Behördliche Information: Systemische Auswirkungen von Diskrepanzen zwischen codierten und tatsächlichen Objekteigenschaften in der Prozessabwicklung
1. Problemstellung: Auswirkungen der Eigenschaftsdiskrepanz auf die Geschäftslogik
Die Abweichung zwischen der im Geschäftsvorfall codierten Objekteigenschaft und der tatsächlichen Eigenschaft des referenzierten Objekts stellt ein systemisches Risiko für die Integrität der Prozessabwicklung dar. Diese Fehlzuordnung kann folgende Konsequenzen haben:
1.1 Operative Risiken
Fehlerhafte Prozessfortführung: Die Geschäftslogik basiert auf der Annahme, dass das identifizierte Objekt die codierten Eigenschaften erfüllt. Fehlt diese Eigenschaft, können nachgelagerte Schritte (z. B. Freigaben, Berechnungen, Dokumentationen) auf falschen Prämissen aufbauen. Beispiel:
- Ein Zahlungsauftrag wird einem Konto mit codierter Eigenschaft "SEPA-fähig" zugeordnet, das Konto ist jedoch technisch nicht für SEPA-Transaktionen aktiviert. Die Transaktion scheitert oder wird fehlerhaft verarbeitet.
- Ein Lagerartikel mit codierter Eigenschaft "gefährlicher Stoff" wird ohne entsprechende Sicherheitsmaßnahmen kommissioniert, was gegen Arbeitsschutzvorgaben verstößt.
Dateninkonsistenzen: Die Diskrepanz führt zu logischen Brüchen in der Datenhaltung. Systeme, die auf die codierte Eigenschaft referenzieren (z. B. Reporting, Compliance-Prüfungen), generieren falsche Ergebnisse. Dies kann zu:
- Falschen Meldepflichten (z. B. an Aufsichtsbehörden),
- Fehlallokationen von Ressourcen (z. B. Steuerberechnungen),
- Manipulationsverdacht (z. B. bei Abweichungen in Audit-Logs) führen.
1.2 Regulatorische und rechtliche Risiken
Verstoß gegen Compliance-Vorgaben: Viele regulatorische Rahmenwerke (z. B. MaRisk, DSGVO, ISO 20022, BAIT) fordern die Konsistenz zwischen codierten und tatsächlichen Eigenschaften. Beispiele:
- § 25a KWG (Bankenaufsicht): Erfordert eine "ordnungsgemäße Geschäftsorganisation", die durch inkonsistente Daten untergraben wird.
- Art. 5 DSGVO: Verlangt "Richtigkeit" personenbezogener Daten – eine codierte Eigenschaft wie "Kunde mit berechtigtem Interesse" muss der Realität entsprechen.
- EDI-Standards (z. B. APERAK): Definieren Prüfregeln für Geschäftsvorfälle, deren Verletzung zu Ablehnungen oder Sanktionen führt.
Haftungsrisiken: Bei Schäden durch fehlerhafte Prozessabwicklung (z. B. falsche Lieferungen, Finanztransaktionen) kann der Nachweis der Sorgfaltspflichtverletzung erbracht werden. Dies betrifft insbesondere:
- Vertragliche Pflichten (z. B. SLAs in Lieferketten),
- Aufsichtspflichten (z. B. bei Outsourcing an Dienstleister).
2. Systemische Anpassungen zur Vermeidung von Fehlzuordnungen
Um Diskrepanzen regulatorisch konform und prozesssicher zu vermeiden, sind mehrschichtige Maßnahmen erforderlich, die technische, organisatorische und prozessuale Ebenen adressieren.
2.1 Technische Lösungen
Echtzeit-Validierung der Objekteigenschaften: Implementierung von Prüfmechanismen, die vor der Zuordnung eines Geschäftsvorfalls die tatsächlichen Eigenschaften des Objekts abfragen. Dies kann erfolgen durch:
- API-basierte Abgleiche mit Quellsystemen (z. B. Stammdatenbanken, ERP-Systeme),
- Regelbasierte Plausibilitätsprüfungen (z. B. "Wenn Eigenschaft X codiert ist, muss Feld Y im Objekt den Wert Z enthalten"),
- Blockchain- oder Hash-basierte Integritätsprüfungen für kritische Objekte (z. B. in der Lieferkette).
Erweiterte Prüfidentifikatoren: Erweiterung der im APERAK-Handbuch definierten Tupel um dynamische Attribute, die nicht nur die Identität, sondern auch die relevanten Eigenschaften des Objekts verifizieren. Beispiel:
Prüfidentifikator: [Objekt-ID, Geschäftsvorfallstyp, Erforderliche_Eigenschaft, Aktueller_Wert]Bei Abweichung wird der Geschäftsvorfall automatisch zurückgewiesen oder in einen Eskalationsprozess geleitet.
Automatisierte Korrektur-Workflows: Bei Erkennung einer Diskrepanz:
- Stopp des Geschäftsvorfalls mit Benachrichtigung an verantwortliche Rollen,
- Automatisierte Anfrage an das Quellsystem zur Aktualisierung der Objekteigenschaft,
- Dokumentation der Abweichung in einem revisionssicheren Log (z. B. für Audits).
2.2 Organisatorische Maßnahmen
Stammdatenmanagement (MDM):
- Zentrale Verantwortung für Objekteigenschaften (z. B. durch ein Data Governance Team),
- Regelmäßige Synchronisation zwischen Systemen (z. B. monatliche Abgleiche zwischen ERP und CRM),
- Rollenbasierte Berechtigungen für Änderungen an kritischen Eigenschaften (z. B. Vier-Augen-Prinzip).
Schulungen und Awareness:
- Sensibilisierung von Mitarbeitern für die Bedeutung konsistenter Objekteigenschaften,
- Schulungen zu Prüfmechanismen (z. B. wie man Diskrepanzen im APERAK-Report erkennt).
2.3 Prozessuale Anpassungen
Vorabprüfung in der Geschäftsvorfall-Erstellung: Integration einer Prüfroutine bereits bei der Anlage eines Geschäftsvorfalls, die:
- Die codierte Eigenschaft mit den tatsächlichen Daten abgleicht,
- Bei Abweichung eine manuelle Freigabe durch autorisierte Personen erzwingt.
Eskalationsprozesse für kritische Abweichungen: Definition klarer Schwellenwerte (z. B. "Bei Abweichung in Eigenschaft X ist eine Meldung an die Compliance-Abteilung erforderlich").
Dokumentationspflichten:
- Automatisierte Protokollierung aller Diskrepanzen (inkl. Zeitstempel, verantwortliche Person, Korrekturmaßnahmen),
- Regelmäßige Audits durch interne Revision oder externe Prüfer.
3. Regulatorische Konformität sicherstellen
Die genannten Maßnahmen müssen dokumentiert und nachweisbar sein, um Compliance-Anforderungen zu erfüllen. Relevante Standards und Vorgaben umfassen:
- ISO 20022: Definiert Nachrichtenformate und Validierungsregeln für Finanztransaktionen.
- BAIT (Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT): Fordert "angemessene Kontrollen" für Datenintegrität.
- EU-Verordnung 2018/1807 (Daten-Governance): Verlangt Mechanismen zur Sicherstellung der Datenqualität.
Empfehlung:
- Pilotierung der Anpassungen in einem nicht-kritischen Prozessbereich,
- Regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit durch Testfälle (z. B. simulierte Diskrepanzen),
- Einbindung der Aufsichtsbehörden bei grundlegenden Änderungen (z. B. bei Banken: BaFin).
4. Fazit
Die Diskrepanz zwischen codierten und tatsächlichen Objekteigenschaften gefährdet die Prozesssicherheit, Compliance und Datenintegrität. Durch eine Kombination aus technischen Validierungsmechanismen, organisatorischer Verantwortung und prozessualen Kontrollen lässt sich das Risiko minimieren. Entscheidend ist die Nachweisbarkeit der Maßnahmen, um regulatorischen Anforderungen zu genügen. Eine kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Systeme ist unerlässlich, da sich sowohl Geschäftsprozesse als auch regulatorische Vorgaben dynamisch entwickeln.
Weitere Informationen:
- APERAK-Anwendungshandbuch (Seite 51 ff.)
- BaFin-Rundschreiben zu BAIT (2021)
- ISO 20022-Nachrichtenstandards (www.iso20022.org)