Willi Mako
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Push-MEP im BDEW AS4: Flexibilität & Skalierbarkeit optimieren

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Einfluss des Push-basierten Message Exchange Patterns (MEP) im BDEW AS4-Profil auf operative Flexibilität und Skalierbarkeit

1. Operative Flexibilität im Push-basierten MEP

Das Push-basierte Message Exchange Pattern (MEP) im BDEW AS4-Profil definiert, dass der sendende Message Service Handler (MSH) die Übertragung initiiert. Dies hat folgende Auswirkungen auf die operative Flexibilität:

1.1 Vereinfachte Prozesssteuerung für etablierte Marktteilnehmer

  • Echtzeit-Übertragung: Da der Sender die Kommunikation anstößt, eignet sich das Push-Modell besonders für zeitkritische Prozesse, wie sie in der Energiewirtschaft (z. B. bei Lastgangdaten oder Netzsteuerungsnachrichten) vorkommen.
  • Standardisierte Abläufe: Die klare Rollenverteilung (Sender als HTTP-Client, Empfänger als HTTP-Server) reduziert Komplexität in der Implementierung und vereinfacht die Fehlerdiagnose.
  • Regulatorische Compliance: Das BDEW AS4-Profil schreibt das Push-MEP als verpflichtend vor, was eine einheitliche Umsetzung in der Marktkommunikation sicherstellt. Abweichungen wären nur mit zusätzlichem Aufwand möglich.

1.2 Einschränkungen bei dezentralen Akteuren und dynamischen Netzwerken

  • Feste IP-Adressen und Firewall-Regeln erforderlich: Da der Empfänger als HTTP-Server fungieren muss, sind statische IP-Adressen oder DNS-Einträge notwendig. Dies stellt eine Hürde für kleinere Marktteilnehmer (z. B. Betreiber von Erzeugungsanlagen oder Ladeinfrastruktur) dar, die oft über dynamische IP-Adressen verfügen.
  • Keine Unterstützung für eingehende Verbindungen: Einige Organisationen (z. B. mit strengen IT-Sicherheitsrichtlinien) blockieren eingehende Verbindungen aus dem Internet. In solchen Fällen ist ein Push-basierter Austausch nicht möglich, ohne zusätzliche Infrastruktur (z. B. Reverse-Proxys) einzurichten.
  • Fehlende Pull-Option als Risiko für zukünftige Anforderungen: Das BDEW AS4-Profil sieht keine verpflichtende Unterstützung für Pull-MEP vor, obwohl dies im CEF eDelivery AS4-Profil empfohlen wird. Dies könnte zu Problemen führen, wenn zukünftig dezentrale Akteure (z. B. Prosumer, Microgrids) in die Marktkommunikation eingebunden werden sollen.

2. Skalierbarkeit im Push-basierten MEP

2.1 Vorteile für zentrale Marktakteure

  • Lastverteilung auf Sender-Seite: Da der sendende MSH die Übertragung initiiert, kann die Last besser gesteuert werden (z. B. durch Batch-Verarbeitung oder Priorisierung von Nachrichten).
  • Einfache Skalierung bei bekannten Partnern: Bei einer begrenzten Anzahl von Geschäftspartnern mit stabilen Netzwerkinfrastrukturen ist das Push-Modell effizient, da keine zusätzlichen Abfragezyklen (wie beim Pull) erforderlich sind.

2.2 Herausforderungen bei wachsender Teilnehmerzahl und dezentralen Strukturen

  • Skalierungsprobleme bei vielen Empfängern: Wenn ein Sender Nachrichten an eine große Anzahl von Empfängern senden muss (z. B. bei der Abrechnung von Millionen von Zählpunkten), kann dies zu Engpässen führen, da jeder Empfänger eine separate Verbindung aufbauen muss.
  • Fehlende asynchrone Abrufoption: Im Pull-Modell könnten Empfänger Nachrichten nach Bedarf abrufen, was die Netzwerklast reduziert. Das Push-Modell erfordert dagegen, dass alle Empfänger ständig erreichbar sind.
  • Zukunftssicherheit eingeschränkt: Wenn sich die Marktkommunikation in Richtung dezentraler Akteure entwickelt (z. B. durch die Integration von Elektromobilität oder lokalen Energiegemeinschaften), könnte das Fehlen von Pull-Unterstützung zu technischen Lock-in-Effekten führen.

3. Spannungsfeld: Regulatorik, Sicherheit und zukünftige Anforderungen

3.1 Regulatorische Vorgaben und Standardisierung

  • Das BDEW AS4-Profil folgt dem ebMS 3.0-Standard und setzt auf Push als verpflichtendes MEP, um Interoperabilität in der deutschen Energiewirtschaft sicherzustellen.
  • Allerdings wird im CEF eDelivery AS4-Profil (Abschnitt 4.5) die Pull-Unterstützung empfohlen, um Flexibilität für unterschiedliche Netzwerkumgebungen zu gewährleisten.
  • Eine rein Push-basierte Lösung könnte langfristig zu Inkompatibilitäten führen, wenn andere europäische Märkte oder neue Marktrollen (z. B. Aggregatoren) Pull-basierte Mechanismen nutzen.

3.2 Sicherheitsaspekte

  • Push-Modell:
    • Vorteile: Klare Verantwortungsverteilung (Sender initiiert, Empfänger validiert), einfachere Umsetzung von TLS-Verschlüsselung und Zertifikatsprüfungen.
    • Risiken: Empfänger müssen als Server fungieren, was Angriffsflächen (z. B. DDoS, Port-Scanning) erhöht. Zudem sind Firewall-Anpassungen erforderlich, was bei einigen Unternehmen zu Compliance-Problemen führen kann.
  • Pull-Modell (als Option):
    • Vorteile: Empfänger können Nachrichten abrufen, ohne eingehende Verbindungen zuzulassen. Dies reduziert Sicherheitsrisiken und vereinfacht die Netzwerksegmentierung.
    • Nachteile: Höhere Komplexität in der Implementierung, da der Empfänger die Initiative ergreifen muss.

3.3 Proaktive Berücksichtigung zukünftiger Pull-Szenarien

  • Obwohl das BDEW AS4-Profil Push als verpflichtend vorschreibt, wird die Pull-Unterstützung empfohlen, um zukünftige Anforderungen abzudecken.
  • Empfehlungen für Marktteilnehmer:
    • Middleware-Implementierungen sollten beide MEP-Varianten unterstützen, auch wenn zunächst nur Push genutzt wird.
    • Dezentrale Akteure (z. B. Betreiber von Ladeinfrastruktur) sollten prüfen, ob ihre Netzwerkinfrastruktur Push-Verbindungen zulässt oder ob Pull-basierte Lösungen (z. B. über Proxy-Server) erforderlich sind.
    • Regulatorische Anpassungen: Falls sich die Marktkommunikation in Richtung dezentraler Strukturen entwickelt, könnte eine Anpassung des BDEW AS4-Profils notwendig werden, um Pull als gleichwertige Option zu etablieren.

4. Fazit: Abwägung zwischen Standardisierung und Zukunftsfähigkeit

Das Push-basierte MEP im BDEW AS4-Profil bietet klare Vorteile für etablierte Marktteilnehmer mit stabilen Netzwerkinfrastrukturen, da es Echtzeit-Kommunikation, einfache Implementierung und regulatorische Compliance gewährleistet. Allerdings führt es zu Einschränkungen bei der Skalierbarkeit und Flexibilität, insbesondere im Hinblick auf:

  • Dezentrale Akteure (z. B. Prosumer, Microgrids),
  • Netzwerke mit dynamischen IP-Adressen oder Firewall-Restriktionen,
  • Zukünftige Pull-basierte Szenarien (z. B. für asynchrone Abrufe).

Empfehlung:

  • Kurzfristig: Umsetzung des Push-MEP gemäß BDEW AS4-Profil, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
  • Mittelfristig: Optionale Pull-Unterstützung in Middleware-Lösungen implementieren, um zukünftige Anforderungen abzudecken.
  • Langfristig: Regulatorische Anpassungen prüfen, um Pull als gleichwertige Alternative zu etablieren und die Marktkommunikation für dezentrale Strukturen zu öffnen.

Eine rein Push-basierte Lösung ist für den aktuellen Markt ausreichend, könnte aber bei einer Ausweitung auf kleinere und dezentrale Teilnehmer an Grenzen stoßen. Eine hybride Strategie (Push als Standard, Pull als Option) wäre daher die zukunftssicherste Lösung.