Willi Mako
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Zeitintervalle in Marktkommunikation: Fehlerrisiko & Sicherheit

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Einfluss der Zeitintervall-Darstellung auf Fehleranfälligkeit und Prozesssicherheit in der Marktkommunikation

Die Wahl zwischen impliziter (Zeichenketten-basierter) und expliziter (getrennte Felder) Darstellung von Zeitintervallen in der Marktkommunikation hat erhebliche Auswirkungen auf die Datenqualität, Compliance mit regulatorischen Vorgaben und die operative Prozesssicherheit. Dies betrifft insbesondere Verfahren wie MaBiS (Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom) und GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität), die strenge Anforderungen an die korrekte Übermittlung von Zeitstempeln stellen.


1. Fehleranfälligkeit: Implizite vs. explizite Darstellung

a) Implizite Darstellung (Zeichenketten-Struktur, z. B. DTM-Segment mit DE2380)

Bei dieser Methode werden Beginn und Ende eines Zeitintervalls in einer einzigen Zeichenkette übermittelt, wobei die erste Hälfte den Start- und die zweite Hälfte den Endzeitpunkt repräsentiert. Diese Vorgehensweise birgt mehrere Risiken:

  • Parsing-Fehler durch Formatinkonsistenzen Die korrekte Interpretation der Zeichenkette setzt voraus, dass alle beteiligten Systeme das gleiche Trennungs- und Formatierungsmuster verwenden. Abweichungen (z. B. unterschiedliche Längen der Teilstrings, fehlende führende Nullen oder falsche Zeitstempelformate) führen zu fehlerhaften Zeitintervall-Extraktionen. Beispiel: Eine Zeichenkette wie "202310010000202310022359" muss exakt in "202310010000" (Beginn) und "202310022359" (Ende) aufgeteilt werden. Ein falsches Parsing (z. B. durch eine abweichende String-Länge) führt zu falschen Zeitstempeln.

  • Fehlende Validierung auf Plausibilität Da die Zeitstempel nicht als separate Felder vorliegen, können logische Fehler (z. B. Beginn liegt nach Ende) erst nach der Extraktion erkannt werden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Dateninkonsistenzen, die in nachgelagerten Prozessen (z. B. Bilanzkreisabrechnung) zu Abrechnungsfehlern führen.

  • Probleme bei der maschinellen Verarbeitung Viele Systeme (z. B. EDI-Konverter, Datenbanken) sind auf strukturierte Datenfelder optimiert. Eine Zeichenkette muss erst aufgespalten werden, was zusätzliche Verarbeitungsschritte und Fehlerquellen einführt.

b) Explizite Darstellung (getrennte Felder für Beginn und Ende)

Hier werden Start- und Endzeitpunkt in dedizierten Feldern übermittelt (z. B. separate DEs in EDIFACT oder XML-Elemente). Dies reduziert die Fehleranfälligkeit deutlich:

  • Eindeutige Zuordnung ohne Parsing-Risiko Da Beginn und Ende klar getrennt sind, entfällt die Notwendigkeit einer manuellen oder automatisierten String-Aufteilung. Dies minimiert Formatierungsfehler und vereinfacht die Datenvalidierung.

  • Frühe Erkennung von Plausibilitätsfehlern Systeme können bereits bei der Dateneingabe prüfen, ob der Beginn vor dem Ende liegt. Unplausible Zeitintervalle (z. B. negative Dauer) werden sofort erkannt und können abgelehnt werden.

  • Bessere Kompatibilität mit Datenbanken und APIs Getrennte Felder lassen sich direkt in relationale Datenbanken oder REST-APIs übernehmen, ohne zusätzliche Konvertierungsschritte. Dies beschleunigt die Verarbeitung und reduziert Medienbrüche.


2. Prozesssicherheit und regulatorische Compliance (MaBiS, GPKE)

Die MaBiS- und GPKE-Regularien fordern eine hohe Datenqualität und Nachvollziehbarkeit bei der Übermittlung von Zeitintervallen, insbesondere in folgenden Bereichen:

a) Bilanzkreisabrechnung (MaBiS)

  • Zeitstempel-Genauigkeit ist kritisch, da sie die Grundlage für die Abrechnung von Ausgleichsenergie bildet.
  • Implizite Darstellungen erhöhen das Risiko von Abrechnungsdifferenzen, wenn Zeitintervalle falsch interpretiert werden.
  • Explizite Felder ermöglichen eine automatisierte Plausibilitätsprüfung (z. B. ob ein Zeitintervall innerhalb eines Bilanzierungszeitraums liegt).

b) Lieferantenwechsel und Messdatenübermittlung (GPKE)

  • Bei Zählerstandsübermittlungen oder Lieferantenwechseln müssen Zeitintervalle eindeutig und manipulationssicher sein.
  • Zeichenketten-basierte Darstellungen können zu Missverständnissen führen, wenn unterschiedliche Marktteilnehmer abweichende Parsing-Logiken verwenden.
  • Explizite Felder reduzieren das Risiko von Datenverlusten oder -verfälschungen bei der Weiterverarbeitung.

c) Auditierbarkeit und Nachweispflicht

  • Regulatorische Vorgaben verlangen, dass alle Prozessschritte nachvollziehbar sind.
  • Implizite Darstellungen erschweren die Rückverfolgbarkeit, da die korrekte Interpretation der Zeichenkette von der Dokumentation der Parsing-Logik abhängt.
  • Explizite Felder ermöglichen eine direkte Protokollierung der Zeitstempel, was die Compliance mit § 60 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) und anderen Vorgaben erleichtert.

3. Empfehlung für die Praxis

Kriterium Implizite Darstellung (Zeichenkette) Explizite Darstellung (getrennte Felder)
Fehleranfälligkeit Hoch (Parsing-Risiko, Formatabhängigkeit) Niedrig (direkte Feldzuordnung)
Prozesssicherheit Gering (manuelle Nachbearbeitung nötig) Hoch (automatisierte Validierung möglich)
Compliance (MaBiS/GPKE) Risikobehaftet (Nachweispflicht schwer) Empfohlen (eindeutige Datenstruktur)
Verarbeitungsgeschwindigkeit Langsamer (zusätzliche Konvertierung) Schneller (direkte Nutzung)

Fazit: Die explizite Darstellung von Zeitintervallen in getrennten Feldern ist der impliziten Zeichenketten-Methode in puncto Fehlerresistenz, Prozesssicherheit und regulatorischer Compliance deutlich überlegen. Sie minimiert manuelle Eingriffe, reduziert Abrechnungsfehler und erleichtert die Einhaltung von MaBiS/GPKE-Vorgaben.

Handlungsempfehlung:

  • Bestehende Systeme sollten schrittweise auf explizite Zeitstempel-Felder umgestellt werden.
  • Schnittstellen (z. B. EDIFACT, XML) sollten so gestaltet sein, dass sie keine impliziten Zeichenketten mehr verwenden.
  • Validierungsregeln sollten Plausibilitätsprüfungen (z. B. Beginn ≤ Ende) bereits bei der Dateneingabe durchsetzen.

Durch diese Maßnahmen lässt sich die Datenqualität in der Marktkommunikation nachhaltig verbessern und das Risiko von Compliance-Verstößen oder Abrechnungsfehlern signifikant reduzieren.