Willi Mako
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Risikoverteilung durch Pflichtangaben in der Marktkommunikation

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TAGS [EDIFACT][LIEFERANTENWECHSEL][PROZESS][BILANZ][ZUORDNUNG][BILANZKREIS]

Einfluss der obligatorischen Angabe fehlender Segmente auf die Risikoverteilung in der Marktkommunikation

1. Rechtlicher und regulatorischer Rahmen Die obligatorische Angabe fehlender Segmente in der Marktkommunikation – insbesondere bei Prozessen wie Lieferantenwechsel oder Zählerstandsübermittlung – ist im deutschen Energiewirtschaftsrecht verankert. Sie ergibt sich aus den Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG), der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) sowie den Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS). Diese Regelungen zielen darauf ab, die Datenqualität zu erhöhen, Prozessfehler zu minimieren und die Verantwortlichkeiten zwischen Netzbetreibern und Lieferanten klar zu definieren.

Fehlende Segmente (z. B. unvollständige Zählerstandsdaten, fehlende Stammdaten oder nicht zugeordnete Messlokationen) müssen gemäß § 60 MsbG und den technischen Richtlinien der Bundesnetzagentur (BNetzA) explizit gekennzeichnet werden. Dies dient der Transparenz und ermöglicht eine eindeutige Zuordnung von Fehlern zu den verantwortlichen Marktteilnehmern.


2. Auswirkungen auf die Risikoverteilung

2.1 Verantwortung für Datenqualität und Prozesssicherheit

Die Pflicht zur Angabe fehlender Segmente verschiebt die Risikoverteilung zugunsten einer proaktiven Fehlererkennung und -behebung:

  • Netzbetreiber: Als Betreiber der Infrastruktur tragen Netzbetreiber die Verantwortung für die korrekte Erfassung und Weiterleitung von Zählerständen sowie die Bereitstellung vollständiger Stammdaten (z. B. Messlokationen, Zählpunktbezeichnungen). Durch die obligatorische Kennzeichnung fehlender Segmente wird sichergestellt, dass Unvollständigkeiten nicht unbemerkt bleiben. Dies reduziert das Risiko von Bilanzkreisabweichungen oder Abrechnungsfehlern, für die der Netzbetreiber haftet. Gleichzeitig erhöht sich jedoch der administrative Aufwand, da fehlende Daten aktiv gemeldet und nachgepflegt werden müssen.

  • Lieferanten: Lieferanten sind auf vollständige und korrekte Daten angewiesen, um ihre Bilanzkreise zu führen und die Lieferung an Endkunden abzurechnen. Die Pflicht zur Angabe fehlender Segmente ermöglicht es ihnen, unvollständige Datensätze frühzeitig zu erkennen und Nachbesserungen einzufordern. Allerdings tragen Lieferanten das Risiko, dass sie bei nicht gemeldeten Fehlern (z. B. wenn der Netzbetreiber ein fehlendes Segment nicht kennzeichnet) auf den Folgen sitzen bleiben – etwa in Form von Nachforderungen durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) oder Stornierungen von Lieferantenwechseln.

2.2 Haftung bei Prozessstörungen

Die Risikoverteilung wird durch die Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung (MaBiS) konkretisiert:

  • Lieferantenwechsel: Fehlt ein Segment (z. B. die Bestätigung des Zählerstands zum Wechselzeitpunkt), kann der Wechsel nicht durchgeführt oder rückabgewickelt werden. Die Verantwortung liegt hier beim Netzbetreiber, sofern er das fehlende Segment nicht ordnungsgemäß gemeldet hat. Lieferanten können in solchen Fällen Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn ihnen durch die Verzögerung Kosten entstehen (z. B. durch Doppelbelieferung).

  • Zählerstandsübermittlung: Unvollständige oder fehlende Zählerstände führen zu Schätzungen durch den Netzbetreiber, die später korrigiert werden müssen. Die Pflicht zur Angabe fehlender Segmente stellt sicher, dass Lieferanten keine falschen Schätzungen akzeptieren müssen, sondern auf Nachbesserung bestehen können. Das Risiko von Abrechnungskorrekturen (z. B. nachträgliche Nachzahlungen) liegt damit primär beim Netzbetreiber, sofern dieser die Unvollständigkeit nicht transparent gemacht hat.


3. Praktische Konsequenzen für die Marktteilnehmer

3.1 Netzbetreiber

  • Erhöhter Dokumentationsaufwand: Fehlende Segmente müssen systematisch erfasst und an die Marktpartner kommuniziert werden.
  • Reduziertes Haftungsrisiko: Durch die transparente Meldung von Fehlern können Netzbetreiber nachweisen, dass sie ihrer Informationspflicht nachgekommen sind. Dies begrenzt ihre Haftung für Folgeschäden.
  • Prozessoptimierung: Automatisierte Plausibilitätsprüfungen (z. B. in EDIFACT-Nachrichten) werden notwendig, um fehlende Segmente frühzeitig zu identifizieren.

3.2 Lieferanten

  • Bessere Planbarkeit: Lieferanten können unvollständige Datensätze sofort erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten (z. B. Rückfragen beim Netzbetreiber).
  • Geringeres Korrekturrisiko: Durch die Pflicht zur Kennzeichnung fehlender Segmente sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Lieferanten auf Basis fehlerhafter Daten abrechnen und später nachbessern müssen.
  • Rechtliche Absicherung: Bei Streitigkeiten über Prozessfehler können Lieferanten auf die Nichtmeldung fehlender Segmente als Pflichtverletzung des Netzbetreibers verweisen.

4. Fazit Die obligatorische Angabe fehlender Segmente in der Marktkommunikation führt zu einer klareren Risikoverteilung, indem sie die Verantwortung für Datenqualität und Prozesssicherheit den jeweiligen Marktteilnehmern zuweist. Netzbetreiber tragen das Risiko für die Vollständigkeit und Korrektheit der übermittelten Daten, während Lieferanten durch die Transparenzpflicht in die Lage versetzt werden, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu eskalieren.

Langfristig trägt diese Regelung dazu bei, Prozessstörungen zu reduzieren und die Effizienz der Marktkommunikation zu erhöhen. Allerdings erfordert sie von beiden Seiten höhere Sorgfaltspflichten und investitionen in IT-Systeme, um die Anforderungen umzusetzen. Die Bundesnetzagentur überwacht die Einhaltung dieser Vorgaben und kann bei Verstößen Bußgelder verhängen, was den Anreiz zur Compliance weiter verstärkt.