Willi Mako
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Risikoverteilung durch sequentielle Abbruchlogik erklärt

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Einfluss der sequentiellen Abbruchlogik auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten

Die sequentielle Abbruchlogik bei Zuordnungsprüfungen im Rahmen von Marktkommunikationsprozessen (z. B. nach dem APERAK-Standard) hat erhebliche Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern und Lieferanten im Fehlerfall. Diese Logik sieht vor, dass bei Scheitern einer ersten Zuordnungsprüfung alle nachfolgenden Prüfungen abgebrochen werden und der Prozess mit einer Fehlermeldung endet. Dies führt zu einer asymmetrischen Verantwortungszuweisung, die sowohl prozessuale als auch regulatorische Implikationen hat.


1. Auswirkungen auf die Risikoverteilung

a) Primäre Fehlerzuordnung und Haftungsrisiko

Die Abbruchlogik bewirkt, dass der erste gescheiterte Prüfschritt als alleiniger Auslöser des Fehlers gilt. Dies hat folgende Konsequenzen:

  • Netzbetreiber tragen das Risiko, dass ein Fehler in einer frühen Prüfstufe (z. B. formale Syntaxprüfung, Marktpartneridentifikation) alle weiteren Schritte blockiert – selbst wenn spätere Prüfungen (z. B. inhaltliche Plausibilität, Vertragsbezug) korrekt wären.
  • Lieferanten profitieren zunächst von einer klaren Fehlerzuweisung, da sie nur auf den ersten gescheiterten Schritt reagieren müssen. Allerdings kann dies zu verzögerten Korrekturprozessen führen, wenn der Netzbetreiber den Fehler nicht ausreichend spezifiziert (z. B. durch unklare APERAK-Fehlercodes).

b) Folgefehler und Kaskadeneffekte

Da spätere Prüfungen nicht durchgeführt werden, bleiben potenzielle Folgefehler unentdeckt. Dies kann zu:

  • Mehrfachfehlern führen, wenn der Lieferant nach Korrektur des ersten Fehlers auf weitere Probleme stößt.
  • Verzögerungen in der Abrechnung oder Netzsteuerung, da iterative Korrekturschleifen notwendig werden.
  • Streitigkeiten über die Ursächlichkeit, wenn der Netzbetreiber argumentiert, dass der Lieferant auch spätere Prüfungen hätte vorab validieren müssen.

c) Wirtschaftliche Risiken

  • Netzbetreiber tragen das Risiko von Falschzuordnungen (z. B. wenn ein Lieferantwechsel aufgrund eines frühen Syntaxfehlers nicht erkannt wird), was zu Abrechnungsdifferenzen oder Netzstabilitätsproblemen führen kann.
  • Lieferanten sind mit operativen Mehrkosten konfrontiert, wenn sie aufgrund unvollständiger Fehlerrückmeldungen mehrere Korrekturversuche unternehmen müssen.

2. Prozessuale und regulatorische Hebel zur Klarstellung der Verantwortung

Um die Risikoverteilung zu optimieren und Folgefehler klar zuzuordnen, existieren folgende prozessuale und regulatorische Instrumente:

a) Standardisierung der Fehlerkommunikation (APERAK)

  • Präzisere Fehlercodes: Der APERAK-Standard sollte detaillierte Fehlerbeschreibungen vorsehen, die nicht nur den ersten gescheiterten Schritt, sondern auch mögliche Folgefehler benennen (z. B. durch Referenzierung aller relevanten Prüfschritte).
  • Fehlerhierarchien: Einführung einer priorisierten Fehlerklassifikation, die zwischen blockierenden Fehlern (Abbruch erforderlich) und nicht-blockierenden Warnungen (Prozessfortsetzung möglich) unterscheidet.
  • Automatisierte Plausibilitätsprüfungen: Netzbetreiber könnten vorab prüfen, ob ein Fehler in einer späteren Stufe wahrscheinlich ist, und dies im APERAK vermerken.

b) Regulatorische Vorgaben zur Fehlerbehandlung

  • BNetzA-Festlegungen: Die Bundesnetzagentur könnte verbindliche Regeln für die Fehlerkommunikation erlassen, z. B.:
    • Mindestanforderungen an Fehlercodes (z. B. nach dem EDIFACT-Standard).
    • Maximale Bearbeitungsfristen für Korrekturen, um Verzögerungen zu vermeiden.
    • Pflicht zur Bereitstellung von Testumgebungen, in denen Lieferanten ihre Daten vorab validieren können.
  • Vertragliche Vereinbarungen (GPKE, GeLi Gas): Die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE) und Gas (GeLi Gas) könnten um klare Eskalationsmechanismen ergänzt werden, z. B.:
    • Stufenweise Fehlerbehebung (z. B. 1. Syntaxprüfung, 2. Inhaltsprüfung, 3. Vertragsprüfung).
    • Automatisierte Weiterleitung von Fehlern an verantwortliche Stellen (z. B. bei falschen Zählpunktbezeichnungen).

c) Technische Lösungen zur Risikominimierung

  • Vorabvalidierung durch Lieferanten: Lieferanten könnten eigene Prüftools einsetzen, die die Netzbetreiber-Prüfungen simulieren, um Fehler frühzeitig zu erkennen.
  • Asynchrone Prüfverfahren: Statt eines strikten Abbruchs könnte ein gestuftes Prüfverfahren eingeführt werden, bei dem nicht-blockierende Fehler zunächst nur protokolliert werden, während der Prozess fortgesetzt wird.
  • Datenqualitätsmonitoring: Netzbetreiber und Lieferanten könnten gemeinsame Datenqualitätskennzahlen einführen, um systematische Fehlerquellen zu identifizieren.

d) Haftungsregelungen und Schlichtungsstellen

  • Klare Haftungszuweisung in Marktregeln: Die MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom) und GaBi Gas (Gasbilanzierung) könnten konkrete Regelungen enthalten, wer bei welchen Fehlertypen die Verantwortung trägt.
  • Schlichtungsverfahren: Bei Streitigkeiten über Folgefehler könnte eine unabhängige Schlichtungsstelle (z. B. bei der BNetzA) angerufen werden, um eine verbindliche Entscheidung zu treffen.

3. Fazit und Handlungsempfehlungen

Die sequentielle Abbruchlogik führt zu einer einseitigen Risikoverlagerung auf den Netzbetreiber, da dieser für den ersten Fehler verantwortlich gemacht wird – selbst wenn spätere Prüfungen ebenfalls fehlerhaft wären. Um Transparenz und Fairness zu gewährleisten, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  1. Erweiterung des APERAK-Standards um detailliertere Fehlercodes und mögliche Folgefehler.
  2. Regulatorische Vorgaben zur Fehlerkommunikation und Bearbeitungsfristen.
  3. Technische Lösungen wie Vorabvalidierung und asynchrone Prüfverfahren.
  4. Vertragliche Klarstellungen in GPKE/GeLi Gas zur Haftungsverteilung.

Durch diese Maßnahmen ließe sich die Risikoverteilung ausgewogener gestalten, ohne die Effizienz der Marktkommunikation zu beeinträchtigen. Eine proaktive Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Regulierungsbehörden ist dabei essenziell.