Willi Mako
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Neue Marktprozesse 2025: Rollen & Abhängigkeiten im Wandel

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Veränderung der Rollenverteilung und prozessuale Abhängigkeiten durch die Einführung neuer Marktprozesse ab 2025

Mit der Einführung der neuen Marktprozesse ab 2025 (gemäß der Spezifikation 2025, Version 1.0, Abschnitt 2.4) kommt es zu einer grundlegenden Neuordnung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB). Diese Veränderungen zielen auf eine effizientere Abwicklung von Marktkommunikation, Datenaustausch und operativen Prozessen ab, werfen jedoch auch neue prozessuale Abhängigkeiten auf, die aktuell noch nicht vollständig synchronisiert sind.


1. Neue Rollenverteilung im Überblick

Netzbetreiber (NB)

Die Rolle des Netzbetreibers wird durch die neuen Prozesse stärker auf Koordination und Datenvalidierung fokussiert. Kernaufgaben umfassen:

  • Steuerung der Marktkommunikation: Der NB wird zur zentralen Instanz für die Synchronisation von Stamm- und Bewegungsdaten zwischen LF und MSB. Dies betrifft insbesondere die An- und Abmeldung von Zählpunkten, die bisher oft parallel und asynchron verliefen.
  • Qualitätssicherung der Messdaten: Der NB übernimmt eine erweiterte Plausibilitätsprüfung der vom MSB gelieferten Daten, bevor diese an den LF weitergeleitet werden. Dies soll Fehler in der Abrechnung reduzieren, erhöht jedoch den Prüfaufwand.
  • Netzzustandsmanagement: Durch die Integration von Echtzeitdaten (z. B. Lastgangdaten) in die Marktkommunikation wird der NB stärker in die operative Steuerung eingebunden, insbesondere bei der Netzstabilität.

Lieferanten (LF)

Die Lieferantenrolle wird datengetriebener und prozessabhängiger:

  • Verantwortung für die Datenkonsistenz: LF müssen sicherstellen, dass ihre Stammdaten (z. B. Vertragskonditionen, Tarifstrukturen) mit den vom NB und MSB bereitgestellten Informationen übereinstimmen. Inkonsistenzen führen zu manuellen Nachbearbeitungen.
  • Abrechnungsrelevante Daten: Die Abrechnung basiert künftig auf tagesgenauen Messwerten, die vom MSB bereitgestellt werden. LF müssen diese Daten in Echtzeit verarbeiten, was höhere Anforderungen an IT-Systeme und Schnittstellen stellt.
  • Kundenkommunikation: Durch die Beschleunigung der Prozesse (z. B. bei Lieferantenwechseln) müssen LF schneller auf Kundenanfragen reagieren, da Verzögerungen in der Datenweitergabe direkt zu Abrechnungsfehlern führen können.

Messstellenbetreiber (MSB)

Der MSB wird zur zentralen Datenquelle für alle Marktteilnehmer:

  • Datenbereitstellung und -qualität: Der MSB ist verantwortlich für die vollständige, korrekte und fristgerechte Übermittlung von Messwerten (inkl. Lastgängen, Statusmeldungen). Verspätungen oder Fehler wirken sich direkt auf NB und LF aus.
  • Schnittstellenmanagement: Die neuen Prozesse erfordern eine standardisierte Kommunikation (z. B. via EDIFACT oder AS4), was eine Anpassung der IT-Systeme notwendig macht. MSB müssen sicherstellen, dass ihre Systeme mit denen von NB und LF kompatibel sind.
  • Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys): Der MSB ist für die Installation und Wartung von iMSys zuständig, deren Daten künftig Grundlage für alle Marktprozesse sind. Verzögerungen im Rollout (z. B. durch Lieferengpässe) können zu Datenlücken führen.

2. Kritische prozessuale Abhängigkeiten und Synchronisationslücken

Die neuen Prozesse führen zu stärkeren Wechselwirkungen zwischen den Marktrollen, die heute noch nicht ausreichend abgestimmt sind. Folgende Abhängigkeiten sind besonders relevant:

a) Stammdatenmanagement (An- und Abmeldung von Zählpunkten)

  • Problem: Aktuell erfolgen An- und Abmeldungen von Zählpunkten oft asynchron zwischen LF, NB und MSB. Dies führt zu Inkonsistenzen (z. B. doppelte Meldungen, fehlende Daten).
  • Neue Abhängigkeit: Ab 2025 muss der NB als zentrale Instanz die Stammdaten vorab validieren, bevor sie an LF und MSB weitergeleitet werden. Verzögerungen bei der NB-Prüfung blockieren den gesamten Prozess.
  • Risiko: Fehlende Synchronisation kann zu Abrechnungsfehlern oder Vertragslücken führen, insbesondere bei Lieferantenwechseln.

b) Messdatenbereitstellung und -verarbeitung

  • Problem: Heute werden Messdaten oft monatlich oder quartalsweise übermittelt. Die neuen Prozesse sehen tagesgenaue Daten vor, was die Systeme von MSB, NB und LF stark belastet.
  • Neue Abhängigkeit: Der MSB muss Messdaten innerhalb von 24 Stunden bereitstellen, der NB muss diese prüfen, und der LF muss sie für die Abrechnung verarbeiten. Jede Verzögerung in dieser Kette führt zu Abrechnungsverzögerungen.
  • Risiko: Technische Störungen (z. B. bei der Datenübertragung) oder manuelle Nachbearbeitungen können zu Datenlücken führen, die nur schwer nachvollziehbar sind.

c) Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys)

  • Problem: Der flächendeckende Einbau von iMSys verzögert sich in vielen Netzgebieten. Ohne iMSys können die neuen Prozesse (z. B. Echtzeitdaten) nicht umgesetzt werden.
  • Neue Abhängigkeit: Der MSB ist für den Rollout verantwortlich, aber der NB muss die Netzintegration sicherstellen, und der LF ist auf die Daten angewiesen. Verzögerungen beim MSB wirken sich auf alle Marktteilnehmer aus.
  • Risiko: In Gebieten mit analogen Zählern müssen Übergangslösungen gefunden werden, was zu Dateninkonsistenzen führen kann.

d) Fehlerbehandlung und Eskalationsprozesse

  • Problem: Aktuell gibt es keine standardisierten Eskalationswege bei Datenfehlern. Jeder Marktteilnehmer bearbeitet Fehler individuell, was zu Doppelarbeit führt.
  • Neue Abhängigkeit: Ab 2025 müssen Fehler innerhalb von 48 Stunden behoben werden, um Abrechnungsverzögerungen zu vermeiden. Dafür sind automatisierte Fehlererkennungssysteme und klare Verantwortlichkeiten notwendig.
  • Risiko: Fehlende Synchronisation bei der Fehlerbehebung kann zu Abrechnungskorrekturen führen, die für Endkunden intransparent sind.

3. Handlungsbedarf zur Synchronisation der Prozesse

Um die neuen Marktprozesse reibungslos umzusetzen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

  1. Standardisierung der Schnittstellen

    • Einheitliche Datenformate (z. B. EDIFACT, AS4) und automatisierte Plausibilitätsprüfungen müssen flächendeckend eingeführt werden.
    • Testumgebungen für die Simulation von Prozessketten (z. B. Anmeldung → Messdaten → Abrechnung) sind notwendig.
  2. Beschleunigung des iMSys-Rollouts

    • Klare Zeitpläne und Verantwortlichkeiten für den Einbau intelligenter Messsysteme müssen definiert werden.
    • Übergangslösungen für Gebiete mit analogen Zählern (z. B. manuelle Datenerfassung) müssen erarbeitet werden.
  3. Eskalationsmanagement und Fehlerbehebung

    • Automatisierte Fehlererkennung (z. B. durch KI-gestützte Systeme) muss eingeführt werden.
    • Klare Eskalationswege (z. B. bei Datenlücken) und SLA-Vereinbarungen zwischen NB, LF und MSB sind notwendig.
  4. Schulung und Prozessdokumentation

    • Alle Marktteilnehmer müssen in den neuen Prozessen geschult werden.
    • Eine zentrale Dokumentation der Abläufe (z. B. in Form eines Prozesshandbuchs) ist erforderlich.

Fazit

Die neuen Marktprozesse ab 2025 führen zu einer stärkeren Verzahnung der Rollen von Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern. Während dies Effizienzgewinne verspricht, entstehen neue prozessuale Abhängigkeiten, die heute noch nicht ausreichend synchronisiert sind. Besonders kritisch sind:

  • Die Stammdatenvalidierung durch den NB,
  • Die Echtzeit-Datenbereitstellung durch den MSB,
  • Der Rollout intelligenter Messsysteme und
  • Die Fehlerbehandlung zwischen den Marktteilnehmern.

Ohne standardisierte Schnittstellen, automatisierte Prozesse und klare Verantwortlichkeiten besteht das Risiko von Abrechnungsfehlern, Verzögerungen und Kundenunzufriedenheit. Eine frühzeitige Abstimmung zwischen allen Beteiligten ist daher essenziell.