Risikoverteilung und prozessuale Lösungsansätze bei fehlender Synchronisation von Stamm- und Bewegungsdaten in der Ausfallarbeitsabrechnung
1. Auswirkungen der fehlenden Synchronisation auf die Risikoverteilung
Die Abrechnung von Ausfallarbeit (AUA) gemäß § 18 StromNZV bzw. § 19 GasNZV basiert auf einer klaren Zuordnung von OBIS-Kennzahlen zu Messstellen und Zeitintervallen. Fehlt diese Synchronisation zwischen Stammdaten (z. B. Messstellenkonfiguration, OBIS-Zuordnung) und Bewegungsdaten (z. B. MSCONS-Nachrichten mit AUA-Werten), entstehen erhebliche Risiken für die korrekte Kostenverteilung zwischen Netzbetreiber und Lieferant.
1.1 Risiko für den Netzbetreiber
- Fehlende Nachweispflicht: Der Netzbetreiber ist gemäß § 18 Abs. 2 StromNZV verpflichtet, die Ausfallarbeit plausibel und nachvollziehbar abzurechnen. Fehlen Stammdaten (z. B. OBIS-Kennzahlen für die betroffene Messstelle), kann der Lieferant die Abrechnung anfechten, da die Grundlage für die Berechnung nicht transparent ist.
- Haftung für Falschabrechnungen: Bei nachträglicher Feststellung von Fehlern (z. B. falsche OBIS-Zuordnung) muss der Netzbetreiber ggf. Korrekturen vornehmen und trägt das Risiko von Rückforderungen durch den Lieferanten oder die Bundesnetzagentur (BNetzA).
- Verzögerte Regulierung: Fehlende Synchronisation führt zu manuellen Nachbearbeitungen, was die Abrechnungsfristen (§ 18 Abs. 3 StromNZV: 6 Monate nach Lieferende) gefährdet und Verzugsrisiken birgt.
1.2 Risiko für den Lieferanten
- Unklare Kostenverteilung: Ohne valide Stammdaten kann der Lieferant die Höhe der Ausfallarbeit nicht prüfen und muss ggf. unbegründete Kosten tragen.
- Rechtliche Unsicherheit: Fehlt die OBIS-Kennzahl in den Stammdaten, ist die Abrechnung anfechtbar, da sie nicht den Anforderungen des MsbG (§ 60) und der GPKE entspricht.
- Prozessuale Nachteile: Der Lieferant muss bei Unstimmigkeiten Einzelprüfungen durchführen, was zu höherem Aufwand und Verzögerungen in der Rechnungslegung führt.
2. Prozessuale Hebel zur Schließung der Lücke
Um die Synchronisation zwischen Stamm- und Bewegungsdaten regulatorisch konform sicherzustellen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
2.1 Automatisierte Stammdatenpflege (GPKE-konform)
- Echtzeit-Synchronisation: Stammdaten (z. B. OBIS-Kennzahlen, Messstellenkonfiguration) müssen vor der Übermittlung von Bewegungsdaten (MSCONS) im Stammdatenregister (z. B. MaBiS) hinterlegt sein.
- Plausibilitätsprüfungen: Vor der Freigabe von MSCONS-Nachrichten sollte ein automatisierter Abgleich zwischen Stamm- und Bewegungsdaten erfolgen (z. B. Prüfung, ob die OBIS-Kennzahl für das angegebene Zeitintervall existiert).
- Versionierung der Stammdaten: Änderungen an OBIS-Kennzahlen oder Messstellen müssen zeitstempelgenau dokumentiert werden, um historische Abrechnungen nachvollziehbar zu machen.
2.2 Klare Verantwortlichkeiten im Datenmanagement
- Rollenverteilung nach MsbG: Der Messstellenbetreiber (MSB) ist für die korrekte Übermittlung der Stammdaten verantwortlich (§ 60 MsbG). Der Netzbetreiber muss sicherstellen, dass diese Daten vor der AUA-Abrechnung vorliegen.
- Schnittstellenstandardisierung: Die Kommunikation zwischen MSB, Netzbetreiber und Lieferant sollte über einheitliche Formate (z. B. EDIFACT, XML) erfolgen, um Datenverluste zu vermeiden.
- Fehlerprotokolle und Eskalationswege: Bei fehlenden Stammdaten muss ein automatisiertes Fehlermanagement greifen, das den MSB zur Nachlieferung auffordert und den Netzbetreiber über Verzögerungen informiert.
2.3 Regulatorische Absicherung durch Dokumentation
- Nachweispflicht des Netzbetreibers: Der Netzbetreiber muss nachweisen, dass die Stammdaten zum Zeitpunkt der AUA-Erfassung vorlagen. Dies kann durch Logdateien oder Zeitstempel in den MSCONS-Nachrichten erfolgen.
- Anerkennung von Ausfallarbeit nur bei vollständigen Daten: Die BNetzA sieht in ihrer Praxis vor, dass AUA-Werte ohne korrespondierende Stammdaten nicht abrechenbar sind. Eine vorherige Stammdatenprüfung ist daher zwingend.
- Korrekturmechanismen bei Fehlern: Falls Stammdaten nachträglich ergänzt werden, muss eine Neuberechnung der AUA erfolgen, wobei der Lieferant über die Änderungen zu informieren ist.
2.4 Technische Lösungen zur Fehlervermeidung
- Datenvalidierungstools: Softwarelösungen (z. B. EDI-Validatoren) können MSCONS-Nachrichten auf fehlende OBIS-Kennzahlen prüfen, bevor sie an den Lieferanten gesendet werden.
- Blockchain-basierte Stammdatenverwaltung: Durch dezentrale Ledger könnte die Integrität der Stammdaten sichergestellt werden, sodass nachträgliche Manipulationen ausgeschlossen sind.
- Automatisierte Rückfragen bei Unstimmigkeiten: Bei fehlenden Stammdaten sollte das System automatisch eine Rückfrage an den MSB senden und die AUA-Abrechnung pausieren, bis die Daten vorliegen.
3. Fazit: Regulatorische Konformität durch prozessuale Disziplin
Die fehlende Synchronisation von Stamm- und Bewegungsdaten führt zu erheblichen Abrechnungsrisiken, die sowohl Netzbetreiber als auch Lieferanten belasten. Um diese Lücke zu schließen, sind drei zentrale Hebel entscheidend:
- Automatisierte Stammdatenpflege mit Echtzeit-Synchronisation,
- Klare Verantwortlichkeiten im Datenmanagement (MSB, Netzbetreiber, Lieferant),
- Technische Validierungsmechanismen, die Fehler vor der Übermittlung erkennen.
Nur durch eine konsistente Umsetzung dieser Maßnahmen kann die regulatorische Compliance sichergestellt und das Risiko von Falschabrechnungen minimiert werden. Die BNetzA legt in ihren Leitfäden (z. B. GPKE, MaBiS) bereits hohe Standards an – deren Einhaltung ist jedoch nur durch prozessuale Disziplin und technische Absicherung möglich.