Willi Mako
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Risiken durch fehlende Datumsstandardisierung in der Marktkommunikation

ID#940-12
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TAGS [EDIFACT][LIEFERANTENWECHSEL][MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][BILANZ][ZUORDNUNG][UMLAGE]

Einfluss fehlender Standardisierung von Datums- und Zeitformaten auf die prozessuale Risikoverteilung in der Marktkommunikation

1. Problemstellung: Heterogene Datums- und Zeitformate in der Marktkommunikation

Die fehlende einheitliche Standardisierung von Datums- und Zeitformaten in der Kommunikation zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern führt zu prozessualen Unsicherheiten, die sich direkt auf die Risikoverteilung bei Lieferantenwechseln und Zählerstandsübermittlungen auswirken. Während in technischen Spezifikationen wie dem EDIFACT-Subset UTILMD (z. B. Segment DTM mit Qualifier 137 für Nachrichtendatum/-zeit) oder dem MSCONS-Format (Segment DTM mit Qualifier 2380 für Wertangaben) grundlegende Vorgaben existieren, bleibt die konkrete Ausgestaltung oft interpretationsbedürftig.

Beispielsweise erlaubt das Feld 2379 (Formatcode) zwar die Angabe eines standardisierten Formats (z. B. 102 für YYYYMMDD), doch in der Praxis werden weiterhin abweichende Darstellungen genutzt (z. B. DD.MM.YYYY, MM/DD/YYYY oder Zeitangaben ohne Zeitzonenreferenz). Diese Vielfalt führt zu manuellen Nachbearbeitungen, automatisierten Fehlinterpretationen und zeitlichen Verzögerungen, die die Prozesssicherheit untergraben.


2. Prozessuale Risiken und ihre Verteilung

2.1 Lieferantenwechsel: Fristen und Verantwortlichkeiten

Bei einem Lieferantenwechsel sind präzise Zeitangaben (z. B. Wechseltermin, Zählerstandsstichtag) entscheidend für die korrekte Abrechnung und Netznutzung. Fehlende Standardisierung führt hier zu:

  • Risiko der Fristüberschreitung:

    • Netzbetreiber und Lieferanten müssen Wechseltermine synchronisieren. Unklare Zeitformate (z. B. 12.05.2024 vs. 05.12.2024) können zu falschen Zuordnungen führen, was vertragliche Sanktionen (z. B. nach § 20a EnWG) oder Abrechnungsfehler nach sich zieht.
    • Risikoträger: Primär der Lieferant, da er die Wechselanmeldung initiiert und für die korrekte Übermittlung verantwortlich ist. Bei Fehlern haftet er für entgangene Erlöse oder Nachberechnungsaufwände.
  • Datenqualitätsrisiko bei Zählerständen:

    • Messstellenbetreiber übermitteln Zählerstände oft in unterschiedlichen Formaten (z. B. 2024-05-12T14:30:00+02:00 vs. 12.05.2024 14:30). Fehlinterpretationen können zu falschen Bilanzkreiszuordnungen führen.
    • Risikoträger: Netzbetreiber, da sie die Daten für die Bilanzierung nutzen. Bei Fehlern müssen sie Korrekturen veranlassen, was zu Mehrkosten (z. B. Ausgleichsenergie) führt.

2.2 Zählerstandsübermittlung: Automatisierung vs. manuelle Eingriffe

Die Übermittlung von Zählerständen (z. B. im MSCONS-Format) erfordert konsistente Zeitstempel, um Verbrauchsdaten korrekt zuzuordnen. Probleme entstehen durch:

  • Zeitzoneninkonsistenzen:

    • Ohne einheitliche Referenz (z. B. UTC) können Zeitangaben falsch interpretiert werden, insbesondere bei grenzüberschreitenden Lieferungen oder virtuellen Kraftwerken.
    • Risikoträger: Messstellenbetreiber, da sie für die korrekte Erfassung und Übermittlung verantwortlich sind. Bei Fehlern drohen Reklamationen durch Lieferanten oder Netzbetreiber.
  • Formatdivergenzen in EDI-Nachrichten:

    • Selbst wenn das Format im 2379-Feld definiert ist, weichen manche Systeme davon ab (z. B. YYYY-MM-DD statt YYYYMMDD). Dies führt zu Ablehnungen durch die Gegenstelle oder manuellen Korrekturen.
    • Risikoträger: Alle Marktteilnehmer, da jeder Partner eigene Validierungsregeln anwendet. Die Kosten für Nachbearbeitungen werden oft prozessual verteilt (z. B. über Umlagen nach § 14 StromNZV).

3. Lösungsansätze und regulatorische Einordnung

Um die Risiken zu minimieren, sind folgende Maßnahmen erforderlich:

3.1 Technische Standardisierung

  • Verbindliche Formatvorgaben:

    • Festlegung eines einheitlichen Zeitformats (z. B. ISO 8601: YYYY-MM-DDTHH:MM:SSZ) für alle Marktprozesse, wie in der BDEW-Empfehlung „Marktkommunikation 2020“ bereits angedeutet.
    • Automatisierte Konvertierung: Systeme sollten abweichende Formate automatisch in das Zielformat umwandeln, um manuelle Eingriffe zu vermeiden.
  • Zeitzonenreferenz:

    • Nutzung von UTC als Standard, um lokale Zeitumstellungen (z. B. Sommer-/Winterzeit) zu vermeiden. Alternativ: Explizite Angabe der Zeitzone (z. B. +02:00).

3.2 Prozessuale Klarstellungen

  • Verantwortungsmatrix:

    • Klare Zuordnung, wer für die Formatkonformität verantwortlich ist (z. B. der Sender einer Nachricht).
    • Definition von Fehlerfolgen (z. B. automatische Rückweisung nicht konformer Nachrichten mit Begründung).
  • Regulatorische Vorgaben:

    • Die Bundesnetzagentur (BNetzA) könnte im Rahmen der MaBiS (Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom) oder GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) verbindliche Formatvorgaben erlassen.
    • Prüfroutinen: Einführung von Validierungstools (z. B. durch den BDEW oder die Bundesnetzagentur), die Nachrichten auf Formatkonformität prüfen.

4. Fazit: Standardisierung als Schlüssel zur Risikominimierung

Die fehlende Standardisierung von Datums- und Zeitformaten führt zu erheblichen prozessualen Risiken, die sich auf alle Marktteilnehmer auswirken. Während Lieferanten und Messstellenbetreiber primär für die korrekte Übermittlung verantwortlich sind, tragen Netzbetreiber das Risiko von Abrechnungsfehlern und Bilanzkreisungleichgewichten. Eine verbindliche technische und prozessuale Harmonisierung – idealerweise durch regulatorische Vorgaben – ist notwendig, um die Effizienz der Marktkommunikation zu steigern und Haftungsrisiken zu reduzieren.

Bis dahin bleibt die manuelle Nachbearbeitung ein zentraler Kostenfaktor, der durch automatisierte Lösungen und klare Verantwortungszuweisungen minimiert werden kann.