Willi Mako
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Granularität von Tupel-Strukturen & Risikoverteilung in GABi Gas

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Einfluss der Granularität von Tupel-Strukturen auf die prozessuale Risikoverteilung in GABi Gas

Die Gasbilanzierung (GABi Gas) regelt die Allokation und Abrechnung von Gasflüssen zwischen Netzbetreibern (NB) und Bilanzkreisverantwortlichen (BKV). Die unterschiedliche Granularität der verwendeten Tupel-Strukturen – Allokationsmeldung (Bilanzkreis, Netzbetreiber, Zeitreihentyp) vs. Mehrmindermengenmeldung (Netzkonto, Netzbetreiber) – hat erhebliche Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen den Marktakteuren. Dieser Unterschied führt zu einer asymmetrischen Zuordnung von Verantwortlichkeiten und finanziellen Lasten, insbesondere bei der Handhabung von Mehr- und Mindermengen (MMM).


1. Granularität der Allokationsmeldung (3-Tupel)

Die Allokationsmeldung erfolgt auf Basis des Bilanzkreises, des Netzbetreibers und des Zeitreihentyps (z. B. Standardlastprofil, registrierende Leistungsmessung). Diese Struktur ermöglicht eine detaillierte Zuordnung von Gasflüssen zu einzelnen Bilanzkreisen und damit eine präzise Abgrenzung der Verantwortlichkeiten:

  • Vorteile für den BKV:

    • Der BKV kann seine tatsächlichen Entnahmen und Einspeisungen exakt einem Bilanzkreis zuordnen.
    • Abweichungen (z. B. durch Prognosefehler oder Messungenauigkeiten) werden bilanzkreisspezifisch erfasst und abgerechnet.
    • Die Risikotragung für MMM liegt primär beim BKV, da dieser für die Ausgeglichenheit seines Bilanzkreises verantwortlich ist.
  • Vorteile für den NB:

    • Der NB kann systematische Abweichungen (z. B. Netzverluste, unplausible Messwerte) leichter identifizieren, da die Allokation auf Bilanzkreisebene erfolgt.
    • Die Verantwortung für netzbedingte MMM (z. B. durch Druckverluste oder technische Störungen) bleibt beim NB, da diese nicht dem BKV zugerechnet werden können.

Fazit: Die 3-Tupel-Struktur der Allokationsmeldung führt zu einer klaren Trennung der Verantwortungsbereiche – der BKV trägt das Risiko für bilanzkreisbedingte MMM, während der NB für netzbedingte Abweichungen haftet.


2. Granularität der Mehrmindermengenmeldung (2-Tupel)

Die MMM-Meldung erfolgt dagegen nur auf Basis des Netzkontos und des Netzbetreibers, ohne Bezug zum Bilanzkreis. Dies hat folgende Konsequenzen:

  • Verlust der Bilanzkreiszuordnung:

    • MMM werden nicht mehr einzelnen BKV zugeordnet, sondern auf Netzebene aggregiert.
    • Dadurch entsteht ein kollektives Risiko, da alle BKV eines Netzes für die gesamten MMM haften – unabhängig davon, ob sie ursächlich für die Abweichungen waren.
  • Risikoverlagerung auf die BKV:

    • Da der NB die MMM nicht mehr bilanzkreisspezifisch abrechnen kann, werden die Kosten proportional auf alle BKV umgelegt (z. B. über Umlagen oder pauschale Ausgleichsmechanismen).
    • BKV mit geringen oder keinen Abweichungen müssen somit für die MMM anderer BKV mitzahlen.
    • Dies führt zu einer ungerechten Risikoverteilung, da die Ursachen der MMM (z. B. Prognosefehler eines einzelnen BKV) nicht mehr nachvollziehbar sind.
  • Reduzierte Anreize für präzise Bilanzierung:

    • Da BKV nicht mehr direkt für ihre eigenen MMM haften, sinkt der Anreiz zur genauen Prognose und Messung.
    • Dies kann zu höheren Gesamtabweichungen führen, da BKV weniger Anstrengungen unternehmen, ihre Bilanzkreise auszugleichen.

Fazit: Die 2-Tupel-Struktur der MMM-Meldung führt zu einer Verschiebung des Risikos von den BKV hin zu einer kollektiven Haftung, was die Transparenz und Fairness des Systems beeinträchtigt.


3. Prozessuale Auswirkungen auf die Risikoverteilung

Die unterschiedliche Granularität der Tupel-Strukturen hat folgende konkrete Auswirkungen auf die Risikoverteilung:

Aspekt Allokationsmeldung (3-Tupel) MMM-Meldung (2-Tupel)
Verantwortlichkeit BKV haftet für bilanzkreisbedingte MMM. MMM werden auf Netzebene aggregiert, BKV haften kollektiv.
Transparenz Abweichungen sind einzelnen BKV zuordenbar. Ursachen von MMM sind nicht mehr nachvollziehbar.
Anreizwirkung BKV haben starken Anreiz zur präzisen Bilanzierung. Geringerer Anreiz, da MMM sozialisiert werden.
Netzbetreiber-Risiko NB haftet nur für netzbedingte MMM. NB kann MMM nicht mehr verursachergerecht zuordnen.
Kostenverteilung MMM werden direkt dem verursachenden BKV belastet. MMM werden über Umlagen auf alle BKV verteilt.

4. Fazit: Systemische Risiken durch Granularitätsunterschiede

Die Diskrepanz zwischen der granularen Allokationsmeldung (3-Tupel) und der aggregierten MMM-Meldung (2-Tupel) führt zu einer strukturellen Ungleichheit in der Risikoverteilung:

  1. BKV tragen ein höheres Risiko, da sie für MMM haften, die sie nicht verursacht haben.
  2. NB verlieren die Möglichkeit, MMM verursachergerecht zuzuordnen, was die Effizienz des Systems beeinträchtigt.
  3. Der Anreiz zur präzisen Bilanzierung sinkt, da BKV nicht mehr direkt für ihre Abweichungen haften.
  4. Die Transparenz leidet, da die Ursachen von MMM nicht mehr nachvollziehbar sind.

Empfehlung: Eine Angleichung der Granularität – etwa durch eine MMM-Meldung auf Bilanzkreisebene – würde die Fairness und Effizienz des Systems verbessern. Alternativ könnte ein differenziertes Umlagesystem eingeführt werden, das zumindest teilweise eine verursachergerechte Zuordnung ermöglicht. Bis dahin bleibt die Risikoverteilung in GABi Gas asymmetrisch und ineffizient.