Willi Mako
// PROTOCOL:

Fehlerort-Standardisierung: Risiken im AHB-Prüfprozess

ID#4CD-99
STATUSREAD_ONLY
AUTHORSYS_ADMIN
TAGS [PROZESS][GPKE][BILANZ][KUNDENANLAGE][ZUORDNUNG][BILANZKREIS]

Einfluss unklarer oder fehlender Standardisierung von Fehlerort-Angaben im AHB-Prüfprozess auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten

1. Rechtliche und prozessuale Grundlagen

Die Abwicklung von Störungsmeldungen im Rahmen des Anschlussnutzungs- und Bilanzkreisvertrags (AHB) unterliegt den Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sowie den technischen Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA). Der Fehlerort spielt dabei eine zentrale Rolle, da er bestimmt, welcher Marktakteur (Netzbetreiber oder Lieferant) für die Behebung der Störung verantwortlich ist und die damit verbundenen Kosten trägt.

Die fehlende oder unklare Standardisierung der Fehlerort-Angabe im AHB-Prüfprozess führt zu Rechtsunsicherheit und prozessualen Ineffizienzen, die sich direkt auf die Risikoverteilung zwischen den Parteien auswirken. Während der Netzbetreiber für die technische Infrastruktur (z. B. Netzanschluss, Messstellen) zuständig ist, liegt die Verantwortung für bilanzielle und vertragliche Aspekte (z. B. Lieferung, Bilanzkreisabweichungen) beim Lieferanten.


2. Auswirkungen auf die Risikoverteilung

2.1 Unklare Verantwortungsabgrenzung

Ohne präzise Definition des Fehlerorts im AHB kann es zu Zuständigkeitskonflikten kommen:

  • Netzbetreiber: Muss nachweisen, dass der Fehler in seinem Verantwortungsbereich (z. B. Netzanschluss, Zähler) liegt, um eine Kostenübernahme durch den Lieferanten abzulehnen.
  • Lieferant: Trägt das Risiko, dass eine Störung fälschlich seinem Bereich (z. B. Bilanzkreisabweichung) zugeordnet wird, obwohl sie technisch bedingt ist.

Beispiel: Bei einer Spannungsstörung ist unklar, ob der Fehler im Niederspannungsnetz (Netzbetreiber) oder in der Anlage des Kunden (Lieferant) liegt. Fehlt eine standardisierte Fehlerort-Dokumentation, kann der Netzbetreiber die Störung dem Lieferanten zuweisen – selbst wenn sie netzbedingt ist.

2.2 Erhöhte Transaktionskosten und Verzögerungen

  • Manuelle Prüfungen: Ohne automatisierte oder klar definierte Fehlerort-Kriterien müssen Störungen individuell analysiert werden, was zu längeren Bearbeitungszeiten führt.
  • Nachweispflichten: Beide Parteien müssen zusätzliche Dokumentationen (z. B. Messprotokolle, Gutachten) vorlegen, um ihre Position zu stützen.
  • Streitbeilegung: Unklare Fehlerort-Angaben erhöhen das Risiko von Rechtsstreitigkeiten, die über Schiedsstellen (z. B. Clearingstelle EEG/KWKG) oder Gerichte geklärt werden müssen.

2.3 Finanzielle Risiken

  • Kostenübernahme: Fehlt eine eindeutige Zuordnung, trägt oft der Lieferant das Risiko, da er im Zweifel für Bilanzkreisabweichungen haftet – selbst wenn die Störung netzbedingt war.
  • Strafzahlungen: Bei falscher Zuordnung können Vertragsstrafen oder Ausgleichsenergiekosten anfallen, die je nach Fehlerort unterschiedlich verteilt werden.
  • Regulatorische Sanktionen: Die BNetzA kann bei wiederholten Unklarheiten Anordnungen treffen, die zu zusätzlichen Compliance-Kosten führen.

3. Lösungsansätze zur Standardisierung

Um die Risikoverteilung zu verbessern, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

3.1 Klare Definition des Fehlerorts im AHB

  • Technische Abgrenzung: Präzise Festlegung, welche Komponenten (z. B. Hausanschluss, Zähler, Kundenanlage) zum Verantwortungsbereich des Netzbetreibers bzw. Lieferanten gehören.
  • Automatisierte Erfassung: Nutzung von Smart-Meter-Daten oder Fernauslesesystemen, um den Fehlerort objektiv zu bestimmen.
  • Dokumentationspflichten: Standardisierte Protokolle für Störungsmeldungen, die den Fehlerort nachvollziehbar festhalten.

3.2 Prozessuale Vereinheitlichung

  • Einheitliche Prüfkriterien: Festlegung von Checklisten oder Algorithmen, die den Fehlerort nach technischen Parametern (z. B. Spannung, Stromfluss) bestimmen.
  • Schnellere Eskalationswege: Klare Fristen für die Fehlerort-Prüfung, um Verzögerungen zu vermeiden.
  • Schulungen: Regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter beider Seiten, um Missverständnisse zu reduzieren.

3.3 Regulatorische Anpassungen

  • BNetzA-Vorgaben: Die Bundesnetzagentur könnte Mindeststandards für die Fehlerort-Dokumentation festlegen, ähnlich wie bei den GPKE-Prozessen (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität).
  • Musterverträge: Bereitstellung von standardisierten AHB-Klauseln, die den Fehlerort klar definieren.

4. Fazit

Die unklare oder fehlende Standardisierung der Fehlerort-Angabe im AHB-Prüfprozess führt zu einer ungleichen Risikoverteilung, bei der vor allem Lieferanten benachteiligt werden. Durch technische, prozessuale und regulatorische Maßnahmen kann die Transparenz erhöht und die Verantwortungsabgrenzung verbessert werden. Dies reduziert nicht nur Kosten und Streitigkeiten, sondern trägt auch zu einer effizienteren Störungsabwicklung bei.

Empfehlung: Netzbetreiber und Lieferanten sollten gemeinsam standardisierte Prüfverfahren entwickeln und in ihre AHB-Verträge integrieren, um Rechtsunsicherheiten zu minimieren. Die BNetzA sollte hierfür verbindliche Leitlinien vorgeben.