Willi Mako
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Hierarchische Fehlerreferenzierung: RFF+AGO & Verantwortung in der Fehlerbehebung

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TAGS [EDIFACT][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][BILANZ][ZUORDNUNG][BILANZKREIS]

Hierarchische Fehlerreferenzierung (z. B. RFF+AGO) und ihre Auswirkungen auf die prozessuale Verantwortungskette in der Fehlerbehebung

1. Funktionsweise der hierarchischen Fehlerreferenzierung

Die hierarchische Fehlerreferenzierung, wie sie im BDEW-Standard (z. B. über das Segment RFF+AGO) definiert ist, dient der eindeutigen Identifikation und Rückverfolgbarkeit fehlerhafter Nachrichten in der Kommunikation zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern. Das Segment RFF (Referenz) mit dem Qualifier AGO („Absenderreferenz für die Original-Nachricht“) verweist dabei auf die ursprüngliche Nachrichtennummer (BGM DE1004) der fehlerhaften Übermittlung.

Diese Referenzierung ermöglicht:

  • Eindeutige Zuordnung: Jede fehlerhafte Nachricht wird mit einer spezifischen ID (z. B. RFF+AGO:798790034532) versehen, die auf die Ursprungsnachricht verweist.
  • Hierarchische Struktur: Fehler werden nicht isoliert betrachtet, sondern in den Kontext der vorangegangenen Kommunikation gestellt (z. B. bei Folgefehlern in Bestätigungs- oder Korrekturprozessen).
  • Automatisierte Weiterverarbeitung: Systeme können anhand der Referenz die Fehlerhistorie nachvollziehen und gezielt Korrekturmaßnahmen einleiten.

2. Auswirkungen auf die prozessuale Verantwortungskette

Die hierarchische Referenzierung beeinflusst die Verantwortungszuweisung in der Fehlerbehebung wie folgt:

a) Klare Rollenverteilung in der Eskalationskette
  • Primärverantwortung des Absenders: Der Sender der fehlerhaften Nachricht (z. B. der Lieferant bei einer fehlerhaften Abrechnungsmeldung) ist zunächst für die Korrektur zuständig. Die Referenz (RFF+AGO) ermöglicht es dem Empfänger (z. B. dem Netzbetreiber), den Fehler direkt an den Verursacher zurückzumelden.
  • Sekundärverantwortung des Empfängers: Der Empfänger muss die Fehlerrückmeldung (z. B. via APERAK-Nachricht) mit der korrekten Referenz versehen, um eine lückenlose Dokumentation sicherzustellen. Unterlässt er dies, kann die Nachweispflicht im Streitfall nicht erfüllt werden.
  • Messstellenbetreiber als Schnittstelle: Bei Fehlern in der Zählerstandsübermittlung (z. B. durch fehlerhafte SG4/SG5-Segmente) muss der Messstellenbetreiber die Referenz nutzen, um die Ursache (z. B. falsche Zählerdaten) zu lokalisieren und an den Netzbetreiber oder Lieferanten weiterzuleiten.
b) Regulatorische Nachweispflicht und Streitfallmanagement

Die hierarchische Referenzierung ist entscheidend für die Einhaltung regulatorischer Vorgaben, insbesondere:

  • § 40 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz): Netzbetreiber und Lieferanten müssen eine nachvollziehbare Fehlerdokumentation führen. Die RFF+AGO-Referenz dient als Beweismittel, um im Streitfall (z. B. bei Falschabrechnungen) die Verantwortung zuzuweisen.
  • MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom): Die Regeln verlangen eine eindeutige Fehlerrückverfolgbarkeit. Ohne hierarchische Referenzierung können Fehler nicht zweifelsfrei zugeordnet werden, was zu Abrechnungsdifferenzen und Bußgeldern führen kann.
  • GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität): Bei Wechselprozessen muss die Referenzierung sicherstellen, dass Fehler in der Lieferantenkommunikation (z. B. fehlerhafte Anmeldungen) korrigiert und dokumentiert werden.

Beispiel aus der Praxis: Ein Lieferant übermittelt eine fehlerhafte UTILMD-Nachricht (z. B. falsche Zählerstände). Der Netzbetreiber erkennt den Fehler und sendet eine APERAK-Nachricht mit RFF+AGO:XYZ123. Der Lieferant muss nun:

  1. Die Ursprungsnachricht (XYZ123) korrigieren,
  2. Die Korrektur mit derselben Referenz versehen,
  3. Die korrigierte Nachricht erneut übermitteln. Unterbleibt die Referenzierung, kann der Netzbetreiber die Korrektur nicht zuordnen – die Verantwortung für Folgefehler (z. B. falsche Bilanzierung) verbleibt beim Lieferanten.

3. Warum ist diese Struktur regulatorisch unverzichtbar?

Die hierarchische Fehlerreferenzierung erfüllt drei zentrale Funktionen für die Compliance:

  1. Beweissicherung in Streitfällen

    • Gerichte und Regulierungsbehörden (z. B. die Bundesnetzagentur) verlangen lückenlose Nachweise bei Abrechnungsfehlern. Die RFF+AGO-Referenz ermöglicht eine gerichtsfeste Dokumentation der Fehlerkette.
    • Ohne Referenzierung können Fehler nicht zweifelsfrei einem Verantwortlichen zugeordnet werden, was zu Haftungsrisiken führt.
  2. Automatisierte Fehlerbehebung

    • EDI-Systeme (z. B. EDIFACT-basierte Meldungen) nutzen die Referenz, um Fehler automatisch zu eskalieren. Beispiel:
      • Ein SG5-Fehler (z. B. „Information zur fehlerhaften Nachricht“) wird mit der RFF+AGO-Referenz an den Absender zurückgespielt.
      • Der Absender muss innerhalb der MaxWdh (maximalen Wiederholungsanzahl, z. B. 9 Versuche) reagieren, sonst gilt der Fehler als nicht behoben.
  3. Vermeidung von Systembrüchen

    • Ohne hierarchische Referenzierung entstehen Medienbrüche (z. B. manuelle E-Mails oder Telefonate), die:
      • Die Prozessgeschwindigkeit verlangsamen,
      • Die Fehleranfälligkeit erhöhen,
      • Die Nachweispflicht gefährden.

4. Praktische Konsequenzen bei Nichteinhaltung

Wird die hierarchische Referenzierung ignoriert oder fehlerhaft umgesetzt, drohen:

  • Regulatorische Sanktionen: Die BNetzA kann bei wiederholten Verstößen gegen die MaBiS/GPKE Bußgelder verhängen.
  • Finanzielle Verluste: Unklare Fehlerzuordnung führt zu Abrechnungsdifferenzen, die manuell korrigiert werden müssen (Kosten: bis zu 50 € pro Fall).
  • Vertragsstrafen: Viele Lieferverträge sehen Pönalen für nicht fristgerechte Fehlerbehebung vor.
  • Reputationsrisiken: Wiederholte Fehler können zum Ausschluss aus Ausschreibungen führen.

5. Fazit: Systematische Fehlerreferenzierung als Grundpfeiler der Marktkommunikation

Die hierarchische Fehlerreferenzierung (RFF+AGO) ist kein technisches Detail, sondern ein zentrales Steuerungselement in der energiewirtschaftlichen Prozesskette. Sie: ✅ Sichert die Verantwortungszuweisung zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern, ✅ Erfüllt regulatorische Nachweispflichten (EnWG, MaBiS, GPKE), ✅ Verhindert Systembrüche und beschleunigt die Fehlerbehebung, ✅ Schützt vor finanziellen und rechtlichen Risiken.

Empfehlung für Marktteilnehmer:

  • Automatisierte Prüfung der RFF+AGO-Referenzen in EDI-Systemen,
  • Schulung der Mitarbeiter zur korrekten Fehlerrückmeldung,
  • Regelmäßige Audits der Fehlerdokumentation, um Compliance-Risiken zu minimieren.

Die Einhaltung dieser Struktur ist keine Option, sondern eine Pflicht – sowohl aus prozessualer als auch aus regulatorischer Sicht.