Einfluss der hierarchischen MP-ID-Zuordnung auf Verantwortungsverteilung und Fehleranfälligkeit in der Marktkommunikation
Die Marktpartner-Identifikationsnummer (MP-ID) ist ein zentrales Element in der digitalen Kommunikation zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern im deutschen Energiemarkt. Ihre hierarchische Struktur – definiert durch Normierungsstellen wie GS1, BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) oder DVGW – hat direkte Auswirkungen auf die Verantwortungsverteilung und die Fehleranfälligkeit in der Marktkommunikation. Dieser Einfluss lässt sich in drei Kernbereiche unterteilen:
1. Verantwortungsverteilung durch hierarchische Zuordnung
Die MP-ID folgt einem standardisierten, aber dezentral verwalteten Schema, das die Zuständigkeiten für die Vergabe, Pflege und Validierung der Identifikatoren regelt. Die hierarchische Struktur (z. B. MP-ID::Verantwortliche Stelle) legt fest, wer für die korrekte Verwendung der ID verantwortlich ist:
GS1 (Code 9): GS1 ist eine globale Standardisierungsorganisation, die vor allem für die Vergabe von Identifikatoren im Handel (z. B. GTIN) zuständig ist. Im Energiemarkt wird GS1 für MP-IDs genutzt, die überregionale oder internationale Relevanz haben (z. B. große Lieferanten oder Netzbetreiber mit europäischem Geschäftsverkehr).
- Verantwortung: Die Vergabe erfolgt zentral über GS1, die Validierung obliegt jedoch den Marktteilnehmern. Fehler in der Zuordnung (z. B. falsche GS1-Nummer) können zu Abweisungen in der EDIFACT-Kommunikation führen, da die ID nicht im GS1-Register verifiziert werden kann.
- Risiko: Da GS1 keine branchenspezifischen Validierungen durchführt, liegt die Plausibilitätsprüfung bei den beteiligten Marktpartnern. Dies erhöht das Risiko von Dubletten oder falschen Zuordnungen, insbesondere wenn IDs manuell gepflegt werden.
BDEW (Code 293) und DVGW (Code 332): Der BDEW und der DVGW sind branchenspezifische Standardisierungsstellen für den deutschen Energiemarkt. Ihre MP-IDs sind für nationale Prozesse (z. B. Wechselprozesse, Bilanzkreisabrechnung) optimiert.
- Verantwortung:
Die Vergabe erfolgt dezentral durch die jeweiligen Verbände, wobei der BDEW vor allem für Strom- und Gaslieferanten zuständig ist, während der DVGW primär Wasserversorger und Netzbetreiber abdeckt.
- BDEW: Verantwortlich für die Koordination der Marktkommunikation (z. B. GPKE, MaBiS). Fehler in der MP-ID-Zuordnung können zu Störungen in der Lieferantenwechselabwicklung führen.
- DVGW: Fokussiert auf technische Prozesse (z. B. Messstellenbetrieb). Eine falsche DVGW-ID kann zu Fehlern in der Zählerstandsübermittlung oder im Netzzugangsmanagement führen.
- Risiko: Da beide Stellen keine zentrale Datenbank für alle MP-IDs führen, besteht die Gefahr von Inkonsistenzen, wenn Marktpartner IDs aus unterschiedlichen Quellen beziehen. Beispiel: Ein Lieferant verwendet eine BDEW-ID, während der Netzbetreiber eine DVGW-ID erwartet.
- Verantwortung:
Die Vergabe erfolgt dezentral durch die jeweiligen Verbände, wobei der BDEW vor allem für Strom- und Gaslieferanten zuständig ist, während der DVGW primär Wasserversorger und Netzbetreiber abdeckt.
2. Fehleranfälligkeit durch komplexe Hierarchie
Die hierarchische Struktur der MP-ID (z. B. NAD+MS+4078901000029::9) führt zu technischen und prozessualen Fehlerquellen:
a) Formatierungsfehler
- Die MP-ID muss exakt dem EDIFACT-Standard entsprechen (z. B.
an..35für die ID,an..3für den Code der verantwortlichen Stelle).- Häufige Fehler:
- Falsche Trennzeichen (z. B.
::statt+). - Führende Nullen in der ID (z. B.
00008vs.8). - Falsche Codezuordnung (z. B.
::293für eine GS1-ID).
- Falsche Trennzeichen (z. B.
- Folgen: Automatisierte Systeme (z. B. EDIFACT-Parser) lehnen Nachrichten ab, wenn das Format nicht eingehalten wird. Dies führt zu manuellen Nachbearbeitungen und Verzögerungen in der Marktkommunikation.
- Häufige Fehler:
b) Inkonsistente Datenhaltung
- Da die MP-ID in verschiedenen Systemen (z. B. ERP, Marktkommunikationsplattformen, Messstellenbetrieb) genutzt wird, kommt es häufig zu Synchronisationsfehlern:
- Ein Lieferant pflegt die MP-ID im BDEW-Format, während der Netzbetreiber eine DVGW-ID erwartet.
- Ein Messstellenbetreiber verwendet eine veraltete GS1-ID, die nicht mehr im Register geführt wird.
- Folgen:
- Abweisung von Nachrichten (z. B. in der GPKE oder MaBiS).
- Falsche Zuordnung von Zählerständen oder Bilanzkreisdaten.
- Manuelle Korrekturen, die zu Verzögerungen in der Abrechnung führen.
c) Verantwortungsdiffusion
- Die dezentrale Verwaltung der MP-IDs (GS1, BDEW, DVGW) führt zu einer unklaren Fehlerverfolgung:
- Wer ist verantwortlich, wenn eine MP-ID falsch vergeben wurde?
- GS1: Keine branchenspezifische Validierung.
- BDEW/DVGW: Keine zentrale Datenbank für alle IDs.
- Beispiel: Ein Netzbetreiber erhält eine Nachricht mit einer falschen BDEW-ID. Da der BDEW keine Echtzeit-Validierung durchführt, wird der Fehler erst im Abrechnungsprozess erkannt – mit hohen Nachbearbeitungskosten.
- Wer ist verantwortlich, wenn eine MP-ID falsch vergeben wurde?
3. Lösungsansätze zur Reduzierung von Fehlern
Um die Fehleranfälligkeit zu minimieren und die Verantwortungsverteilung klarer zu gestalten, empfehlen sich folgende Maßnahmen:
a) Zentrale Validierungsplattform
- Einführung einer branchenweiten Datenbank, die alle MP-IDs (GS1, BDEW, DVGW) zentral validiert.
- Vorteile:
- Automatisierte Prüfung auf Formatkonformität und Existenz der ID.
- Reduzierung von Dubletten und falschen Zuordnungen.
- Umsetzung: Kooperation zwischen BDEW, DVGW und GS1 zur Schaffung eines einheitlichen Registers.
- Vorteile:
b) Automatisierte Plausibilitätsprüfung
- Integration von Prüfregeln in die Marktkommunikationssysteme (z. B. EDIFACT-Parser):
- Beispiele:
- Abgleich der MP-ID mit dem Geschäftspartnerverzeichnis des Netzbetreibers.
- Prüfung, ob die verantwortliche Stelle (Code 3055) zur Rolle des Absenders passt (z. B.
293für Lieferanten,332für Netzbetreiber).
- Vorteile:
- Frühzeitige Erkennung von Formatfehlern und falschen Zuordnungen.
- Reduzierung von manuellen Korrekturen.
- Beispiele:
c) Klare Verantwortungszuweisung
- Standardisierte Prozesse für die Vergabe und Pflege von MP-IDs:
- GS1: Klare Regelungen, wann eine GS1-ID zu verwenden ist (z. B. nur für internationale Marktpartner).
- BDEW/DVGW: Einführung eines Meldeverfahrens für neue IDs, um Dubletten zu vermeiden.
- Marktpartner: Verpflichtende Datenpflege in zentralen Systemen (z. B. BDEW-Marktpartnerverzeichnis).
d) Schulung und Dokumentation
- Regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter in den Bereichen:
- EDIFACT-Formatierung (z. B. korrekte Verwendung von
NAD+MS). - MP-ID-Zuordnung (z. B. Unterschiede zwischen GS1, BDEW, DVGW).
- EDIFACT-Formatierung (z. B. korrekte Verwendung von
- Aktualisierte Dokumentation (z. B. BDEW-MIG, DVGW-Arbeitsblätter) mit Beispielen und Fehlerquellen.
Fazit
Die hierarchische Struktur der MP-ID-Zuordnung durch GS1, BDEW und DVGW führt zu einer komplexen Verantwortungsverteilung, die Fehleranfälligkeit in der Marktkommunikation erhöht. Während GS1 für internationale Standardisierung sorgt, sind BDEW und DVGW für branchenspezifische Prozesse zuständig – was zu Inkonsistenzen führen kann.
Kritische Fehlerquellen sind:
- Formatierungsfehler in EDIFACT-Nachrichten.
- Inkonsistente Datenhaltung zwischen Marktpartnern.
- Unklare Verantwortung bei der ID-Vergabe und -Validierung.
Lösungsansätze wie eine zentrale Validierungsplattform, automatisierte Plausibilitätsprüfungen und klare Verantwortungszuweisungen können die Fehleranfälligkeit deutlich reduzieren. Eine engere Zusammenarbeit zwischen GS1, BDEW und DVGW ist dabei essenziell, um die Effizienz und Zuverlässigkeit der Marktkommunikation langfristig zu verbessern.