Willi Mako
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RFF+TN in SG4: Risiken bei Lieferantenwechsel & Marktkommunikation

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TAGS [EDIFACT][LIEFERANTENWECHSEL][PROZESS][GPKE][BILANZ][LASTPROFILE][ZUORDNUNG][BILANZKREIS]

Auswirkungen des Fehlens der Referenznummer (RFF+TN) in der SG4-Nachricht auf die prozessuale Risikoverteilung bei Lieferantenwechseln und Marktkommunikation

1. Rechtliche und prozessuale Grundlagen

Die Referenznummer (RFF+TN) in der SG4-Nachricht (Segmentgruppe 4 des EDIFACT-Formats UTILMD) dient der eindeutigen Identifikation einer Transaktion im Rahmen der Marktkommunikation nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) und des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft). Sie ist insbesondere in Prozessen wie dem Lieferantenwechsel (GPKE) oder der Marktkommunikation für Netznutzung (MaBiS) von zentraler Bedeutung.

Fehlt diese Referenznummer, führt dies zu formalen und inhaltlichen Defiziten in der Datenübermittlung, die sich auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreiber und Lieferant auswirken. Die rechtliche Bewertung orientiert sich an:

  • § 47 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) – Pflichten zur diskriminierungsfreien und transparenten Abwicklung von Marktprozessen,
  • GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) und MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom),
  • EDIFACT-Standards (UTILMD, MSCONS) sowie den BNetzA-Festlegungen (z. B. BK6-18-032).

2. Konkrete Auswirkungen auf die Risikoverteilung

a) Fehlende Nachweisbarkeit und Beweislastumkehr

Die RFF+TN dient als eindeutiger Transaktionsbezug und ermöglicht die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Nachrichten im Rahmen der Marktkommunikation. Fehlt sie:

  • Der Netzbetreiber kann die empfangene Nachricht nicht eindeutig einem bestimmten Vorgang (z. B. Lieferantenwechsel, Zählerstandsübermittlung) zuordnen.
  • Der Lieferant verliert die Möglichkeit, den rechtzeitigen und korrekten Versand der Nachricht nachzuweisen, da ohne Referenznummer keine technische Protokollierung im Sinne der BNetzA-Festlegungen erfolgt.
  • Im Streitfall (z. B. bei Fristversäumnissen oder fehlerhaften Daten) kehrt sich die Beweislast tendenziell zu Lasten des Lieferanten um, da dieser die formale Korrektheit seiner Übermittlung nicht belegen kann.
b) Verzögerungen und Haftungsrisiken bei Lieferantenwechseln

Bei einem Lieferantenwechsel (GPKE-Prozess) ist die RFF+TN essenziell für:

  • Die Zuordnung der Wechselmeldung zu einem konkreten Kunden,
  • Die Fristenüberwachung (z. B. 3-Werktage-Frist nach § 20a EnWG),
  • Die Vermeidung von Doppelbelieferung oder Unterbrechungen.

Fehlt die Referenznummer:

  • Der Netzbetreiber muss die Nachricht manuell prüfen oder zurückweisen, was zu Verzögerungen führt.
  • Kommt es aufgrund der fehlenden Zuordenbarkeit zu Fristüberschreitungen, haftet grundsätzlich der Lieferant, da er die formalen Anforderungen nicht erfüllt hat.
  • Bei fehlerhaften oder unvollständigen Wechselmeldungen kann der Netzbetreiber die Rückabwicklung verlangen, was zu Mehrkosten für den Lieferanten führt.
c) Bilanzkreisabrechnung und MaBiS-Prozesse

In der Bilanzkreisabrechnung (MaBiS) ist die RFF+TN notwendig für:

  • Die eindeutige Zuordnung von Zählerständen und Lastprofilen,
  • Die Vermeidung von Abrechnungsdifferenzen,
  • Die Nachvollziehbarkeit von Korrekturmeldungen.

Fehlt die Referenznummer:

  • Der Netzbetreiber kann Zählerstände oder Lastgänge nicht korrekt zuordnen, was zu falschen Bilanzkreisabrechnungen führt.
  • Der Lieferant trägt das Risiko von Nachforderungen oder Strafzahlungen, da er die Datenqualität nicht sicherstellen konnte.
  • Im Falle von Reklamationen (z. B. nach § 12 MaBiS) hat der Lieferant schlechtere Chancen auf Anerkennung, da die Nachricht nicht den formalen Standards entspricht.
d) Automatisierte Prozesse und Systemrisiken

Moderne Marktkommunikationssysteme (z. B. EDM-Systeme) arbeiten automatisiert und lehnen Nachrichten ohne RFF+TN ab oder leiten sie in manuelle Bearbeitung um. Dies führt zu:

  • Erhöhten Bearbeitungszeiten und damit verbundenen Kosten,
  • Höherem Fehlerrisiko durch manuelle Eingriffe,
  • Potenziellem Datenverlust, wenn Nachrichten nicht korrekt verarbeitet werden.

Da der Lieferant für die technische Korrektheit seiner Übermittlungen verantwortlich ist, trägt er in diesen Fällen das operative Risiko.


3. Praktische Handlungsempfehlungen

Um die Risikoverteilung zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Akteur Empfohlene Maßnahme
Lieferant - Automatisierte Prüfung der SG4-Nachrichten auf Vollständigkeit (inkl. RFF+TN).
- Protokollierung aller versendeten Nachrichten mit Referenznummer.
- Schulung der Mitarbeiter zu EDIFACT-Standards und Marktkommunikationsprozessen.
Netzbetreiber - Klare Fehlermeldungen bei fehlender RFF+TN mit Hinweis auf Korrektur.
- Manuelle Nachbearbeitung nur in Ausnahmefällen, um Haftungsrisiken zu begrenzen.
Beide Parteien - Regelmäßige Abstimmung zu technischen Anforderungen (z. B. im Rahmen von MaKo).
- Dokumentation von Abweichungen zur späteren Beweissicherung.

4. Fazit: Risikoverteilung bei fehlender RFF+TN

Das Fehlen der Referenznummer (RFF+TN) in der SG4-Nachricht führt zu einer deutlichen Verschiebung der prozessualen Risiken zu Lasten des Lieferanten. Während der Netzbetreiber durch formale Zurückweisung oder manuelle Bearbeitung seine Haftung begrenzen kann, trägt der Lieferant die Hauptverantwortung für die korrekte Datenübermittlung.

Konsequenzen im Überblick:Beweislast: Lieferant muss Korrektheit der Übermittlung nachweisen (schwierig ohne RFF+TN). ✅ Haftung: Bei Fristversäumnissen oder Fehlern haftet der Lieferant für Folgekosten. ✅ Abrechnungsrisiko: Falsche Bilanzkreiszuordnungen führen zu Nachforderungen. ✅ Prozessverzögerungen: Manuelle Bearbeitung erhöht Fehleranfälligkeit und Kosten.

Eine konsequente Einhaltung der EDIFACT-Standards und automatisierte Prüfmechanismen sind daher essenziell, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu minimieren.