Auswirkungen fehlender Messlokations- oder Zähleridentifikatoren auf prozessuale Konsistenz und regulatorische Compliance in der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette
1. Prozessuale Konsistenz
Die fehlende Einbindung von Messlokationsidentifikatoren (z. B. Messstellenbetreiber-Nummer, Zählernummer) oder OBIS-Kennzahlen in Geschäftsvorfälle führt zu erheblichen Störungen in der Datenintegrität und Prozessautomatisierung entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Diese Identifikatoren dienen als eindeutige Referenzpunkte für die Zuordnung von Messwerten, Verbrauchsdaten und Markttransaktionen. Fehlen sie, entstehen folgende Probleme:
Fehlende Nachverfolgbarkeit: Ohne eindeutige Kennung ist die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Messdaten zu einer spezifischen Lokation oder einem Zähler nicht möglich. Dies betrifft insbesondere:
- Abrechnungsprozesse (z. B. bei der Rechnungsstellung durch Lieferanten oder Netzbetreiber),
- Netzzustandsanalysen (z. B. Lastgangauswertungen für Netzplanung),
- Wechselprozesse (z. B. bei Lieferantenwechsel oder Zählerwechsel).
Manuelle Nachbearbeitung: Fehlende Identifikatoren erfordern manuelle Korrekturen, was zu Verzögerungen, erhöhten Fehlerquoten und zusätzlichen Kosten führt. Automatisierte Prozesse (z. B. in EDIFACT- oder XML-basierten Marktkommunikationssystemen) scheitern, wenn Referenzdaten unvollständig sind.
Dateninkonsistenzen zwischen Marktpartnern: Unterschiedliche Systeme (z. B. von Netzbetreibern, Messstellenbetreibern, Lieferanten) nutzen oft unterschiedliche Identifikationsschemata. Fehlt eine standardisierte Kennung (wie OBIS), kommt es zu Datenbrüchen, die eine korrekte Weiterverarbeitung verhindern.
2. Regulatorische Compliance
Die energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette unterliegt strengen rechtlichen und regulatorischen Vorgaben, insbesondere durch:
- Energiewirtschaftsgesetz (EnWG),
- Messstellenbetriebsgesetz (MsbG),
- Strom- und Gasnetzzugangsverordnungen (StromNZV, GasNZV),
- EU-Richtlinien (z. B. Clean Energy Package).
Fehlende Identifikatoren gefährden die Einhaltung dieser Vorgaben in folgenden Bereichen:
a) Pflicht zur eindeutigen Zuordnung von Messdaten (§ 21b EnWG, § 5 MsbG)
- Netzbetreiber und Messstellenbetreiber müssen jeden Zähler und jede Messlokation eindeutig identifizieren können.
- Fehlt diese Kennung, ist die Pflicht zur korrekten Abrechnung (§ 40 EnWG) nicht erfüllt, was zu Rückforderungen oder Bußgeldern führen kann.
b) Marktkommunikation nach GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) und GeLi Gas
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA) schreibt vor, dass alle Marktprozesse (z. B. Lieferantenwechsel, Zählerstandsübermittlung) mit eindeutigen Identifikatoren versehen sein müssen.
- Fehlen OBIS-Kennzahlen oder Zählernummern, sind Meldungen an die Marktpartner (z. B. Bilanzkreisverantwortliche) unvollständig und können Ablehnungen oder Korrekturverfahren auslösen.
c) Datenschutz und Transparenz (DSGVO, § 6a EnWG)
- Verbrauchsdaten müssen personenbezogen und gleichzeitig anonymisiert verarbeitet werden.
- Fehlende Identifikatoren können dazu führen, dass Daten falschen Zählpunkten zugeordnet werden, was Datenschutzverstöße nach sich ziehen kann.
d) Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiemanagement
- Bilanzkreisverantwortliche (BKV) sind auf korrekte und vollständige Messdaten angewiesen, um Ausgleichsenergie zu berechnen.
- Fehlende OBIS-Kennzahlen führen zu falschen Bilanzierungen, was Kosten für Ausgleichsenergie erhöht und regulatorische Sanktionen nach sich ziehen kann.
3. Systemische Risiken für die Marktkommunikation
Die fehlende Einbindung von Identifikatoren birgt systemische Risiken, die über einzelne Geschäftsvorfälle hinausgehen:
a) Störungen in der automatisierten Datenverarbeitung
- EDI-Systeme (Electronic Data Interchange) und Marktkommunikationsplattformen (z. B. MaKo, WiM) basieren auf standardisierten Datenformaten.
- Fehlende Identifikatoren führen zu Ablehnungen von Nachrichten, was Prozessketten unterbricht (z. B. bei der Stammdatenübermittlung oder Zählerstandsabrechnung).
b) Erhöhte Fehleranfälligkeit in der Abrechnung
- Falsche Zuordnungen von Verbrauchsdaten führen zu:
- Über- oder Unterabrechnungen,
- Reklamationen von Kunden oder Lieferanten,
- Nachberechnungen mit hohen manuellen Aufwänden.
c) Compliance-Risiken und behördliche Maßnahmen
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA) führt regelmäßig Compliance-Prüfungen durch.
- Fehlende Identifikatoren können als Verstoß gegen die Marktregeln gewertet werden, was zu:
- Bußgeldern (§ 95 EnWG),
- Ausschluss von Marktprozessen,
- Reputationsschäden für betroffene Unternehmen führt.
d) Langfristige Auswirkungen auf die Digitalisierung
- Die Einführung intelligenter Messsysteme (iMSys) und Smart Meter erfordert vollständige und korrekte Datenstrukturen.
- Fehlende Identifikatoren behindern die Interoperabilität zwischen Systemen und verzögern die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie in der Energiewirtschaft.
4. Lösungsansätze zur Risikominimierung
Um die genannten Risiken zu vermeiden, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
| Maßnahme | Umsetzung |
|---|---|
| Standardisierung der Identifikatoren | Nutzung von OBIS-Kennzahlen (gemäß IEC 62056) und eindeutigen Zählernummern in allen Geschäftsvorfällen. |
| Automatisierte Plausibilitätsprüfungen | Implementierung von Validierungsregeln in Marktkommunikationssystemen, die fehlende Identifikatoren erkennen. |
| Schulung der Marktpartner | Sensibilisierung von Netzbetreibern, Messstellenbetreibern und Lieferanten für die Bedeutung korrekter Daten. |
| Regulatorische Klarstellungen | Präzisierung der Anforderungen durch die BNetzA in den Marktregeln (z. B. GPKE, GeLi Gas). |
| Technische Schnittstellenanpassungen | Integration von Mandatory Fields in EDI- und XML-Schemata, um fehlende Identifikatoren zu verhindern. |
Fazit
Die fehlende Einbindung von Messlokations- oder Zähleridentifikatoren in Geschäftsvorfälle führt zu gravierenden Störungen in der Prozesskette, gefährdet die regulatorische Compliance und birgt systemische Risiken für die Marktkommunikation. Unternehmen der Energiewirtschaft müssen sicherstellen, dass alle relevanten Identifikatoren (OBIS, Zählernummern, Messlokations-ID) vollständig und korrekt in ihren Systemen hinterlegt sind, um Datenintegrität, Automatisierung und rechtliche Sicherheit zu gewährleisten. Die Bundesnetzagentur und Marktpartner sollten hierfür klare Vorgaben setzen und Kontrollmechanismen etablieren.