Einfluss zeitlicher Trennung zwischen Primär- und Folgeprozessen auf die Konsistenz der Marktkommunikation
Die zeitliche Trennung zwischen dem Primärprozess (z. B. Lieferbeginn, Anmeldung) und Folgeprozessen (z. B. Tranchenabrechnung, Messwertübermittlung) stellt eine zentrale Herausforderung für die Datenintegrität und Konsistenz der Marktkommunikation in energiewirtschaftlichen Geschäftsvorfällen dar. Diese Trennung kann zu Inkonsistenzen, Verzögerungen oder Fehlinterpretationen führen, wenn prozessuale Zeitangaben nicht synchronisiert oder eindeutig referenziert werden. Die Auswirkungen sowie regulatorische und prozessuale Mechanismen zur Sicherung der Datenqualität werden im Folgenden dargestellt.
1. Risiken durch zeitliche Asynchronität
a) Referenzierungsprobleme
Folgeprozesse (z. B. Abrechnungstransaktionen in der UTILMD oder Messwertübermittlung in der MSCONS) beziehen sich häufig auf prozessuale Zeitangaben des Primärprozesses (z. B. Lieferbeginn, Messperioden). Fehlt eine klare Verknüpfung (z. B. durch Referenznummern, Zeitstempel oder Geschäftsvorfall-IDs), kann es zu:
- Doppelerfassungen (z. B. Abrechnung derselben Tranche mehrfach),
- Fehlzuordnungen (z. B. falsche Messwerte zu einer Lieferperiode),
- Lücken in der Datenhistorie (z. B. fehlende Dokumentation von Änderungen)
kommen.
b) Zeitliche Verzögerungen und Aktualisierungsbedarf
Wird ein Primärprozess (z. B. eine Anmeldung) nachträglich geändert (z. B. Lieferbeginn verschoben), müssen Folgeprozesse automatisiert aktualisiert werden. Geschieht dies nicht, entstehen:
- Veraltete Daten in Abrechnungssystemen,
- Diskrepanzen zwischen Marktpartnern (z. B. Netzbetreiber vs. Lieferant),
- Regulatorische Verstöße (z. B. bei der Bilanzkreisabrechnung nach MaBiS).
c) Fehlende prozessuale Zeitangaben
Wie im Kontext beschrieben, enthalten manche Geschäftsvorfälle keine expliziten Zeitangaben (z. B. kein definiertes Abmeldedatum). Dies führt zu:
- Interpretationsspielräumen (z. B. wann eine Lieferung endet),
- Manuellen Nachbearbeitungen, die fehleranfällig sind,
- Rechtlichen Unsicherheiten (z. B. bei der Zuordnung von Netz- und Energiemengen).
2. Regulatorische und prozessuale Mechanismen zur Sicherung der Datenintegrität
a) Standardisierte Datenformate und Referenzierung
EDIFACT-Nachrichten (UTILMD, MSCONS, INVOIC) Die Branchenstandards definieren obligatorische Felder für Zeitangaben (z. B.
DTM-Segment in UTILMD für An-/Abmeldedatum) und Referenznummern (z. B.RFF-Segment für Geschäftsvorfall-IDs).- Beispiel UTILMD: Das Feld
DTM+137(Lieferbeginn) muss mit Folgeprozessen (z. B. Abrechnungstransaktionen) verknüpft sein. - Beispiel MSCONS: Die Messperiode (
DTM+163für Beginn,DTM+164für Ende) muss konsistent in Abrechnungen referenziert werden.
- Beispiel UTILMD: Das Feld
MaBiS (Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom) Verlangt eine eindeutige Zuordnung von Mengen zu Zeiträumen und definiert Fristen für die Übermittlung von Korrekturen (z. B. § 10 MaBiS: Nachmeldungen innerhalb von 10 Werktagen).
b) Automatisierte Plausibilitätsprüfungen
Marktkommunikationsprozesse (z. B. GPKE, GeLi Gas) Systeme wie die Geschäftsprozessplattform Energiewirtschaft (GPKE) prüfen automatisch:
- Zeitliche Konsistenz (z. B. ob ein Abmeldedatum nach dem Anmeldedatum liegt),
- Referenzierbarkeit (z. B. ob eine Tranchen-ID im Folgeprozess existiert),
- Vollständigkeit (z. B. ob alle Pflichtfelder für Zeitangaben gefüllt sind).
Bilanzkreisverantwortliche (BKV) und Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Führen regelmäßige Abstimmungen durch, um Diskrepanzen zwischen Primär- und Folgeprozessen zu identifizieren (z. B. im Rahmen der Bilanzkreisabrechnung).
c) Dokumentations- und Archivierungspflichten
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und StromNZV/GasNZV Verlangen eine lückenlose Dokumentation aller Geschäftsvorfälle über den gesamten Lebenszyklus (z. B. § 47 EnWG: Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren).
- Beispiel: Änderungen an Lieferverträgen müssen mit Zeitstempel und Verantwortlichem protokolliert werden.
IDW PS 880 (Prüfungsstandard für IT-Systeme) Definiert Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit von Datenänderungen, insbesondere bei zeitversetzten Prozessen.
d) Technische Synchronisationsmechanismen
Zeitstempel und Transaktionslogs Moderne Marktkommunikationssysteme nutzen zentrale Zeitquellen (z. B. NTP-Server) und unveränderliche Logs (z. B. Blockchain-ähnliche Protokolle), um Manipulationen zu verhindern.
Workflow-Management-Systeme Automatisieren die Weiterleitung von Änderungen an Folgeprozesse (z. B. wenn ein Lieferbeginn verschoben wird, wird die Abrechnungstransaktion automatisch aktualisiert).
3. Praktische Empfehlungen für Marktteilnehmer
Eindeutige Referenzierung sicherstellen
- Jeder Geschäftsvorfall muss eine eindeutige ID (z. B.
RFF+Z13) enthalten, die in allen Folgeprozessen referenziert wird. - Zeitangaben (z. B.
DTM+137) müssen maschinenlesbar und unveränderlich sein.
- Jeder Geschäftsvorfall muss eine eindeutige ID (z. B.
Automatisierte Plausibilitätsprüfungen implementieren
- Vor der Übermittlung von Nachrichten sollten Regelwerke (z. B. EDIFACT-Syntaxprüfung, GPKE-Plausi) angewendet werden.
- Beispiel: Eine Abrechnungstransaktion darf nur verarbeitet werden, wenn das zugehörige Anmeldedatum im Primärprozess existiert.
Dokumentation von Änderungen
- Jede nachträgliche Änderung (z. B. Verschiebung des Lieferbeginns) muss mit Zeitstempel, Grund und Verantwortlichem protokolliert werden.
Regelmäßige Abstimmungen mit Marktpartnern
- Monatliche Bilanzkreisabstimmungen (gemäß MaBiS) helfen, Diskrepanzen frühzeitig zu erkennen.
- Jährliche Audits (z. B. nach IDW PS 880) prüfen die Einhaltung der Dokumentationspflichten.
Fazit
Die zeitliche Trennung zwischen Primär- und Folgeprozessen birgt erhebliche Risiken für die Datenintegrität, kann jedoch durch standardisierte Formate, automatisierte Prüfungen und regulatorische Vorgaben beherrscht werden. Entscheidend ist eine durchgängige Referenzierung aller Zeitangaben sowie die lückenlose Dokumentation von Änderungen. Marktteilnehmer sollten proaktiv technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um die Konsistenz der Marktkommunikation über den gesamten Lebenszyklus eines Geschäftsvorfalls sicherzustellen.