Willi Mako
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Risikoverteilung bei Fehlern in der Marktkommunikation

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Fehler in der Marktkommunikation: Eskalationslogik und Risikoverteilung im Energiemarkt

1. Grundlagen der Risikoverteilung bei Fehlern in der Marktkommunikation

Die Marktkommunikation im Energiesektor unterliegt strengen regulatorischen Vorgaben, insbesondere durch das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) und die Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS). Fehler in der Datenübermittlung zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB) können zu finanziellen, operativen oder systemischen Risiken führen. Die Eskalationslogik bestimmt, wie diese Risiken zwischen den Marktakteuren verteilt werden und ob Fehlerfolgen als systemrelevant oder einzelfallbezogen klassifiziert werden.


2. Eskalationslogik und ihre Auswirkungen auf die Risikoverteilung

Die Eskalationslogik folgt einem stufenweisen Verfahren, das sich an der Schwere des Fehlers, der betroffenen Datenmenge und den potenziellen Auswirkungen auf die Marktstabilität orientiert:

2.1 Phasen der Eskalation

  1. Erkennung und Meldung

    • Fehler werden zunächst durch automatisierte Plausibilitätsprüfungen (z. B. in den Marktprozessen nach MaBiS) oder manuelle Kontrollen identifiziert.
    • Der verantwortliche Akteur (z. B. der MSB bei fehlerhaften Zählerständen) muss den Fehler unverzüglich an die betroffenen Parteien melden (§ 60 MsbG).
  2. Erstbewertung und Korrektur

    • Der Fehler wird hinsichtlich seiner Ursache, Reichweite und Dringlichkeit bewertet.
    • Bei technischen Fehlern (z. B. Übertragungsstörungen) liegt die Verantwortung zunächst beim verursachenden Akteur (z. B. MSB bei Messdatenfehlern).
    • Bei prozessualen Fehlern (z. B. falsche Bilanzkreiszuordnung) ist der Lieferant oder Netzbetreiber in der Pflicht.
  3. Eskalation bei Systemrelevanz

    • Falls der Fehler mehrere Marktakteure oder Bilanzkreise betrifft und systemische Auswirkungen (z. B. Bilanzkreisungleichgewichte, Abrechnungsfehler in großem Umfang) hat, wird er an die Bundesnetzagentur (BNetzA) oder den Marktgebietsverantwortlichen (MGV) gemeldet.
    • In diesem Fall greifen regulatorische Sonderregelungen, die eine gemeinsame Fehlerbehebung und Risikoteilung vorsehen.
  4. Regulatorische Entscheidung

    • Die BNetzA prüft, ob der Fehler wiederholbar, strukturell oder zufällig ist.
    • Bei systemischen Mängeln (z. B. fehlerhafte Standardprozesse) können Anpassungen der Marktregeln oder Sanktionen gegen den verantwortlichen Akteur verhängt werden.
    • Bei Einzelfehlern bleibt die Haftung beim Verursacher, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

3. Prozessuale Hebel für die Klassifizierung von Fehlerfolgen

Die Einstufung eines Fehlers als systemrelevant oder einzelfallbezogen hängt von mehreren Faktoren ab:

3.1 Kriterien für Systemrelevanz

  • Ausmaß der Betroffenheit:
    • Werden mehrere Bilanzkreise, Netzgebiete oder Marktrollen beeinträchtigt?
    • Beispiel: Ein fehlerhafter Wechselprozess, der zu falschen Lieferantenwechseln in mehreren Netzgebieten führt.
  • Wiederholungsrisiko:
    • Handelt es sich um einen strukturellen Fehler (z. B. fehlerhafte Schnittstellen zwischen IT-Systemen)?
    • Beispiel: Wiederkehrende Messdatenfehler aufgrund eines Softwarebugs.
  • Auswirkungen auf die Marktstabilität:
    • Führt der Fehler zu Bilanzkreisungleichgewichten, Abrechnungsdifferenzen oder Netzengpässen?
    • Beispiel: Falsche Lastgangdaten, die zu einer Fehlsteuerung der Netzauslastung führen.
  • Regulatorische Vorgaben:
    • Verstößt der Fehler gegen gesetzliche Meldepflichten (§ 60 MsbG, § 12 StromNZV)?
    • Beispiel: Unterlassene Fehlerkorrektur trotz Kenntnis.

3.2 Kriterien für Einzelfallbezogenheit

  • Lokal begrenzte Auswirkungen:
    • Betrifft der Fehler nur einzelne Zähler, Kunden oder Bilanzkreise?
    • Beispiel: Ein falscher Zählerstand bei einem Haushaltskunden.
  • Zufällige Ursache:
    • Liegt ein technisches Einzelereignis (z. B. Stromausfall während der Datenübertragung) vor?
  • Schnelle Korrigierbarkeit:
    • Kann der Fehler ohne regulatorische Intervention behoben werden?
    • Beispiel: Manuelle Nachbesserung eines falschen Wechselprozesses.

4. Rechtliche und prozessuale Konsequenzen

Die Klassifizierung entscheidet über:

  • Haftungsverteilung:
    • Bei systemrelevanten Fehlern kann die BNetzA eine solidarische Kostenverteilung anordnen (§ 13 StromNZV).
    • Bei Einzelfehlern haftet der Verursacher (z. B. MSB für Messdatenfehler, LF für falsche Bilanzkreiszuordnungen).
  • Sanktionen:
    • Systemrelevante Fehler können zu Bußgeldern (§ 95 EnWG) oder Ausschluss von Marktprozessen führen.
    • Einzelfehler werden meist durch vertragliche Schadensersatzregelungen abgewickelt.
  • Prozessanpassungen:
    • Systemische Fehler führen zu Änderungen der Marktregeln (z. B. Anpassung der MaBiS).
    • Einzelfehler werden durch interne Prozessoptimierungen (z. B. Schulungen, IT-Updates) behoben.

5. Fazit: Steuerungsmechanismen für eine stabile Marktkommunikation

Die Eskalationslogik dient der Risikominimierung und Marktstabilität, indem sie:

  1. Klare Verantwortlichkeiten zuweist (Verursacherprinzip).
  2. Systemische Risiken frühzeitig erkennt und regulatorisch steuert.
  3. Prozessuale Hebel nutzt, um zwischen Einzelfällen und strukturellen Mängeln zu unterscheiden.

Die BNetzA und der MGV spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung, während Netzbetreiber, Lieferanten und MSB durch Compliance, IT-Sicherheit und Meldepflichten zur Fehlervermeidung beitragen müssen. Eine transparente Fehlerdokumentation und kooperative Fehlerbehebung sind entscheidend, um regulatorische Eingriffe zu minimieren.