Prozessuale Verantwortung und regulatorische Implikationen bei der Trennung von CONTRL- und APERAK-Anwendungshandbüchern
1. Auswirkungen auf die Fehlererkennung und -behebung zwischen Marktpartnern
Die Aufteilung der Anwendungshandbücher (AHB) für CONTRL (syntaktische Prüfung) und APERAK (semantische und prozessuale Fehlerrückmeldung) führt zu einer klareren Zuordnung von Verantwortlichkeiten, ohne die grundsätzliche Fehlerbehandlungslogik zu verändern. Die Trennung hat folgende Konsequenzen:
Syntaktische Fehler (CONTRL): Die Verantwortung für die Erkennung und Behebung von Formatfehlern (z. B. ungültige Segmentstruktur, falsche Zeichensätze, fehlende Pflichtfelder) liegt primär beim Sender der Nachricht. CONTRL prüft ausschließlich die technische Konformität mit dem EDIFACT-Standard und den Vorgaben des AHB. Fehlercodes wie Z35 („Format nicht eingehalten“) oder Z39 („Code nicht aus erlaubtem Wertebereich“) fallen in diesen Bereich. Der Empfänger ist lediglich für die korrekte Weiterleitung der CONTRL-Fehlermeldung zuständig, nicht jedoch für deren inhaltliche Analyse.
Semantische und prozessuale Fehler (APERAK): Hier liegt die Verantwortung für die Fehlererkennung beim Empfänger, der die Nachricht inhaltlich prüft (z. B. Plausibilität von Mengenangaben, Referenznummern oder Geschäftsvorfall-Logik). Fehler wie Z21 („Geschäftsvorfall-interne Referenzierung fehlerhaft“) oder Z29 („Erforderliche Angabe für diesen Anwendungsfall fehlt“) werden über APERAK zurückgemeldet. Der Sender muss diese Rückmeldung auswerten und korrigieren. Die Behebungsfristen richten sich nach den vertraglichen oder regulatorischen Vorgaben (z. B. § 14 EnWG für den deutschen Energiemarkt).
Schnittstellenverantwortung: Die Trennung der AHB erfordert eine explizite Vereinbarung zwischen den Marktpartnern, wer für welche Fehlerkategorie zuständig ist. Fehlt eine solche Regelung, kann es zu Verzögerungen kommen, wenn z. B. der Empfänger einen syntaktischen Fehler (CONTRL) als semantischen Fehler (APERAK) klassifiziert oder umgekehrt. Dies betrifft insbesondere automatisierte Prozesse, bei denen Fehlercodes falsch interpretiert werden.
2. Regulatorische Implikationen für Nachweispflichten bei Streitfällen
Die Trennung der AHB hat direkte Auswirkungen auf die Dokumentations- und Nachweispflichten im Streitfall, insbesondere im Rahmen von:
Beweislastverteilung:
- Bei CONTRL-Fehlern muss der Sender nachweisen, dass die Nachricht den technischen Vorgaben entsprach (z. B. durch Protokolle der EDI-Software oder Logdateien).
- Bei APERAK-Fehlern obliegt dem Empfänger die Pflicht, die inhaltliche Fehlerhaftigkeit zu belegen (z. B. durch Screenshots der Prüfroutine oder Vergleich mit Referenzdaten).
- Fehlt eine klare Zuordnung, kann es zu Beweislücken kommen, wenn z. B. ein APERAK-Fehler fälschlich als CONTRL-Fehler behandelt wird.
Regulatorische Vorgaben (z. B. EnWG, MaBiS, GPKE):
- Im Energiemarkt sind die Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) und der Marktregeln (z. B. MaBiS für Messwesen, GPKE für Bilanzierung) zu beachten. Diese fordern eine lückenlose Nachvollziehbarkeit von Fehlermeldungen und Korrekturmaßnahmen.
- Die Trennung der AHB erleichtert zwar die technische Prüfung, erhöht aber den Aufwand für die prozessuale Dokumentation. Marktpartner müssen sicherstellen, dass:
- CONTRL- und APERAK-Fehlermeldungen getrennt protokolliert werden,
- Korrekturmaßnahmen zeitlich und inhaltlich nachweisbar sind (z. B. durch Zeitstempel und Versionierung der Nachrichten),
- Eskalationsprozesse bei wiederholten Fehlern (z. B. mehrfache Z38-Fehler) definiert sind.
Haftungsfragen:
- Bei wiederholten syntaktischen Fehlern (CONTRL) kann der Empfänger die Annahme der Nachricht verweigern, sofern dies vertraglich vereinbart ist. Die Beweislast liegt beim Sender.
- Bei semantischen Fehlern (APERAK) hängt die Haftung davon ab, ob der Fehler auf falsche Daten (Verantwortung des Senders) oder fehlerhafte Prüfung (Verantwortung des Empfängers) zurückzuführen ist. Hier sind individuelle Vereinbarungen (z. B. in Rahmenverträgen) entscheidend.
3. Praktische Empfehlungen für Marktpartner
Um Konflikte zu vermeiden, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Klare vertragliche Regelungen:
- Definition der Verantwortlichkeiten für CONTRL- und APERAK-Fehler,
- Festlegung von Reaktionszeiten (z. B. 24 Stunden für CONTRL-Fehler, 48 Stunden für APERAK-Fehler),
- Vereinbarung von Eskalationsstufen bei wiederholten Fehlern.
Technische Umsetzung:
- Automatisierte Protokollierung aller Fehlermeldungen (inkl. Zeitstempel und Fehlercode),
- Trennung der Fehlerlogs nach CONTRL und APERAK,
- Regelmäßige Abgleiche zwischen den Systemen der Marktpartner.
Dokumentation für regulatorische Anforderungen:
- Nachweis der Korrekturmaßnahmen (z. B. durch Screenshots oder Logdateien),
- Archivierung der ursprünglichen Nachrichten und Fehlermeldungen für mindestens 3 Jahre (gemäß § 257 HGB und EnWG),
- Bereitstellung der Unterlagen bei Prüfungen durch die BNetzA oder Wirtschaftsprüfer.
4. Fazit
Die Trennung der CONTRL- und APERAK-AHB führt zu einer präziseren Fehlerzuordnung, erhöht jedoch den Koordinationsaufwand zwischen den Marktpartnern. Während syntaktische Fehler (CONTRL) klar dem Sender zuzuordnen sind, erfordert die Behandlung semantischer Fehler (APERAK) eine enge Abstimmung. Regulatorisch ist die Trennung unproblematisch, sofern die Nachweispflichten erfüllt werden. Marktpartner sollten daher vertragliche und technische Vorkehrungen treffen, um Streitfälle zu vermeiden und Compliance-Anforderungen zu erfüllen.