Einfluss zeitlicher Trennung zwischen Primär- und Folgeprozessen auf die Datenkonsistenz in der Marktkommunikation
1. Problemstellung: Zeitliche Asynchronität und ihre Auswirkungen
Die Marktkommunikation im Energiesektor basiert auf standardisierten Datenflüssen, die durch EDIFACT-Nachrichten wie UTILMD (Stammdaten) und MSCONS (Verbrauchsdaten) abgebildet werden. Eine zeitliche Trennung zwischen Primärprozessen (z. B. Lieferantenwechsel, Vertragsänderungen) und Folgeprozessen (z. B. Tranchenbildung, Abrechnung) kann zu Inkonsistenzen führen, wenn:
- Prozessuale Zeitangaben (z. B. An-/Abmeldedatum in UTILMD, Messperioden in MSCONS) nicht synchronisiert sind.
- Folgeprozesse auf veraltete oder unvollständige Stammdaten zugreifen, weil die Aktualisierung im Primärprozess verzögert wurde.
- Tranchen (z. B. für die Abrechnung) auf Basis inkonsistenter Zeitstempel gebildet werden, was zu fehlerhaften Verbrauchsabgrenzungen führt.
Beispiel: Ein Lieferantenwechsel (Primärprozess) wird mit einem Abmeldedatum in der UTILMD-Nachricht gemeldet. Wird dieses Datum nicht zeitnah an die Folgeprozesse (z. B. MSCONS für die Verbrauchsabrechnung) weitergegeben, kann es zu Überschneidungen in den Messperioden kommen, was regulatorische und abrechnungstechnische Risiken birgt.
2. Regulatorische und prozessuale Mechanismen zur Synchronisation
2.1. Gesetzliche und normative Vorgaben
Die Konsistenz der Zeitangaben wird durch folgende Rahmenwerke abgesichert:
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) § 40 ff.
- Verpflichtet Netzbetreiber und Lieferanten zur fristgerechten und korrekten Datenübermittlung.
- Sanktionen bei Nichteinhaltung (z. B. Bußgelder nach § 95 EnWG).
Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) § 60
- Regelt die zeitnahe Übermittlung von Messwerten und Stammdaten.
- Verpflichtet zur Verwendung einheitlicher Zeitstempel (z. B. UTC für MSCONS).
BDEW/VDEW-Standards (z. B. "Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom")
- Definieren Fristen für die Datenübermittlung (z. B. UTILMD innerhalb von 2 Werktagen nach Änderung).
- Geben Synchronisationspunkte vor (z. B. "Stichtagsprinzip" für Tranchenbildung).
EDIFACT-Nachrichtenstandards (UTILMD, MSCONS)
- UTILMD: Enthält prozessuale Zeitangaben wie
DTM+163(Anmeldedatum) oderDTM+164(Abmeldedatum). - MSCONS: Verwendet Zeitintervalle (
DTM+163für Beginn,DTM+164für Ende der Messperiode). - Konsistenzprüfung: Folgeprozesse müssen sicherstellen, dass die in MSCONS referenzierten Zeiträume mit den in UTILMD gemeldeten Stammdaten übereinstimmen.
- UTILMD: Enthält prozessuale Zeitangaben wie
2.2. Technische und organisatorische Maßnahmen
Zur Sicherstellung der Synchronisation werden folgende Mechanismen eingesetzt:
Zeitstempel-Kopplung
- Primärprozesse (z. B. Lieferantenwechsel) generieren einen eindeutigen Zeitstempel (z. B.
DTM+164in UTILMD), der in Folgeprozessen referenziert wird. - Beispiel: Eine MSCONS-Nachricht für eine Tranche muss das Ende der Messperiode (
DTM+164) mit dem Abmeldedatum aus der UTILMD abgleichen.
- Primärprozesse (z. B. Lieferantenwechsel) generieren einen eindeutigen Zeitstempel (z. B.
Fristenmanagement
- Maximale Verzögerungstoleranzen (z. B. 48 Stunden für UTILMD-Übermittlung nach Vertragsänderung).
- Automatisierte Plausibilitätsprüfungen in Marktkommunikationssystemen (z. B. Vergleich von
DTM+163/164zwischen UTILMD und MSCONS).
Rollback-Mechanismen
- Bei Inkonsistenzen (z. B. MSCONS-Zeitraum überschneidet sich mit UTILMD-Abmeldedatum) wird der Prozess automatisch gestoppt und eine manuelle Klärung eingeleitet.
- Fehlermeldungen (z. B. EDIFACT-Code
APERAK) werden an den Absender zurückgesendet.
Stichtagsprinzip für Tranchen
- Tranchen werden zu festen Zeitpunkten (z. B. Monatsende) gebildet, basierend auf den bis dahin übermittelten Stammdaten.
- Nachträgliche Änderungen (z. B. verspätete UTILMD) erfordern eine Neubildung der Tranche mit aktualisierten Zeitstempeln.
2.3. Verantwortlichkeiten der Marktteilnehmer
Netzbetreiber:
- Sicherstellung der zeitnahen Weiterleitung von UTILMD-Daten an Lieferanten und Messstellenbetreiber.
- Konsistenzprüfung zwischen Stammdaten (UTILMD) und Verbrauchsdaten (MSCONS).
Lieferanten:
- Einhaltung der Fristen für Stammdatenänderungen (z. B. An-/Abmeldung).
- Abgleich der Zeitstempel vor der Tranchenbildung.
Messstellenbetreiber:
- Übermittlung von MSCONS-Daten innerhalb der vorgegebenen Intervalle (z. B. monatlich).
- Synchronisation mit UTILMD-Zeitstempeln zur Vermeidung von Abgrenzungsfehlern.
3. Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze
Trotz regulatorischer Vorgaben können folgende Probleme auftreten:
| Herausforderung | Lösungsansatz |
|---|---|
| Verzögerte UTILMD-Übermittlung | Automatisierte Erinnerungen an Netzbetreiber; Eskalationsprozesse bei Fristüberschreitung. |
| Inkonsistente Zeitstempel | Zentrale Zeitstempel-Datenbank (z. B. "Marktstammdatenregister") als Referenz. |
| Manuelle Eingabefehler | Validierungsregeln in EDI-Systemen (z. B. Prüfung auf logische Zeitfolgen). |
| Unterschiedliche Zeitformate | Standardisierung auf UTC (Coordinated Universal Time) für alle Nachrichten. |
4. Fazit
Die zeitliche Trennung zwischen Primär- und Folgeprozessen in der Marktkommunikation birgt das Risiko von Dateninkonsistenzen, insbesondere bei der Abgrenzung von Tranchen. Regulatorische Vorgaben (EnWG, MsbG, BDEW-Standards) und technische Mechanismen (Zeitstempel-Kopplung, Fristenmanagement, Plausibilitätsprüfungen) sichern die Synchronisation ab. Entscheidend ist die Einhaltung der Übermittlungsfristen und die automatisierte Konsistenzprüfung zwischen UTILMD und MSCONS. Bei Verstößen drohen nicht nur abrechnungstechnische Fehler, sondern auch regulatorische Sanktionen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Messstellenbetreibern ist daher unerlässlich.