Risikoverteilung und prozessuale Hebel bei Diskrepanzen zwischen UTILMD und MSCONS
1. Auswirkungen der dynamischen Diskrepanz auf die Risikoverteilung
Die Abweichung zwischen den in der UTILMD (Stammdaten) vereinbarten Zählerstandsformaten und den in der MSCONS (Messwertübermittlung) tatsächlich übermittelten Werten führt zu systemischen und finanziellen Risiken, die sich ungleich auf die Marktrollen verteilen:
a) Lieferant
- Abrechnungsrisiko: Der Lieferant ist für die korrekte Belieferung und Abrechnung verantwortlich. Bei überschrittenen Vorkommastellen (z. B. durch falsche Skalierung in MSCONS) kann es zu:
- Über- oder Unterfakturierung kommen, da die Abrechnungssysteme auf die in UTILMD definierten Stellenbegrenzungen zurückgreifen.
- Rückforderungen durch den Netzbetreiber oder Bilanzkreisverantwortlichen, falls die Messwerte nicht plausibilisiert werden können.
- Operative Kosten: Manuelle Korrekturen oder Nachforderungen erhöhen den Bearbeitungsaufwand.
b) Netzbetreiber
- Bilanzierungsrisiko: Der Netzbetreiber muss die Messwerte für die Bilanzkreisabrechnung nutzen. Inkonsistenzen führen zu:
- Fehlbilanzierungen, die durch Ausgleichsenergie kompensiert werden müssen – mit entsprechenden Kosten für den verantwortlichen Bilanzkreis.
- Haftungsrisiken, falls die Diskrepanz auf fehlerhafte Stammdaten (UTILMD) zurückzuführen ist, die der Netzbetreiber bereitgestellt hat.
- Prozessverzögerungen: Automatisierte Plausibilitätsprüfungen schlagen fehl, was zu manuellen Freigabeprozessen führt.
c) Messstellenbetreiber (MSB)
- Datenqualitätsverantwortung: Der MSB ist für die korrekte Erfassung und Übermittlung der Messwerte (MSCONS) zuständig. Bei Fehlern drohen:
- Vertragsstrafen, falls die Abweichung auf technische Mängel (z. B. falsche Zählerkonfiguration) zurückzuführen ist.
- Reputationsrisiken, da der MSB als Datenlieferant in der Pflicht steht.
- Technische Anpassungskosten: Nachträgliche Korrekturen der Zählerkonfiguration oder Softwareupdates verursachen Aufwand.
2. Prozessuale Hebel zur präventiven Adressierung
a) Automatisierte Plausibilitätsprüfungen (vor MSCONS-Übermittlung)
- Stammdatenabgleich: Vor der MSCONS-Übermittlung sollte der MSB die Messwerte gegen die in UTILMD hinterlegten Stellenbegrenzungen (SG10 CCI+11++Z33 CAV) validieren.
- Technische Umsetzung: Integration von Prüfregeln in die Messwertverarbeitung (z. B. Abgleich der Vorkommastellen mit UTILMD).
- Beispiel: Bei einer in UTILMD vereinbarten Vorkommastellenanzahl von 5 darf der MSCONS-Wert maximal 99999,999 betragen. Überschreitungen werden blockiert.
- Fehlermeldungen: Automatisierte Benachrichtigungen an den MSB und Lieferanten bei Diskrepanzen, um Korrekturen vor der Weiterverarbeitung zu ermöglichen.
b) Standardisierte Eskalationsprozesse
- Rollenbasierte Verantwortung:
- MSB: Muss bei technischen Fehlern (z. B. falsche Zählerkonfiguration) umgehend reagieren.
- Netzbetreiber: Prüft die UTILMD auf Konsistenz und leitet bei Fehlern eine Stammdatenkorrektur ein.
- Lieferant: Initiiert bei Abrechnungsrisiken eine manuelle Prüfung und fordert ggf. korrigierte MSCONS an.
- Fristen: Klare Zeitvorgaben für Korrekturen (z. B. 2 Werktage für technische Anpassungen durch den MSB).
c) Datenqualitätsmanagement in der UTILMD
- Regelmäßige Stammdatenaktualisierung:
- Automatisierte Synchronisation: Netzbetreiber und Lieferant sollten UTILMD-Daten in Echtzeit abgleichen (z. B. via EDIFACT oder API).
- Versionierung: Jede Änderung der Stammdaten (z. B. Skalierungsfaktor) muss mit einem Zeitstempel versehen und an alle Marktpartner kommuniziert werden.
- Prüfroutinen bei Stammdatenänderungen:
- Vor Freigabe einer UTILMD-Änderung sollte eine Rückwärtskompatibilitätsprüfung erfolgen, um sicherzustellen, dass bestehende MSCONS-Werte nicht plötzlich ungültig werden.
d) Technische Anpassungen der Messinfrastruktur
- Zählerkonfiguration:
- Der MSB muss sicherstellen, dass die Zählerauslesung (z. B. Skalierungsfaktor) mit den in UTILMD vereinbarten Stellen übereinstimmt.
- Beispiel: Bei einem UTILMD-Wert von "5 Vorkommastellen" darf der Zähler keine Werte mit 6 Vorkommastellen liefern.
- Softwareupdates:
- Messsysteme müssen so konfiguriert sein, dass sie automatisch auf UTILMD-Änderungen reagieren (z. B. durch dynamische Anpassung der Dezimalstellen).
e) Rechtliche und vertragliche Absicherung
- Klare Haftungsregeln:
- In Liefer- und Messstellenverträgen sollte definiert sein, wer bei Diskrepanzen haftet (z. B. MSB bei technischen Fehlern, Netzbetreiber bei falschen Stammdaten).
- Dokumentationspflichten:
- Alle Marktpartner müssen Änderungen an Stammdaten oder Messwerten revisionssicher dokumentieren, um im Streitfall nachweisen zu können, wer die Diskrepanz verursacht hat.
3. Fazit
Die Diskrepanz zwischen UTILMD und MSCONS ist ein systemisches Risiko, das durch technische, prozessuale und vertragliche Maßnahmen minimiert werden kann. Entscheidend sind:
- Automatisierte Plausibilitätsprüfungen vor der MSCONS-Übermittlung,
- Echtzeit-Synchronisation der Stammdaten (UTILMD),
- Klare Verantwortungszuweisungen in Verträgen und Prozessen,
- Technische Anpassungen der Messinfrastruktur.
Durch diese Hebel lässt sich die Fehleranfälligkeit reduzieren, ohne die Effizienz des Abrechnungsprozesses zu beeinträchtigen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant, Netzbetreiber und MSB ist dabei unerlässlich.