Verantwortungsverteilung und prozessuale Risiken bei der Gestaltung von Prüfschablonen im Abwicklungsprozess
1. Die Prüfschablone als Steuerungsinstrument und ihre Auswirkungen auf die Verantwortungsverteilung
Die Prüfschablone dient als zentrales Regelwerk für die Abwicklung von Geschäftsvorfällen zwischen Sender und Empfänger. Sie definiert formale und inhaltliche Prüfkriterien, anhand derer der Empfänger die Konformität eingehender Daten oder Dokumente mit vorab vereinbarten Standards (z. B. AHB – Allgemeine Handelsbedingungen, regulatorische Vorgaben oder branchenspezifische Anforderungen) überprüft. Die Gestaltung dieser Schablone hat direkte Auswirkungen auf die Verantwortungsverteilung im Prozess:
1.1 Verantwortung des Senders
Der Sender ist primär dafür verantwortlich, die in der Prüfschablone festgelegten Anforderungen zu erfüllen. Dazu gehören:
- Datenqualität und Vollständigkeit: Die übermittelten Informationen müssen den definierten Formaten, Feldlängen, Codierungen und Plausibilitätsregeln entsprechen.
- Regulatorische Compliance: Der Sender muss sicherstellen, dass seine Daten oder Dokumente aktuellen gesetzlichen oder vertraglichen Vorgaben genügen (z. B. MaRisk, DSGVO, branchenspezifische Richtlinien).
- Prozessdisziplin: Abweichungen von der Schablone (z. B. manuelle Nachbesserungen) sind zu dokumentieren und zu begründen, sofern sie nicht durch Ausnahmeregelungen gedeckt sind.
Die Prüfschablone fungiert hier als objektiver Maßstab: Werden die Kriterien nicht erfüllt, liegt die Ursache zunächst beim Sender. Allerdings kann eine unklare oder übermäßig komplexe Schablone die Verantwortung verschieben, wenn sie z. B. interpretationsbedürftige oder widersprüchliche Vorgaben enthält.
1.2 Verantwortung des Empfängers
Der Empfänger trägt die Verantwortung für:
- Korrekte Anwendung der Schablone: Die Prüfung muss gemäß den definierten Regeln erfolgen. Automatisierte Systeme (z. B. Validierungssoftware) müssen fehlerfrei konfiguriert sein.
- Risikobasierte Prüfungstiefe: Nicht alle Abweichungen sind gleich kritisch. Der Empfänger muss priorisieren, welche Fehler zu einer Ablehnung führen und welche toleriert oder eskaliert werden (z. B. durch manuelle Freigabe).
- Kommunikation von Fehlern: Abweichungen sind dem Sender klar und nachvollziehbar zu melden, idealerweise mit konkreten Handlungsanweisungen zur Korrektur.
Eine zu starre oder unflexible Schablone kann hier zu ineffizienten Prozessen führen, wenn z. B. geringfügige Formalfehler zu aufwendigen Nachbearbeitungen führen, obwohl sie keine inhaltliche Relevanz haben.
1.3 Schnittstellenverantwortung
Die Prüfschablone schafft eine klare Trennlinie zwischen den Verantwortungsbereichen:
- Vor der Prüfung: Verantwortung liegt beim Sender.
- Nach der Prüfung: Verantwortung geht auf den Empfänger über, sofern die Daten die Schablone passieren. Der Empfänger übernimmt damit die Haftung für die weitere Verarbeitung (z. B. bei fehlerhafter Freigabe trotz erkennbarer Mängel).
Diese Trennung ist jedoch nur wirksam, wenn die Schablone:
- eindeutig ist (keine Mehrdeutigkeiten),
- vollständig ist (alle relevanten Prüfkriterien abdeckt) und
- aktuell ist (regulatorische oder marktliche Änderungen berücksichtigt).
2. Prozessuale Risiken bei nicht synchronisierter Aktualisierung der Prüfschablone
Eine Prüfschablone, die nicht zeitnah an regulatorische, vertragliche oder marktliche Änderungen angepasst wird, birgt erhebliche Risiken für den Abwicklungsprozess. Diese lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
2.1 Compliance-Risiken
- Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben: Wenn die Schablone veraltete Prüfkriterien enthält (z. B. nicht mehr gültige Meldepflichten nach § 25a KWG oder MiFID II), kann der Empfänger fehlerhafte Daten akzeptieren, die gegen aktuelle Vorschriften verstoßen. Dies kann zu:
- Bußgeldern oder Sanktionen durch Aufsichtsbehörden (z. B. BaFin, EZB),
- Reputationsschäden oder
- rechtlichen Konsequenzen (z. B. Schadensersatzforderungen) führen.
- Vertragsverletzungen: Werden in der Schablone nicht mehr gültige AHB-Klauseln referenziert, kann dies zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Transaktionen führen.
2.2 Operative Risiken
- Fehlerhafte Datenverarbeitung: Veraltete Schablonen können dazu führen, dass:
- falsche Daten akzeptiert werden (z. B. wenn neue Pflichtfelder nicht geprüft werden),
- korrekte Daten abgelehnt werden (z. B. wenn alte Formate nicht mehr unterstützt werden),
- manuelle Nacharbeiten zunehmen, da automatisierte Prüfungen ins Leere laufen.
- Prozessineffizienzen: Zeitaufwendige Eskalationen und manuelle Korrekturen belasten die Ressourcen beider Parteien. Im schlimmsten Fall kommt es zu Verzögerungen in der Abwicklung (z. B. bei Zahlungsverkehr oder Lieferketten).
- Systembrüche: Wenn die Schablone nicht mit den IT-Systemen synchronisiert ist (z. B. bei Änderungen in Schnittstellenformaten wie ISO 20022), können Datenübertragungen scheitern oder falsch interpretiert werden.
2.3 Strategische Risiken
- Wettbewerbsnachteile: Eine veraltete Schablone kann die Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen behindern. Beispiel:
- Neue Produktvarianten (z. B. ESG-konforme Finanzinstrumente) werden nicht erkannt, weil die Schablone keine entsprechenden Prüfkriterien enthält.
- Automatisierte Prozesse (z. B. Straight-Through Processing) scheitern, weil die Schablone keine neuen Datenformate unterstützt.
- Vertrauensverlust: Wiederkehrende Fehler aufgrund veralteter Prüfregeln untergraben das Vertrauen zwischen Sender und Empfänger. Dies kann zu:
- höheren Transaktionskosten (z. B. durch zusätzliche manuelle Kontrollen),
- einer Abwanderung von Geschäftspartnern oder
- langfristigen Reputationsschäden führen.
3. Maßnahmen zur Risikominimierung
Um die genannten Risiken zu vermeiden, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
3.1 Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Schablone
- Festlegung von Review-Zyklen: Die Schablone sollte mindestens quartalsweise (bei hoher regulatorischer Dynamik ggf. monatlich) auf Aktualität geprüft werden.
- Einbindung aller Stakeholder: Anpassungen sollten in Abstimmung mit:
- der Rechtsabteilung (regulatorische Änderungen),
- der IT (technische Umsetzbarkeit),
- den Fachbereichen (praktische Relevanz) und
- externen Partnern (z. B. Verbände, Standardisierungsgremien) erfolgen.
- Dokumentation von Änderungen: Jede Anpassung ist zu versionieren und mit Begründung sowie Gültigkeitsdatum zu versehen.
3.2 Automatisierte Synchronisation mit externen Quellen
- Anbindung an regulatorische Datenbanken: Tools wie die BaFin-Meldungen oder EU-Verordnungen können automatisiert auf Änderungen überwacht werden.
- Nutzung von Standardformaten: Branchenstandards (z. B. SWIFT, ISO-Normen) sollten bevorzugt werden, um Anpassungsaufwände zu reduzieren.
3.3 Klare Eskalations- und Ausnahmeregelungen
- Definition von Toleranzgrenzen: Nicht alle Abweichungen müssen zu einer Ablehnung führen. Kritische und unkritische Fehler sollten klassifiziert werden.
- Manuelle Freigabeprozesse: Für Sonderfälle (z. B. einmalige Abweichungen) sollten dokumentierte Ausnahmeregelungen existieren.
- Transparente Kommunikation: Sender und Empfänger müssen über Änderungen der Schablone zeitnah informiert werden, idealerweise über ein zentrales Portal oder automatisierte Benachrichtigungen.
3.4 Test- und Validierungsprozesse
- Pilotphasen vor Inkrafttreten: Neue Schablonenversionen sollten zunächst in einer Testumgebung erprobt werden, um unerwartete Auswirkungen zu identifizieren.
- Rückfalloptionen: Bei Fehlfunktionen muss eine schnelle Rückkehr zur vorherigen Version möglich sein.
4. Fazit
Die Prüfschablone ist ein zentrales Steuerungsinstrument, das die Verantwortungsverteilung zwischen Sender und Empfänger klar regelt – vorausgesetzt, sie ist präzise, aktuell und praxistauglich gestaltet. Eine nicht synchronisierte Schablone führt zu Compliance-Verstößen, operativen Ineffizienzen und strategischen Nachteilen. Um diese Risiken zu minimieren, sind regelmäßige Aktualisierungen, automatisierte Überwachungsmechanismen und klare Kommunikationsprozesse unerlässlich. Die Verantwortung für die Pflege der Schablone sollte dabei klar einer zentralen Stelle (z. B. einem Prozessverantwortlichen oder einem Gremium) zugeordnet werden, um Konsistenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.