Willi Mako
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MSCONS-Prüfroutinen: Flexibilität vs. Fehleranfälligkeit im EDI

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Einfluss exklusiver MSCONS-Prüfroutinen auf Flexibilität und Fehleranfälligkeit in der Marktkommunikation

1. Auswirkungen auf die Flexibilität des Validierungsprozesses

Die exklusive Bindung von Prüfroutinen an den MSCONS-Eingang (gemäß UN/EDIFACT-Standard für Marktkommunikation in der Energiewirtschaft) führt zu einer starren Prozessarchitektur, die folgende Einschränkungen mit sich bringt:

  • Medienbruchrisiko bei alternativen Datenquellen Da Prüfungen nur für MSCONS-Nachrichten vorgesehen sind, müssen andere Eingangsformate (z. B. CSV, XML, manuelle Eingaben) entweder vorab konvertiert oder durch separate, oft manuelle Prozesse validiert werden. Dies erhöht den Aufwand und schafft Redundanzen, da dieselben Prüfkriterien mehrfach implementiert werden müssen.

  • Abhängigkeit von EDIFACT-Strukturen MSCONS folgt einem festen Schema, das nicht alle Use Cases der Marktkommunikation abdeckt (z. B. komplexe Netzanschlussprozesse oder Lieferantenwechsel mit individuellen Vertragskonstellationen). Flexible Anpassungen an neue regulatorische Anforderungen (z. B. MaKo 2020/2021) erfordern daher Erweiterungen des Standards oder zusätzliche Workarounds, was die Wartbarkeit erschwert.

  • Eingeschränkte Skalierbarkeit Bei steigendem Datenvolumen oder neuen Marktteilnehmern (z. B. Aggregatoren, Prosumer) kann die exklusive MSCONS-Bindung zu Engpässen führen, da alternative Kommunikationswege (z. B. API-basierte Schnittstellen) nicht direkt in die Validierung eingebunden sind.


2. Erhöhte Fehleranfälligkeit durch Prozesskonzentration

Die Fokussierung auf MSCONS als alleinigen Validierungseingang birgt systematische Risiken:

  • Single Point of Failure Fehler in der MSCONS-Verarbeitung (z. B. Formatabweichungen, fehlende Pflichtfelder) können den gesamten Validierungsprozess blockieren, da keine Fallback-Mechanismen existieren. Dies betrifft insbesondere:

    • Lieferantenwechsel: Unvollständige MSCONS-Nachrichten (z. B. fehlende Zählpunktbezeichnungen) führen zu manuellen Nachbearbeitungen.
    • Netzanschlussprozesse: Technische Daten (z. B. Anschlussleistung) müssen oft außerhalb von MSCONS übermittelt werden, was zu Dateninkonsistenzen führt.
  • Fehlende Plausibilitätsprüfungen über Systemgrenzen hinweg MSCONS-Prüfungen beschränken sich auf formale Kriterien (z. B. Syntax, Pflichtfelder). Inhalte wie vertragliche Plausibilitäten (z. B. Abgleich mit Stammdaten) oder technische Validierungen (z. B. Netzverträglichkeit) erfordern zusätzliche Prozesse, die nicht automatisiert mit MSCONS verknüpft sind. Dies erhöht das Risiko von Falschmeldungen oder Nachbesserungsbedarf.

  • Manuelle Eingriffe als Folge Da nicht alle relevanten Daten in MSCONS abgebildet werden können, sind manuelle Korrekturen oder Nachforderungen häufig. Dies verzögert Prozesse (z. B. Lieferantenwechsel) und erhöht die Fehlerquote durch menschliche Eingriffe.


3. Prozessuale und regulatorische Trade-offs

Die exklusive MSCONS-Bindung führt zu Zielkonflikten zwischen Standardisierung und Flexibilität, die sich in folgenden Bereichen manifestieren:

a) Lieferantenwechsel (Supplier Switching)

  • Regulatorische Vorgaben: Die StromNZV und GasNZV fordern eine maximale Bearbeitungsdauer von 3 Wochen für Lieferantenwechsel. Die MSCONS-Exklusivität kann dies gefährden, wenn:
    • Nicht-MSCONS-Daten (z. B. Vertragsdetails) separat validiert werden müssen.
    • Fehlerhafte MSCONS-Nachrichten zu Rückfragen führen, die den Prozess verzögern.
  • Prozessuale Nachteile:
    • Doppelte Datenhaltung: Stammdaten (z. B. Zählpunktdaten) müssen sowohl in MSCONS als auch in anderen Systemen (z. B. CRM) gepflegt werden, was zu Synchronisationsfehlern führt.
    • Fehlende Echtzeitvalidierung: MSCONS wird oft batchweise verarbeitet, während Lieferantenwechsel teilweise ad-hoc erfolgen müssen (z. B. bei Insolvenz eines Lieferanten).

b) Netzanschlussprozesse

  • Regulatorische Vorgaben: Die NAV (Niederspannungsanschlussverordnung) und NDAV (Niederdruckanschlussverordnung) verlangen eine technische Prüfung der Anschlusskapazität. Diese Daten sind jedoch nicht vollständig in MSCONS abbildbar, da:
    • Technische Spezifikationen (z. B. Lastprofile, Spannungsebenen) oft in separaten Dokumenten (PDF, CAD) übermittelt werden.
    • Dynamische Netzsimulationen (z. B. für EEG-Anlagen) erfordern Echtzeitdaten, die MSCONS nicht liefern kann.
  • Prozessuale Nachteile:
    • Medienbrüche: Technische Unterlagen müssen manuell mit MSCONS-Daten abgeglichen werden, was zu Verzögerungen und Fehlinterpretationen führt.
    • Fehlende Automatisierung: Da MSCONS keine technischen Plausibilitätsprüfungen unterstützt, müssen diese extern durchgeführt werden, was den Prozess langsamer und fehleranfälliger macht.

4. Mögliche Lösungsansätze und Abwägungen

Um die Nachteile der MSCONS-Exklusivität zu mildern, könnten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Ansatz Vorteile Nachteile / Trade-offs
Erweiterung des MSCONS-Standards (z. B. durch zusätzliche Segmente) Höhere Datenabdeckung, weniger Medienbrüche Hoher Abstimmungsaufwand mit Marktpartnern
Hybride Validierung (MSCONS + API/Schnittstellen) Flexiblere Datenaufnahme, Echtzeitprüfung Komplexere Systemarchitektur, höhere Kosten
Automatisierte Konvertierung (z. B. CSV → MSCONS) Nutzung bestehender Prüfroutinen Zusätzlicher Transformationsaufwand
Regulatorische Klarstellung (z. B. Definition zulässiger Formate) Rechtssicherheit, weniger Interpretationsspielraum Langwieriger Prozess, mögliche Überregulierung

Fazit

Die exklusive Bindung von Prüfroutinen an MSCONS optimiert die Standardisierung, geht jedoch mit erheblichen Flexibilitätseinbußen und erhöhter Fehleranfälligkeit einher. Besonders in dynamischen Prozessen wie Lieferantenwechseln oder Netzanschlüssen führt dies zu manuellen Nacharbeiten, Verzögerungen und regulatorischen Risiken.

Eine pragmatische Lösung könnte in einer schrittweisen Öffnung der Validierungsprozesse für alternative Datenquellen (z. B. APIs) liegen, kombiniert mit automatisierten Plausibilitätsprüfungen, die über MSCONS hinausgehen. Gleichzeitig sollte geprüft werden, ob der MSCONS-Standard selbst erweitert werden kann, um aktuelle Anforderungen (z. B. EEG-Integration, dynamische Lastmanagementdaten) abzubilden.

Empfehlung für Marktteilnehmer:

  • Prozessdokumentation: Klare Regelungen für den Umgang mit Nicht-MSCONS-Daten schaffen.
  • Automatisierung: Schnittstellen zu anderen Systemen (z. B. GIS, CRM) aufbauen, um Medienbrüche zu reduzieren.
  • Monitoring: Fehlerquoten in MSCONS- und Nicht-MSCONS-Prozessen analysieren, um Schwachstellen zu identifizieren.