Einfluss des Zeitpunkts bei gescheiterten Lieferantenwechseln auf die Synchronisation der Marktprozesse und regulatorische Risiken
1. Hintergrund und Problemstellung
Bei gescheiterten Lieferantenwechseln im Energiemarkt ist die korrekte zeitliche Zuordnung des Wechselvorgangs entscheidend für die Synchronisation der Marktprozesse zwischen Messstellenbetreiber (MSB), Lieferanten und Netzbetreibern. Die Festlegung des relevanten Zeitpunkts – entweder das Nachrichtendatum (DTM+137) oder der tatsächliche Wechselzeitpunkt – hat direkte Auswirkungen auf die Abrechnung, die Bilanzierung und die regulatorische Compliance.
2. Synchronisation der Marktprozesse
2.1 Rolle der Zeitstempel in der Marktkommunikation
Die Marktprozesse für den Lieferantenwechsel (GPKE/GeLi Gas) basieren auf standardisierten Nachrichtenformaten (EDIFACT), in denen Zeitstempel (z. B. DTM+137) die zeitliche Referenz für den Wechselvorgang darstellen. Bei einem gescheiterten Wechsel wird das Nachrichtendatum als Referenzzeitpunkt herangezogen, um:
- Abrechnungszeiträume zwischen altem und neuem Lieferanten zu trennen,
- Bilanzkreisabrechnungen korrekt zuzuordnen,
- Netznutzungsabrechnungen mit dem Netzbetreiber zu synchronisieren.
2.2 Asynchrone Zeitstempel und ihre Folgen
Falls der tatsächliche Wechselzeitpunkt (z. B. durch manuelle Korrekturen oder Systemfehler) vom Nachrichtendatum abweicht, entstehen zeitliche Inkonsistenzen, die zu folgenden Problemen führen:
- Doppelte oder fehlende Abrechnung: Lieferanten könnten für denselben Zeitraum sowohl vom alten als auch vom neuen Lieferanten belastet werden (oder umgekehrt).
- Bilanzkreisungleichgewichte: Netzbetreiber und Bilanzkreisverantwortliche (BKV) müssen die Energiemengen korrekt zuordnen. Asynchrone Zeitstempel führen zu Fehlbuchungen in der Bilanzkreisabrechnung.
- Verzögerte Marktprozesse: Netzbetreiber und MSB müssen bei Diskrepanzen manuelle Korrekturen vornehmen, was zu Verzögerungen in der Abrechnung führt.
3. Regulatorische und abrechnungstechnische Risiken
3.1 Regulatorische Vorgaben (EnWG, MaBiS, GPKE/GeLi Gas)
Die Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS) und die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Gas (GeLi Gas) sehen vor, dass Zeitstempel eindeutig und nachvollziehbar sein müssen. Abweichungen können zu:
- Verstößen gegen § 20 EnWG (Diskriminierungsverbot) führen, wenn Lieferanten oder Netzbetreiber durch falsche Zeitstempel benachteiligt werden.
- Strafen durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) bei systematischen Fehlern in der Marktkommunikation.
- Haftungsrisiken für den MSB, falls durch falsche Zeitstempel finanzielle Nachteile für Lieferanten oder Netzbetreiber entstehen.
3.2 Abrechnungstechnische Risiken
- Falsche Netznutzungsabrechnung: Netzbetreiber berechnen die Netzentgelte auf Basis der gemeldeten Wechselzeitpunkte. Asynchrone Zeitstempel führen zu falschen Entgeltzuordnungen.
- Reklamationsaufwand: Lieferanten müssen bei Diskrepanzen Nachberechnungen anfordern, was zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand führt.
- Vertragsstrafen: In Lieferverträgen können Pönalen für verspätete oder fehlerhafte Wechselmeldungen vereinbart sein.
4. Lösungsansätze und Empfehlungen
Um die Synchronisation der Marktprozesse zu gewährleisten und regulatorische Risiken zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Automatisierte Zeitstempelprüfung: MSB und Lieferanten sollten Systeme einsetzen, die automatisch prüfen, ob das Nachrichtendatum (DTM+137) mit dem tatsächlichen Wechselzeitpunkt übereinstimmt.
- Klare Eskalationsprozesse: Bei Diskrepanzen müssen standardisierte Korrekturverfahren (z. B. Stornierung und Neumeldung) definiert sein.
- Dokumentation und Nachweispflicht: Alle Zeitstempel müssen revisionssicher archiviert werden, um bei Streitfällen nachweisen zu können, welcher Zeitpunkt maßgeblich war.
- Regelmäßige Schulungen: Mitarbeiter in MSB, Lieferanten und Netzbetrieben sollten in den Marktprozessen und Zeitstempelregeln geschult werden.
5. Fazit
Die Wahl des Zeitpunkts bei gescheiterten Lieferantenwechseln hat direkte Auswirkungen auf die Marktprozesse, die Abrechnung und die regulatorische Compliance. Asynchrone Zeitstempel führen zu Abrechnungsfehlern, Bilanzkreisungleichgewichten und regulatorischen Risiken. Eine automatisierte, transparente und nachvollziehbare Zeitstempelverwaltung ist daher essenziell, um die Synchronisation zwischen MSB, Lieferanten und Netzbetreibern sicherzustellen und rechtliche sowie finanzielle Risiken zu minimieren.