Willi Mako
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Risiken durch schlechte Datenqualität in der Marktkommunikation

ID#91F-12
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Einfluss unzureichender Datenqualität auf die prozessuale Risikoverteilung in der Marktkommunikation

1. Problemstellung: Unzureichende Datenqualität und ihre Folgen

Die Identifikation von Markt- und Messlokationen (MaLo) ist ein zentraler Baustein der energiewirtschaftlichen Marktkommunikation. Fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Daten – wie im Kontext der Fehlermeldung Z14 („Objekt im IT-System nicht gefunden“) beschrieben – führen zu Störungen in der Prozesskette zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB). Diese Datenlücken haben direkte Auswirkungen auf die prozessuale Risikoverteilung, da sie Unsicherheiten in der Abrechnung, der Netznutzung und der Messwertübermittlung verursachen.


2. Prozessuale Risikoverteilung bei unzureichender Datenqualität

2.1 Netzbetreiber (NB)

  • Risiko der Fehlallokation von Netzentgelten: Fehlende oder falsche MaLo-Daten führen zu falschen Zuordnungen von Entnahmestellen zu Bilanzkreisen. Dies kann zu Nachforderungen oder Rückerstattungen führen, wenn Entgelte falsch abgerechnet wurden.
  • Operative Mehraufwände: Manuelle Korrekturen und Klärungsprozesse mit Lieferanten und MSB erhöhen den administrativen Aufwand. Zudem besteht das Risiko von Strafzahlungen bei Nichteinhaltung regulatorischer Fristen (z. B. nach § 55 EnWG).
  • Haftung für Systemstörungen: Der NB ist für die Bereitstellung korrekter Stammdaten verantwortlich. Bei systematischen Fehlern kann dies zu Regressforderungen durch andere Marktteilnehmer führen.

2.2 Lieferanten (LF)

  • Abrechnungsrisiken: Fehlende MaLo-Daten verhindern die korrekte Zuordnung von Verbrauchsdaten zu Kunden. Dies führt zu falschen Rechnungen, was Kundenbeschwerden und Rückforderungen nach sich zieht.
  • Bilanzkreisrisiken: Unklare Zuordnungen von Entnahmestellen zu Bilanzkreisen verursachen Bilanzabweichungen, die durch Ausgleichsenergie ausgeglichen werden müssen – mit entsprechenden Kosten.
  • Vertragsstrafen: Bei wiederholten Fehlern können Lieferanten durch Netzbetreiber oder Regulierungsbehörden mit Sanktionen belegt werden, insbesondere wenn sie ihre Pflicht zur Datenvalidierung vernachlässigen.

2.3 Messstellenbetreiber (MSB)

  • Messwertübermittlungsrisiken: Ohne korrekte MaLo-Daten können Messwerte nicht eindeutig zugeordnet werden, was zu fehlerhaften Abrechnungsgrundlagen führt. Dies betrifft insbesondere moderne Messeinrichtungen (iMSys), deren Daten automatisiert verarbeitet werden.
  • Technische Schnittstellenprobleme: Fehlende oder inkonsistente Daten führen zu Synchronisationsfehlern zwischen MSB-Systemen und den IT-Systemen von NB/LF, was manuelle Nacharbeiten erfordert.
  • Haftung für falsche Messdaten: Der MSB ist für die korrekte Übermittlung von Messwerten verantwortlich. Bei fehlerhafter Zuordnung kann er für Abrechnungsdifferenzen in Anspruch genommen werden.

3. Systemische Anreize zur Schließung von Datenlücken

3.1 Regulatorische Vorgaben und Compliance-Druck

  • EnWG und MaKo 2020: Die Marktkommunikation ist durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die Marktkommunikationsrichtlinien (MaKo) streng reguliert. Unzureichende Datenqualität führt zu Verstößen gegen Meldepflichten, was behördliche Maßnahmen nach sich ziehen kann.
  • Bundesnetzagentur (BNetzA): Die BNetzA überwacht die Einhaltung der Datenqualitätsstandards und kann bei systematischen Fehlern Bußgelder verhängen oder Anpassungen der Prozesse anordnen.

3.2 Wirtschaftliche Anreize

  • Kostenvermeidung durch Automatisierung: Manuelle Korrekturen sind teuer. Eine verbesserte Datenqualität reduziert Prozesskosten und minimiert das Risiko von Rückforderungen.
  • Wettbewerbsvorteile: Marktteilnehmer mit hoher Datenqualität profitieren von schnelleren Abrechnungsprozessen und geringeren operativen Risiken, was ihre Marktposition stärkt.
  • Vermeidung von Ausgleichsenergiekosten: Korrekte MaLo-Daten reduzieren Bilanzabweichungen und damit die Kosten für Ausgleichsenergie, die von allen Marktteilnehmern getragen werden müssen.

3.3 Technische und organisatorische Maßnahmen

  • Datenvalidierung und Plausibilitätsprüfungen: Automatisierte Prüfroutinen (z. B. durch EDIFACT-Nachrichten oder API-Schnittstellen) können Fehler frühzeitig erkennen und korrigieren.
  • Zentrale Stammdatenregister: Initiativen wie das Marktlokationsregister (MaLo-Reg) oder die Bundesnetzagentur-Stammdatenplattform sollen die Datenkonsistenz verbessern.
  • Schulungen und Prozessstandardisierung: Einheitliche Schulungen für Mitarbeiter und klare Verantwortlichkeiten in der Datenpflege reduzieren menschliche Fehlerquellen.

3.4 Kooperative Lösungsansätze

  • Marktpartnerdialoge: Regelmäßige Abstimmungen zwischen NB, LF und MSB können Datenlücken identifizieren und gemeinsame Lösungen entwickeln.
  • Fehlerprotokolle und Eskalationsmechanismen: Standardisierte Fehlermeldungen (wie Z14) ermöglichen eine schnelle Klärung von Unstimmigkeiten, bevor sie zu größeren Problemen führen.

4. Fazit: Datenqualität als Schlüssel für stabile Marktprozesse

Unzureichende Datenqualität bei der Identifikation von Markt- und Messlokationen führt zu erheblichen Risiken für alle Marktteilnehmer – von finanziellen Verlusten über Compliance-Verstöße bis hin zu operativen Ineffizienzen. Die prozessuale Risikoverteilung verschiebt sich dabei je nach Verantwortungsbereich: Während Netzbetreiber für die Stammdatenbereitstellung haften, tragen Lieferanten und MSB die Folgen fehlerhafter Abrechnungen und Messwertübermittlungen.

Die Schließung dieser Lücken ist durch regulatorische Vorgaben, wirtschaftliche Anreize und technische Lösungen möglich. Langfristig profitieren alle Marktteilnehmer von einer höheren Datenqualität, da sie die Stabilität der Marktkommunikation sichert und Kosten reduziert. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern ist dabei unerlässlich.