Einfluss der Zuverlässigkeit der Objektidentifikation durch Geschäftsvorfall-Codes auf Marktkommunikationsprozesse in der Energiewirtschaft
1. Bedeutung der Objektidentifikation in der Marktkommunikation
Die Energiewirtschaft ist durch hochgradig standardisierte und automatisierte Prozesse geprägt, in denen Geschäftsvorfälle (z. B. Lieferantenwechsel, Zählerstandsübermittlung oder Netznutzungsabrechnung) über elektronische Nachrichten (z. B. EDIFACT, MSCONS, UTILMD) abgewickelt werden. Die korrekte Identifikation des betroffenen Objekts – etwa eines Zählpunkts (Marktlokation), eines Zählers oder eines Netzanschlusses – ist dabei essenziell. Geschäftsvorfall-Codes (z. B. E01 für Lieferbeginn, E04 für Zählerstandsübermittlung) dienen als Schlüssel zur Zuordnung der Nachricht zum richtigen Objekt im Zielsystem.
Eine unzuverlässige oder fehlerhafte Identifikation führt zu:
- Prozessverzögerungen: Manuelle Nachbearbeitung durch fehlende oder falsche Zuordnungen.
- Dateninkonsistenzen: Doppelte oder fehlende Datensätze in den Systemen der Marktteilnehmer (Lieferanten, Netzbetreiber, Messstellenbetreiber).
- Erhöhte Fehleranfälligkeit: Automatisierte Plausibilitätsprüfungen scheitern, was zu Rückweisungen oder Falschbuchungen führt.
- Kostensteigerungen: Korrekturaufwände, Mahnverfahren oder regulatorische Strafen bei Nichteinhaltung von Fristen (z. B. nach § 55 EnWG).
Studien (z. B. der Bundesnetzagentur) zeigen, dass bis zu 15 % der Marktkommunikationsfehler auf unklare oder fehlerhafte Objektidentifikationen zurückgehen. Besonders kritisch sind dabei:
- Mehrdeutige Codes: Wenn ein Geschäftsvorfall-Code nicht eindeutig einem Objekt zugeordnet werden kann (z. B. bei fehlender Marktlokations-ID).
- Systembrüche: Unterschiedliche Datenformate oder veraltete Referenztabellen in den IT-Systemen der Marktteilnehmer.
- Menschliche Fehler: Manuelle Eingaben bei der Code-Zuordnung (z. B. in Excel-Listen oder ERP-Systemen).
2. Regulatorische und prozessuale Hebel zur Risikominimierung
Um die Abhängigkeit von der Zuverlässigkeit der Objektidentifikation zu reduzieren, existieren sowohl regulatorische Vorgaben als auch prozessuale Optimierungsansätze:
A. Regulatorische Maßnahmen
Standardisierung der Identifikatoren
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben mit dem „Marktprozessmodell Strom“ (MPM) und der „Marktlokations-ID“ (MaLo-ID) verbindliche Standards eingeführt.
- Seit 2021 ist die MaLo-ID für alle Marktteilnehmer verpflichtend (§ 14a EnWG, GPKE). Sie dient als eindeutiger Schlüssel für Zählpunkte und ersetzt ältere, fehleranfällige Identifikatoren (z. B. Zählernummern).
- Wirkung: Reduzierung von Fehlzuordnungen durch einheitliche, maschinenlesbare IDs.
Verpflichtende Plausibilitätsprüfungen
- Die GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) und GeLi Gas schreiben vor, dass Nachrichten vor der Verarbeitung auf formale und inhaltliche Korrektheit geprüft werden müssen.
- Beispiel: Ein Geschäftsvorfall-Code E01 (Lieferbeginn) muss zwingend mit einer gültigen MaLo-ID verknüpft sein. Fehlt diese, wird die Nachricht automatisch zurückgewiesen.
- Wirkung: Frühzeitige Erkennung von Fehlern, bevor sie zu Prozessstörungen führen.
Monitoring und Reporting
- Die BNetzA überwacht die Qualität der Marktkommunikation durch regelmäßige Auswertungen (z. B. Fehlerquoten bei Nachrichten).
- Marktteilnehmer müssen Fehlerstatistiken vorlegen und bei wiederholten Verstößen mit Bußgeldern rechnen (§ 95 EnWG).
- Wirkung: Anreiz zur kontinuierlichen Verbesserung der Datenqualität.
B. Prozessuale Optimierungsansätze
Automatisierte Datenvalidierung
- Einsatz von Middleware-Lösungen (z. B. EDI-Konverter), die Nachrichten vor der Weiterleitung auf Konsistenz prüfen.
- Beispiel: Ein System prüft, ob die im Geschäftsvorfall-Code referenzierte MaLo-ID im Zielsystem existiert.
- Wirkung: Reduzierung manueller Nacharbeiten um bis zu 30 %.
Zentrale Referenzdatenbanken
- Nutzung von Master-Data-Management-Systemen (MDM), die alle relevanten Objektidentifikatoren (MaLo-ID, Zählernummer, Netzanschluss-ID) zentral verwalten.
- Beispiel: Die „Marktstammdatenregister“ (MaStR) der BNetzA dient als offizielle Quelle für Stammdaten.
- Wirkung: Vermeidung von Inkonsistenzen durch dezentrale Datenhaltung.
Schulung und Qualitätsmanagement
- Regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter in den Marktprozessen und den verwendeten Codes.
- Einführung von Qualitätszirkeln, in denen typische Fehlerquellen analysiert und behoben werden.
- Wirkung: Senkung der Fehlerquote durch bessere Prozesskenntnis.
Fallback-Mechanismen
- Definition von Notfallprozessen für den Fall, dass eine Objektidentifikation fehlschlägt (z. B. manuelle Zuordnung mit anschließender Korrektur).
- Beispiel: Bei einer nicht zuordenbaren MaLo-ID wird die Nachricht an einen Sachbearbeiter weitergeleitet, der die ID manuell recherchiert.
- Wirkung: Vermeidung von Prozessabbrüchen, aber mit höherem Aufwand.
3. Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Zuverlässigkeit der Objektidentifikation durch Geschäftsvorfall-Codes ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die Effizienz der Marktkommunikation in der Energiewirtschaft. Fehler in diesem Bereich führen zu Kostensteigerungen, Compliance-Risiken und Kundenunzufriedenheit.
Empfehlungen für Marktteilnehmer:
- Umsetzung regulatorischer Vorgaben: Vollständige Integration der MaLo-ID und Einhaltung der GPKE/GeLi-Gas-Standards.
- Investition in IT-Infrastruktur: Automatisierte Validierungstools und MDM-Systeme einführen.
- Prozessoptimierung: Schulungen durchführen und Qualitätsmanagement etablieren.
- Monitoring und kontinuierliche Verbesserung: Fehlerquoten analysieren und Gegenmaßnahmen ableiten.
Durch diese Maßnahmen lässt sich die Abhängigkeit von der manuellen Code-Zuordnung reduzieren und die Robustheit der Marktkommunikation nachhaltig erhöhen.