stellungnahme auf.
- Entscheidung: Die Schlichtungsstelle kann eine verbindliche Anordnung zur Datenkorrektur erlassen (Frist: 4 Wochen).
3.3 Stufe 3: Bußgeldverfahren und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
- Voraussetzung: Wiederholte oder vorsätzliche Pflichtverletzungen.
- Maßnahmen der BNetzA:
- Bußgelder bis zu 100.000 € (§ 95 EnWG).
- Anordnung zur Nachbesserung unter Androhung weiterer Sanktionen.
- Austausch des verantwortlichen Marktteilnehmers (z. B. Wechsel des MSB bei dauerhaften Fehlern).
3.4 Stufe 4: Zivilrechtliche Ansprüche
- Schadensersatz: Betroffene Marktteilnehmer können Kostenersatz für Verzögerungen geltend machen (z. B. entgangene Erlöse, Mehraufwand).
- Vertragsstrafen: In Lieferantenrahmenverträgen sind oft Pönalen für Datenfehler vereinbart.
- Kündigung: Bei wiederholten Verstößen kann der Vertragspartner den Vertrag kündigen (z. B. LF kündigt Messstellenvertrag mit MSB).
4. Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Identifikationsproblemen
Um Eskalationen zu vermeiden, sollten folgende prozessuale Vorkehrungen getroffen werden:
- Automatisierte Plausibilitätsprüfung:
- Einsatz von EDI-Validierungstools, die Gerätenummern auf Format und Konsistenz prüfen.
- Regelmäßige Stammdatenabgleiche:
- Quartalsweise Datenabgleiche zwischen NB, LF und MSB.
- Schulungen und Prozessdokumentation:
- Klare Arbeitsanweisungen für Mitarbeiter zur Handhabung von Gerätenummern.
- Frühwarnsysteme:
- Automatisierte Benachrichtigungen bei fehlenden oder inkonsistenten Gerätenummern.
5. Fazit
Die unklare oder fehlende Gerätenummer in der Marktkommunikation (z. B. in der SG4-Nachricht FTX+ABO) führt zu erheblichen Prozessstörungen und kann die Abrechnung, Bilanzierung und den Lieferantenwechsel blockieren. Die Verantwortung liegt primär beim Netzbetreiber, der für die korrekte Datenübermittlung zuständig ist. Scheitert die Identifikation, greifen gestufte Eskalationsmechanismen, die von der internen Klärung bis zu Bußgeldern und zivilrechtlichen Ansprüchen reichen.
Empfehlung: Marktteilnehmer sollten proaktiv auf eine fehlerfreie Datenübermittlung hinwirken und bei Unstimmigkeiten unverzüglich die vorgesehenen Klärungsprozesse einleiten. Die Dokumentation aller Schritte ist dabei essenziell, um im Eskalationsfall nachweisen zu können, dass alle Pflichten erfüllt wurden.