Willi Mako
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Neue Marktprozesse 2025: Rollen & Digitalisierung in der Energiewirtschaft

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Information zur Neuordnung der Marktprozesse ab 2025: Rollenverteilung und prozessuale Abhängigkeiten

1. Hintergrund und Zielsetzung Ab 2025 treten neue regulatorische Vorgaben und Marktprozesse in Kraft, die eine grundlegende Anpassung der Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB) erfordern. Die Änderungen zielen auf eine Digitalisierung der Energiewirtschaft, eine beschleunigte Abwicklung von Marktprozessen und eine stärkere Integration dezentraler Erzeugungsanlagen ab. Kernelemente sind die Einführung des „Marktkommunikationsprozesses 2025“ (MaKo 2025) sowie die Umsetzung der „Beschleunigungsrichtlinie“ (EU 2019/944) und des „Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende“.

Die Neuordnung soll Medienbrüche reduzieren, Prozesslaufzeiten verkürzen und Datenqualität verbessern. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Schnittstellen und Abhängigkeiten, die heute noch nicht vollständig synchronisiert sind.


2. Veränderung der Rollenverteilung

2.1 Netzbetreiber (NB)

Die Rolle des Netzbetreibers wird stärker prozessual und datengetrieben:

  • Verantwortung für die Netzsteuerung: Der NB muss künftig Echtzeitdaten aus intelligenten Messsystemen (iMSys) verarbeiten, um Netzengpässe zu managen. Dies erfordert eine engere Verzahnung mit dem MSB, der die Messdaten liefert.
  • Marktkommunikation als zentrale Instanz: Der NB übernimmt die Koordination der Marktprozesse (z. B. Lieferantenwechsel, Zählerstandsübermittlung) und fungiert als „Single Point of Truth“ für Stamm- und Bewegungsdaten.
  • Erweiterte Meldepflichten: Neue Berichtspflichten gegenüber der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu Netzzuständen, Flexibilitätsangeboten und Redispatch-Maßnahmen erfordern eine automatisierte Datenaufbereitung.

2.2 Lieferanten (LF)

Die Lieferantenrolle wird flexibler, aber auch komplexer:

  • Direkter Zugriff auf Messdaten: Durch die Abschaffung der „Lieferantenrahmenverträge“ (ab 2025) erhalten LF unmittelbaren Zugriff auf Verbrauchsdaten via iMSys. Dies ermöglicht dynamische Tarife, erfordert aber neue IT-Schnittstellen zum MSB.
  • Verantwortung für Bilanzkreisabrechnung: LF müssen tagesgenaue Verbrauchsdaten (statt bisher monatlicher Schätzungen) verarbeiten, um Bilanzkreisabweichungen zu minimieren. Dies setzt eine nahtlose Integration der MSB-Daten voraus.
  • Proaktive Kundenkommunikation: Durch variable Tarife und Flexibilitätsmärkte müssen LF Kunden Echtzeit-Informationen bereitstellen (z. B. über Strompreisschwankungen). Hierfür sind neue Kommunikationsprozesse mit NB und MSB nötig.

2.3 Messstellenbetreiber (MSB)

Der MSB wird zur zentralen Datendrehscheibe, verliert aber teilweise seine exklusive Hoheit über Messdaten:

  • Pflicht zur Datenbereitstellung: MSB müssen standardisierte Schnittstellen (z. B. CIM-basierte APIs) bereitstellen, um NB und LF direkten Zugriff auf Messwerte zu ermöglichen. Dies erfordert hohe IT-Investitionen in Interoperabilität.
  • Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys): Bis 2032 müssen alle Zähler mit iMSys ausgestattet sein. Der MSB ist für Installation, Betrieb und Wartung verantwortlich, muss aber Netz- und Lieferantenanforderungen priorisieren.
  • Neue Dienstleistungen: MSB können zusätzliche Services anbieten (z. B. Datenaggregation für Flexibilitätsmärkte), stehen aber in Wettbewerb mit NB und LF, die eigene Lösungen entwickeln.

3. Prozessuale Abhängigkeiten und Synchronisierungslücken

Die neuen Prozesse führen zu vernetzten Abhängigkeiten, die heute noch nicht ausreichend harmonisiert sind:

3.1 Datenfluss und Schnittstellen

  • Fehlende Standardisierung der APIs: Obwohl CIM (Common Information Model) als Standard gilt, existieren unterschiedliche Implementierungen bei NB, LF und MSB. Dies führt zu Dateninkonsistenzen (z. B. bei Zählerständen oder Stammdaten).
  • Echtzeitanforderungen vs. Batch-Verarbeitung: Während NB und LF tagesaktuelle Daten benötigen, arbeiten viele MSB noch mit täglichen oder wöchentlichen Batch-Lieferungen. Dies führt zu Verzögerungen in der Bilanzkreisabrechnung.
  • Datenqualität und Plausibilisierung: Fehlerhafte Messdaten (z. B. durch defekte Zähler) müssen automatisiert erkannt und korrigiert werden. Bisher fehlen einheitliche Plausibilisierungsregeln zwischen den Marktpartnern.

3.2 Prozessuale Engpässe

  • Lieferantenwechsel: Der Prozess soll von heute 3 Wochen auf 24 Stunden verkürzt werden. Dies erfordert automatisierte Stammdatenabgleiche zwischen NB, LF und MSB, die heute oft manuell erfolgen.
  • Zählerstandsübermittlung: Bei analogen Zählern (die bis 2032 noch existieren) müssen Schätzwerte mit iMSys-Daten synchronisiert werden. Hier fehlen klare Verantwortlichkeiten für die Datenvalidierung.
  • Flexibilitätsmärkte: Die Integration von Prosumern und Speichern erfordert neue Prozesse (z. B. Einspeisemanagement, Redispatch 2.0). Bisher sind NB, LF und MSB nicht ausreichend auf die Echtzeit-Steuerung vorbereitet.

3.3 Regulatorische und technische Herausforderungen

  • Datenschutz (DSGVO): Die Weitergabe von Verbrauchsdaten an LF und NB muss datenschutzkonform erfolgen. Bisher gibt es keine einheitliche Lösung für die Anonymisierung von Lastprofilen.
  • Cybersicherheit: Durch die Vernetzung der Systeme steigt das Angriffsrisiko. Die BNetzA fordert höhere Sicherheitsstandards, die viele Marktteilnehmer noch nicht umgesetzt haben.
  • Kostenverteilung: Die Investitionen in IT und Infrastruktur (z. B. für iMSys-Rollout) müssen gerecht auf NB, LF und MSB verteilt werden. Bisher gibt es keine verbindlichen Regelungen.

4. Handlungsempfehlungen für Marktteilnehmer Um die Prozesssynchronisation zu verbessern, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Akteur Empfehlung
Netzbetreiber - Automatisierung der Marktkommunikation (z. B. durch MaKo 2025-konforme IT-Systeme).
- Echtzeit-Datenintegration mit MSB und LF.
- Schulungen für Mitarbeiter zu neuen Prozessen.
Lieferanten - Anpassung der Abrechnungssysteme an tagesgenaue Verbrauchsdaten.
- Entwicklung dynamischer Tarifmodelle in Zusammenarbeit mit MSB.
- Testphase für neue Schnittstellen vor 2025.
Messstellenbetreiber - Beschleunigung des iMSys-Rollouts mit Fokus auf Interoperabilität.
- Standardisierung der Datenformate (CIM, EDIFACT).
- Investitionen in Cybersicherheit (z. B. BSI-konforme Verschlüsselung).
Regulator (BNetzA) - Verbindliche Vorgaben für API-Standards und Datenqualität.
- Klärung der Kostenverteilung für IT-Anpassungen.
- Monitoring der Prozessumsetzung mit Sanktionsmöglichkeiten.

5. Fazit Die Neuordnung der Marktprozesse ab 2025 führt zu einer stärkeren Vernetzung von NB, LF und MSB, birgt aber erhebliche Synchronisierungsrisiken. Während die Digitalisierung Effizienzgewinne verspricht, sind technische, prozessuale und regulatorische Hürden noch nicht vollständig überwunden. Eine frühzeitige Zusammenarbeit der Marktpartner sowie klare Vorgaben der BNetzA sind entscheidend, um Prozessstörungen und Kostenexplosionen zu vermeiden.

Weiterführende Informationen:

Stand: Version 1.0 (2024)