Willi Mako
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Risikoverteilung: MaLo, MeLo & Tranche im Fehlerfall erklärt

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Hierarchische Zuordnung von Markt-, Messlokation und Tranche: Auswirkungen auf die Risikoverteilung im Fehlerfall

Die hierarchische Struktur aus Marktlokation (MaLo), Messlokation (MeLo) und Tranche ist ein zentrales Element des deutschen Energiemarktdesigns. Sie dient der eindeutigen Identifikation von Entnahmestellen, der Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und der transparenten Abwicklung von Liefer- und Netznutzungsprozessen. Die regulatorische Vorgabe dieser Struktur – insbesondere durch das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS) – zielt darauf ab, klare Zuständigkeiten zu definieren, Marktprozesse zu standardisieren und Risiken im Fehlerfall gerecht zu verteilen.


1. Hierarchische Zuordnung und ihre regulatorische Funktion

Die drei Ebenen sind wie folgt definiert und miteinander verknüpft:

  • Marktlokation (MaLo): Die MaLo ist die virtuelle oder physische Entnahmestelle, an der Energie geliefert wird. Sie ist die zentrale Bezugsgröße für Lieferverträge, Bilanzkreiszuordnungen und Netznutzungsentgelte. Jede MaLo ist einem Bilanzkreis zugeordnet, für dessen Ausgleich der Lieferant verantwortlich ist.

  • Messlokation (MeLo): Die MeLo bezeichnet den physischen Ort der Messung (z. B. Zähler). Sie ist der MaLo untergeordnet und kann mehrere MaLos umfassen (z. B. bei Mehrfamilienhäusern mit Unterzählern). Die MeLo ist relevant für die Abrechnung der Netznutzung und die Datenkommunikation zwischen Messstellenbetreiber (MSB), Netzbetreiber (NB) und Lieferant.

  • Tranche: Eine Tranche ist eine Untereinheit der MaLo, die bei Lastprofilkunden (z. B. Haushaltskunden) oder registrierender Leistungsmessung (RLM) zur Differenzierung von Verbrauchsprofilen dient. Sie ermöglicht eine feinere Zuordnung von Lieferverantwortlichkeiten, insbesondere bei gemischten Verbrauchern (z. B. Gewerbe mit Haushaltsanteil).

Regulatorischer Hintergrund: Die Struktur ist notwendig, um:

  • Eindeutige Verantwortlichkeiten zu schaffen (z. B. wer für Bilanzkreisabweichungen haftet),
  • Datenflüsse zu standardisieren (z. B. zwischen MSB, NB und Lieferant),
  • Diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten (EnWG § 20),
  • Transparenz in der Abrechnung zu sichern (z. B. bei Netzentgelten oder EEG-Umlage).

2. Risikoverteilung im Fehlerfall

Die hierarchische Zuordnung beeinflusst, wer im Fehlerfall (z. B. bei falscher Bilanzierung, Messfehlern oder Netzstörungen) welche finanziellen oder operativen Konsequenzen trägt. Die Risikoverteilung folgt dabei dem Verursacherprinzip und den vertraglichen bzw. regulatorischen Pflichten der Akteure.

a) Netzbetreiber (NB)

  • Verantwortung: Der NB ist für die physische Netznutzung und die Messung zuständig. Er muss sicherstellen, dass die MeLo korrekt erfasst und die Messdaten an den Lieferanten und Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) übermittelt werden.
  • Risiko bei Fehlern:
    • Messfehler oder Datenverluste: Der NB haftet für falsche oder fehlende Messdaten, sofern er diese zu verantworten hat (z. B. defekter Zähler, Übertragungsfehler). Die Kosten für Nachberechnungen oder Ausgleichsenergie trägt zunächst der NB, kann diese aber über Netzentgelte weitergeben (sofern regulatorisch zulässig).
    • Netzstörungen: Bei physischen Netzproblemen (z. B. Stromausfall) ist der NB für die Wiederherstellung zuständig. Entgangene Lieferungen werden über Ausgleichsenergie abgewickelt, deren Kosten der BKV trägt.

b) Lieferant / Bilanzkreisverantwortlicher (BKV)

  • Verantwortung: Der Lieferant ist für die Bilanzkreisbewirtschaftung zuständig, d. h., er muss sicherstellen, dass die gelieferte Energie der entnommenen entspricht. Die MaLo ist dabei die zentrale Bezugsgröße.
  • Risiko bei Fehlern:
    • Bilanzkreisabweichungen: Weicht die tatsächliche Entnahme (gemessen an der MeLo) von der prognostizierten Lieferung ab, muss der BKV Ausgleichsenergie beschaffen. Die Kosten hierfür trägt er selbst, sofern die Abweichung nicht auf Messfehler des NB zurückzuführen ist.
    • Falsche Zuordnung von MaLo/MeLo: Wird eine MaLo fälschlich einem falschen Bilanzkreis zugeordnet (z. B. durch fehlerhafte Stammdaten), haftet der Lieferant für die daraus resultierenden Bilanzabweichungen. Die Korrektur obliegt dem NB, aber die finanziellen Folgen trägt der BKV.
    • Tranchenfehler: Bei Lastprofilkunden mit mehreren Tranchen (z. B. Gewerbe + Haushalt) muss der Lieferant sicherstellen, dass jede Tranche korrekt bilanziert wird. Fehler führen zu Nachberechnungen und möglichen Strafzahlungen.

c) Kunde (Letztverbraucher)

  • Verantwortung: Der Kunde ist für die korrekte Meldung von Verbrauchsstellen (z. B. bei Umzügen oder Änderungen der Nutzung) verantwortlich. Bei RLM-Kunden obliegt ihm zudem die Pflicht zur Bereitstellung von Zählerdaten (z. B. bei Fernauslesung).
  • Risiko bei Fehlern:
    • Falsche Stammdaten: Melden Kunden Änderungen (z. B. neue MaLo) nicht oder falsch, kann dies zu Nachforderungen führen (z. B. wenn der Lieferant zu wenig Energie beschafft hat). Der Kunde trägt die Kosten für die Korrektur.
    • Messfehler durch Manipulation: Bei vorsätzlicher Manipulation (z. B. Zählerumgehung) haftet der Kunde für die entgangenen Netzentgelte und Lieferkosten. Der NB kann zudem Strafzahlungen verhängen.

3. Warum ist diese Struktur regulatorisch vorgegeben?

Die hierarchische Zuordnung dient mehreren übergeordneten Zielen:

  1. Markttransparenz und Standardisierung: Durch eindeutige Identifikatoren (MaLo-ID, MeLo-ID) werden Prozesse wie Lieferantenwechsel, Bilanzkreisabrechnung oder Netznutzungsabrechnung automatisierbar und nachvollziehbar. Dies reduziert Transaktionskosten und Fehleranfälligkeit.

  2. Diskriminierungsfreier Netzzugang (EnWG § 20): Die Trennung von physischer Netznutzung (NB) und kommerzieller Lieferung (Lieferant) verhindert, dass Netzbetreiber Lieferanten benachteiligen. Die MaLo als neutrale Bezugsgröße stellt sicher, dass alle Lieferanten gleiche Bedingungen vorfinden.

  3. Risikoallokation nach Verantwortungsbereichen: Die Struktur stellt sicher, dass jeder Akteur nur für die Risiken haftet, die er kontrollieren kann:

    • Der NB für die physische Infrastruktur und Messung,
    • Der Lieferant für die Bilanzkreisbewirtschaftung,
    • Der Kunde für die korrekte Datenmeldung.
  4. Effiziente Bilanzkreisabrechnung (MaBiS): Die MaLo ist die Grundlage für die viertelstündliche Bilanzierung bei RLM-Kunden. Ohne klare Zuordnung wäre eine präzise Abrechnung von Ausgleichsenergie nicht möglich.

  5. Anpassungsfähigkeit an neue Marktmodelle: Die Struktur ermöglicht die Integration neuer Akteure (z. B. Aggregatoren, Mieterstrommodelle) und Technologien (z. B. Smart Meter). Durch die Trennung von MaLo und MeLo können z. B. virtuelle Kraftwerke oder lokale Energiegemeinschaften abgebildet werden.


4. Fazit

Die hierarchische Zuordnung von MaLo, MeLo und Tranche ist kein bürokratisches Relikt, sondern ein notwendiges Steuerungsinstrument für einen funktionierenden Energiemarkt. Sie schafft klare Verantwortlichkeiten, minimiert Reibungsverluste und sorgt dafür, dass Risiken im Fehlerfall fair verteilt werden. Die regulatorische Vorgabe dieser Struktur dient letztlich der Sicherheit der Energieversorgung, der Kosteneffizienz und der Marktstabilität.

Für Marktteilnehmer bedeutet dies:

  • Netzbetreiber müssen in zuverlässige Messinfrastruktur investieren,
  • Lieferanten benötigen präzise Prognose- und Bilanzierungssysteme,
  • Kunden sind verpflichtet, Änderungen korrekt zu melden.

Nur so lässt sich vermeiden, dass Fehler zu unnötigen Kosten oder Versorgungsrisiken führen.