Willi Mako
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Synchrone Fehlerbehandlung & NRR: Prozessoptimierung in der Energiewirtschaft

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Einfluss der synchronen Fehlerbehandlung und NRR-Quittung auf die Prozessgestaltung in der Energiewirtschaft

1. Technische Umsetzung und Abhängigkeiten

Die im BDEW AS4-Profil festgelegte synchrone Fehlerbehandlung und die zwingende Non-Repudiation-Receipt (NRR) haben direkte Auswirkungen auf die technische Infrastruktur und die Prozessgestaltung zwischen Marktpartnern in der Energiewirtschaft. Die Vorgaben erfordern eine Echtzeit-Kommunikation mit folgenden Konsequenzen:

1.1 Synchrone Fehlerrückmeldung

  • PMode[1].ErrorHandling.Report.AsResponse = true erzwingt, dass Fehler unmittelbar an den Sender zurückgemeldet werden. Dies eliminiert asynchrone Fehlerbehandlungsprozesse und erfordert eine durchgängige Verfügbarkeit der Kommunikationssysteme.
  • PMode[1].ErrorHandling.Report.ProcessErrorNotifyConsumer = true (SOLL) bedeutet, dass auch der Empfänger über Fehler informiert werden sollte. Dies erhöht die Transparenz, setzt aber voraus, dass alle beteiligten Systeme (z. B. Marktkommunikationsplattformen, ERP-Systeme) diese Benachrichtigungen verarbeiten können.
  • Auswirkungen auf die IT-Architektur:
    • Latenzminimierung: Da Fehler synchron behandelt werden, müssen Netzwerkinfrastrukturen und Middleware (z. B. AS4-Gateways) auf geringe Antwortzeiten optimiert sein.
    • Fehlertoleranz: Systeme müssen robust gegen temporäre Ausfälle sein, da eine fehlende Rückmeldung den gesamten Prozess blockiert. Die ReceptionAwareness mit automatischen Wiederholungen (Retry) und Duplikaterkennung mildert dies ab, erfordert aber eine präzise Konfiguration der Parameter (z. B. Wiederholungsintervalle, maximale Versuche).

1.2 NRR-Quittung als verbindlicher Empfangsnachweis

  • PMode[1].Security.SendReceipt.NonRepudiation = true und ReplyPattern = Response stellen sicher, dass der Empfänger den Erhalt einer Nachricht kryptografisch signiert bestätigt. Dies dient der rechtlichen Absicherung und ist insbesondere für regulatorische Anforderungen (z. B. MaBiS – Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom) relevant.
  • Technische Anforderungen:
    • Signaturverfahren: Die NRR muss gemäß AS4-Spezifikation mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) versehen sein, was eine PKI-Infrastruktur (Public Key Infrastructure) bei allen Marktpartnern voraussetzt.
    • Speicherungspflichten: Da die NRR als Nachweis für die Unabstreitbarkeit des Empfangs dient, müssen Sender und Empfänger diese archivieren (gemäß § 257 HGB, GoBD). Dies erfordert revisionssichere Speicherlösungen.
    • Performance-Einfluss: Die synchrone Quittung verlängert die Transaktionsdauer, da der Sender auf die Bestätigung warten muss. Bei hohen Nachrichtenvolumina (z. B. in der Bilanzkreisabrechnung) kann dies zu Engpässen führen.

2. Regulatorische Vorgaben und Compliance

Die Anforderungen des BDEW AS4-Profils sind eng mit gesetzlichen und branchenspezifischen Regelwerken verknüpft, insbesondere:

2.1 MaBiS (Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom)

  • § 4 MaBiS verlangt eine nachweisbare und manipulationssichere Kommunikation zwischen Bilanzkreisverantwortlichen (BKV), Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) und Verteilnetzbetreibern (VNB).
  • Die NRR-Quittung erfüllt diese Anforderung, da sie eine gerichtsfeste Dokumentation des Nachrichtenaustauschs ermöglicht.
  • Synchrone Fehlerbehandlung stellt sicher, dass fehlerhafte Nachrichten (z. B. falsche Bilanzkreiszuordnungen) sofort erkannt und korrigiert werden, was die Datenqualität in der Abrechnung erhöht.

2.2 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) und Messstellenbetriebsgesetz (MsbG)

  • § 47 EnWG fordert eine zuverlässige Datenübermittlung im Messwesen. Die ReceptionAwareness mit automatischen Wiederholungen und Duplikaterkennung unterstützt dies, indem sie die Vollständigkeit und Eindeutigkeit der übertragenen Messdaten sicherstellt.
  • § 55 MsbG verlangt eine sichere und nachvollziehbare Kommunikation zwischen Messstellenbetreibern und Netzbetreibern. Die NRR-Quittung dient hier als Beweis für die Erfüllung der Meldepflichten.

2.3 EU-Richtlinien (z. B. RED II, Clean Energy Package)

  • Die EU-Richtlinie 2019/944 (Strombinnenmarkt) betont die Bedeutung digitaler Prozesse für die Marktintegration. Die synchrone Fehlerbehandlung und NRR-Quittung tragen dazu bei, Medienbrüche zu vermeiden und die Interoperabilität zwischen Marktpartnern zu gewährleisten.

3. Operative Verantwortung für Datenintegrität

Die Umsetzung der technischen und regulatorischen Vorgaben erfordert eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten zwischen den Marktpartnern:

3.1 Rollen und Pflichten

Rolle Verantwortung
Sender - Sicherstellung der korrekten Nachrichtenformatierung (z. B. MIME-Typ application/octet-stream).
- Archivierung der NRR-Quittung als Empfangsnachweis.
- Konfiguration der Retry- und Duplikaterkennungsparameter.
Empfänger - Sofortige Generierung und Rücksendung der NRR-Quittung.
- Validierung der Nachricht (z. B. Signaturprüfung).
- Archivierung der empfangenen Nachricht inkl. NRR.
Netzbetreiber/ÜNB - Überwachung der Kommunikationsprozesse (z. B. via Marktkommunikationsplattformen).
- Eskalationsmanagement bei fehlenden Quittungen oder Fehlern.
IT-Dienstleister - Bereitstellung und Wartung der AS4-Infrastruktur (Gateways, PKI, Monitoring).
- Sicherstellung der Hochverfügbarkeit (z. B. durch redundante Systeme).

3.2 Risiken und Herausforderungen

  • Abhängigkeit von der Systemverfügbarkeit: Ein Ausfall des Empfängersystems führt zu fehlenden NRR-Quittungen und damit zu Prozessabbrüchen. Dies erfordert Notfallpläne (z. B. manuelle Nachbearbeitung).
  • Komplexität der Fehlerdiagnose: Synchrone Fehlerrückmeldungen erfordern detaillierte Protokollierung, um Ursachen (z. B. Netzwerkprobleme, falsche Signaturen) schnell zu identifizieren.
  • Datenvolumen und Performance: Die NRR-Quittung erhöht den Datenverkehr, insbesondere bei großen Nachrichten (z. B. Lastgangdaten). Die GZIP-Komprimierung (PMode[1].PayloadService.CompressionType) mildert dies, setzt aber voraus, dass alle Systeme diese unterstützen.

4. Fazit: Prozessuale und organisatorische Anpassungen

Die synchrone Fehlerbehandlung und NRR-Quittung im BDEW AS4-Profil führen zu einer höheren Prozesssicherheit, erfordern aber technische, regulatorische und organisatorische Anpassungen:

  1. Technisch:

    • Implementierung robuster AS4-Gateways mit ReceptionAwareness und NRR-Unterstützung.
    • Einrichtung einer PKI-Infrastruktur für qualifizierte Signaturen.
    • Optimierung der Netzwerkinfrastruktur für geringe Latenzzeiten.
  2. Regulatorisch:

    • Einhaltung der MaBiS-, EnWG- und GoBD-Anforderungen durch revisionssichere Archivierung.
    • Dokumentation der Prozesse für Audits (z. B. durch die Bundesnetzagentur).
  3. Operativ:

    • Klare Rollenverteilung zwischen Sendern, Empfängern und Netzbetreibern.
    • Monitoring und Eskalationsmanagement für fehlende Quittungen oder Fehler.
    • Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit AS4-Nachrichten und NRR-Prozessen.

Die Umstellung auf diese Vorgaben ist kein reines IT-Projekt, sondern erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der Marktkommunikation in der Energiewirtschaft. Die Vorteile – höhere Datenqualität, rechtliche Absicherung und Prozessautomatisierung – überwiegen langfristig die initialen Implementierungskosten.