Willi Mako
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Systemische Plausibilitätsprüfungen: Risiko & Kosten optimieren

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TAGS [MESSSTELLENBETREIBER][PROZESS][GPKE][BILANZ][BILANZKREIS]

Systemische Handhabung von Plausibilitätsprüfungen: Auswirkungen auf die Risikoverteilung und prozessuale Hebel zur Kostenminimierung

1. Einfluss auf die Risikoverteilung zwischen Marktakteuren

Plausibilitätsprüfungen (z. B. Zeitangaben, Segmentwiederholungen) dienen der Sicherstellung valider Mess- und Abrechnungsdaten im Energiemarkt. Ihre systemische Handhabung hat direkte Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen Netzbetreibern (NB), Lieferanten (LF) und Messstellenbetreibern (MSB):

  • Netzbetreiber (NB): Als verantwortliche Instanz für die Datenvalidierung tragen NB das primäre Risiko bei fehlerhaften Plausibilitätsprüfungen. Unplausible Zeitangaben (z. B. Z41) oder überschrittene Segmentwiederholungen führen zu Abrechnungsunsicherheiten, die zu Nachberechnungen, Korrekturaufwänden oder sogar regulatorischen Sanktionen führen können. Da NB die Datenhoheit besitzen, obliegt ihnen die Pflicht, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu eskalieren.

  • Lieferanten (LF): LF sind auf valide Messdaten angewiesen, um Energiebeschaffung, Bilanzierung und Endkundenabrechnung korrekt durchzuführen. Fehlerhafte Plausibilitätsprüfungen führen zu Bilanzkreisabweichungen, die finanzielle Risiken (z. B. Ausgleichsenergiekosten) oder Reputationsschäden nach sich ziehen. Da LF keine direkte Kontrolle über die Messdaten haben, sind sie auf die Zuverlässigkeit der NB und MSB angewiesen.

  • Messstellenbetreiber (MSB): MSB tragen das Risiko für technische Störungen (z. B. defekte Zähler, Übertragungsfehler), die zu unplausiblen Daten führen. Bei wiederholten Validierungsfehlern können MSB für Nachmessungen, Gerätetausch oder Schadensersatzforderungen haftbar gemacht werden. Gleichzeitig sind sie auf klare Eskalationswege angewiesen, um Fehlerursachen schnell zu beheben.

Risikoverschiebung durch Regelwerke: Die konkrete Risikoverteilung wird durch Marktregeln (z. B. MaBiS, GPKE) und vertragliche Vereinbarungen (z. B. Messstellenverträge) definiert. Beispielsweise sieht § 60 EnWG vor, dass NB für die Datenvalidierung verantwortlich sind, während MSB für die technische Messinfrastruktur haften. Lieferanten können bei systematischen Fehlern Regressansprüche geltend machen, sofern sie nachweisen, dass die Fehler auf Versäumnisse der NB oder MSB zurückgehen.


2. Prozessuale Hebel zur Minimierung von Eskalationskosten

Wiederholte Validierungsfehler verursachen hohe Eskalationskosten (z. B. manuelle Nachbearbeitung, Schiedsverfahren, regulatorische Bußgelder). Um diese zu minimieren, können folgende prozessuale Maßnahmen ergriffen werden:

a) Automatisierte Fehlererkennung und -klassifizierung
  • Echtzeit-Plausibilitätsprüfungen: Durch den Einsatz von KI-gestützten Algorithmen können unplausible Zeitangaben (Z41) oder Segmentwiederholungen frühzeitig erkannt und priorisiert werden. Automatisierte Workflows leiten Fehler direkt an die zuständigen Akteure weiter (z. B. MSB bei technischen Störungen, NB bei Datenübertragungsfehlern).
  • Dynamische Schwellenwerte: Statt starrer Plausibilitätsgrenzen können adaptive Schwellenwerte (z. B. basierend auf historischen Verbrauchsmustern) eingesetzt werden, um Fehlalarme zu reduzieren.
b) Klare Eskalations- und Verantwortungsstrukturen
  • Rollenbasierte Eskalationspfade: Definierte Prozesse legen fest, wer bei welchem Fehlertyp (z. B. Z41 vs. Segmentwiederholung) informiert wird und innerhalb welcher Fristen reagieren muss. Beispiel:
    • MSB bei technischen Fehlern (z. B. Zählerdefekt),
    • NB bei Datenübertragungsfehlern,
    • LF bei Abrechnungsrelevanz.
  • SLA-basierte Reaktionszeiten: Service-Level-Agreements (SLAs) zwischen NB, MSB und LF legen verbindliche Fristen für Fehlerbehebung fest (z. B. 24 Stunden für kritische Fehler).
c) Standardisierte Fehlerdokumentation und Ursachenanalyse
  • Zentrale Fehlerdatenbank: Alle Validierungsfehler werden in einer gemeinsamen Datenbank erfasst, inkl. Ursachenklassifizierung (z. B. "Zählerdefekt", "Übertragungsstörung"). Dies ermöglicht eine trendbasierte Analyse und gezielte Gegenmaßnahmen.
  • Root-Cause-Analysen (RCA): Bei wiederholten Fehlern werden systematische Ursachen identifiziert (z. B. fehlerhafte Zählerchargen, Netzstörungen) und behoben. RCA-Teams aus NB, MSB und LF arbeiten hier eng zusammen.
d) Präventive Maßnahmen zur Fehlervermeidung
  • Regelmäßige Gerätewartung: MSB führen vorbeugende Wartungen an Zählern und Kommunikationseinheiten durch, um technische Störungen zu minimieren.
  • Schulungen und Prozessoptimierung: Schulungen für Mitarbeiter (z. B. zur korrekten Zeitstempelung) und die Automatisierung manueller Prozesse (z. B. Datenübertragung) reduzieren menschliche Fehlerquellen.
  • Testumgebungen für neue Systeme: Vor der Einführung neuer Mess- oder Abrechnungssysteme werden diese in Testumgebungen auf Plausibilitätsfehler geprüft.
e) Finanzielle Anreize und Haftungsregelungen
  • Bonus-Malus-Systeme: Vertragliche Vereinbarungen können finanzielle Anreize für fehlerfreie Datenlieferung setzen (z. B. Prämien für MSB bei unterdurchschnittlicher Fehlerquote) oder Strafen bei wiederholten Fehlern vorsehen.
  • Klar definierte Haftungsregeln: In Messstellenverträgen wird festgelegt, wer bei welchen Fehlertypen haftet (z. B. MSB für Zählerdefekte, NB für Datenübertragungsfehler). Dies vermeidet langwierige Streitigkeiten.

3. Fazit: Systemische Risikominimierung durch Prozessintegration

Die systemische Handhabung von Plausibilitätsprüfungen beeinflusst maßgeblich die Risikoverteilung zwischen NB, LF und MSB. Während NB und MSB die Hauptverantwortung für Datenvalidierung und technische Infrastruktur tragen, sind LF auf fehlerfreie Daten angewiesen. Durch automatisierte Fehlererkennung, klare Eskalationswege, präventive Maßnahmen und finanzielle Anreize lassen sich Eskalationskosten deutlich reduzieren. Entscheidend ist eine kooperative Fehlerkultur, in der alle Akteure gemeinsam an der Verbesserung der Datenqualität arbeiten – statt sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben.

Empfehlung:

  • Regelmäßige Überprüfung der Plausibilitätsregeln (z. B. Anpassung von Schwellenwerten an veränderte Verbrauchsmuster).
  • Investitionen in digitale Tools (z. B. KI-basierte Fehlererkennung, zentrale Datenbanken).
  • Transparente Kommunikation zwischen NB, MSB und LF, um Fehlerursachen schnell zu identifizieren und zu beheben.