Einfluss fehlender Zuordnungsprüfung auf Prozesssicherheit und Fehleranfälligkeit in der Marktkommunikation
1. Prozesssicherheit und Fehleranfälligkeit
Die Marktkommunikation im Energiesektor basiert auf standardisierten Nachrichtenformaten (z. B. EDIFACT, MSCONS, UTILMD) und klar definierten Geschäftsvorfällen, die eine eindeutige Zuordnung zu Objekten (z. B. Zählpunkten, Verträgen) oder Vorgängerprozessen erfordern. Fehlt für nicht-objektbezogene Geschäftsvorfälle eine systematische Zuordnungsprüfung, ergeben sich folgende Risiken:
Erhöhte Fehleranfälligkeit bei der Datenverarbeitung Ohne automatisierte Plausibilitätsprüfung können fehlerhafte oder unvollständige Nachrichten (z. B. falsche Referenznummern, fehlende Metadaten) unbemerkt in die Abwicklung einfließen. Dies führt zu manuellen Nachbearbeitungen, da die Systeme keine automatische Validierung durchführen. Besonders kritisch ist dies bei Massenprozessen (z. B. Lieferantenwechsel, Zählerstandsübermittlung), wo eine hohe Datenmenge die manuelle Kontrolle erschwert.
Fehlende Rückverfolgbarkeit und Inkonsistenzen Geschäftsvorfälle ohne Objekt- oder Vorgängerzuordnung lassen sich nicht eindeutig einem Prozessschritt zuordnen. Dies erschwert die Fehleranalyse, da Ursachen (z. B. falsche Stammdaten, technische Übertragungsfehler) nicht systematisch identifiziert werden können. Im schlimmsten Fall führen solche Inkonsistenzen zu Doppelbuchungen, falschen Abrechnungen oder unklarem Status von Lieferverhältnissen.
Verzögerungen in der Abwicklung Fehlende Zuordnungsprüfungen erhöhen den Aufwand für manuelle Klärungen zwischen Marktpartnern (z. B. Netzbetreiber, Lieferanten, Messstellenbetreiber). Dies verzögert die Bearbeitung und kann zu Fristüberschreitungen führen, insbesondere bei zeitkritischen Prozessen wie der Netznutzungsabrechnung oder der Bilanzkreisabwicklung.
2. Regulatorische Risiken
Die fehlende Zuordnungsprüfung steht im Widerspruch zu zentralen Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der Marktkommunikationsregeln der Bundesnetzagentur (BNetzA):
Verstoß gegen § 47 EnWG (Datenqualität und -sicherheit) Das EnWG verpflichtet Marktteilnehmer, eine „ordnungsgemäße, sichere und effiziente Datenkommunikation“ zu gewährleisten. Fehlende Plausibilitätsprüfungen erhöhen das Risiko von Datenfehlern, was als Verstoß gegen diese Pflicht gewertet werden kann. Im Schadensfall (z. B. falsche Abrechnung) drohen Bußgelder oder Haftungsansprüche.
Nichteinhaltung der Festlegungen der BNetzA (MaKo 2020/2024) Die Marktkommunikationsregeln der BNetzA sehen vor, dass Nachrichten „eindeutig, vollständig und fehlerfrei“ zu übermitteln sind. Eine fehlende Zuordnungsprüfung untergräbt diese Anforderung, da sie die Integrität der Datenübertragung gefährdet. Marktpartner können sich auf diese Lücke berufen, um fehlerhafte Nachrichten abzulehnen, was zu Streitigkeiten und zusätzlichem Klärungsaufwand führt.
Risiko von Bilanzkreisabweichungen In der Bilanzkreisabrechnung (gemäß § 12 StromNZV) müssen alle Geschäftsvorfälle lückenlos nachvollziehbar sein. Fehlende Zuordnungen können zu falschen Bilanzkreiszuordnungen führen, was wiederum Ausgleichsenergiekosten und regulatorische Sanktionen nach sich zieht.
3. Operative Risiken
Neben regulatorischen Konsequenzen ergeben sich praktische Herausforderungen für die Marktteilnehmer:
Erhöhte Betriebskosten Manuelle Nachbearbeitungen und Klärungsprozesse binden personelle Ressourcen und erhöhen die Prozesskosten. Besonders betroffen sind kleinere Marktakteure, die über weniger automatisierte Systeme verfügen.
Vertrauensverlust zwischen Marktpartnern Wiederkehrende Fehler aufgrund fehlender Zuordnungsprüfungen führen zu Misstrauen in die Datenqualität. Dies kann zu aufwendigen bilateralen Abstimmungen oder sogar zum Wechsel von Geschäftspartnern führen.
Technische Systemrisiken Fehlende Validierungen können zu Systemüberlastungen führen, wenn fehlerhafte Nachrichten in nachgelagerten Prozessen (z. B. Abrechnungssysteme) zu Inkonsistenzen führen. Im Extremfall sind Datenkorrekturen nur mit hohem Aufwand möglich, etwa durch Rückabwicklungen von Transaktionen.
4. Lösungsansätze zur Risikominimierung
Um die genannten Risiken zu begrenzen, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Erweiterung der Zuordnungsprüfung Auch nicht-objektbezogene Geschäftsvorfälle sollten einer minimalen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden (z. B. Prüfung auf gültige Referenznummern, Mandantenkennung). Dies kann durch Anpassungen in den EDI-Systemen oder durch zusätzliche Validierungsregeln in den Marktkommunikationsprozessen erfolgen.
Automatisierte Fehlererkennung und -meldung Systeme sollten so konfiguriert werden, dass sie fehlende Zuordnungen erkennen und automatisiert an die verantwortlichen Stellen melden (z. B. via APERAK-Nachrichten). Dies beschleunigt die Fehlerbehebung und reduziert manuelle Eingriffe.
Regelmäßige Datenqualitätsaudits Marktteilnehmer sollten ihre Prozesse regelmäßig auf Lücken in der Zuordnungsprüfung überprüfen. Externe Audits oder Zertifizierungen (z. B. nach ISO 27001 oder branchenspezifischen Standards) können helfen, Schwachstellen zu identifizieren.
Klare Verantwortlichkeiten in Verträgen In den Verträgen zwischen Marktpartnern sollten Regelungen zur Handhabung nicht-zuordenbarer Nachrichten getroffen werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Dies umfasst z. B. Fristen für die Klärung und Konsequenzen bei wiederholten Fehlern.
Fazit
Die fehlende Zuordnungsprüfung für nicht-objektbezogene Geschäftsvorfälle stellt ein erhebliches Risiko für die Prozesssicherheit, Compliance und Effizienz der Marktkommunikation dar. Während regulatorische Vorgaben eine lückenlose Nachvollziehbarkeit fordern, führt die aktuelle Praxis zu erhöhten Fehlerraten, manuellen Aufwänden und potenziellen Haftungsrisiken. Eine Anpassung der Systeme und Prozesse ist daher dringend geboten, um die Integrität der Energiegeschäftsabwicklung zu gewährleisten.