Verantwortungsabgrenzung und Haftungsrisiken im Lieferantenwechselprozess bei Pflichtangabe des ursprünglichen Netzbetreibers (Z16/RFF+Z08)
1. Rechtliche und prozessuale Grundlagen
Die Pflicht zur Angabe des ursprünglichen Netzbetreibers (ONB) mittels des SG5-Segments RFF+Z08 in Verbindung mit dem Z16-Code dient der eindeutigen Identifikation der Netzherkunft bei Lieferantenwechseln. Diese Regelung basiert auf den Vorgaben des BDEW/VDEW-Standards (insbesondere EDIFACT-Nachrichten im Strom- und Gasmarkt) sowie den Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung (MaBiS) und den Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA).
Die Angabe des ONB ist insbesondere in folgenden Szenarien relevant:
- Mehrstufige Netzübergänge (z. B. bei historischen Gebietsaufteilungen oder Fusionen von Netzbetreibern),
- Gebietsänderungen (z. B. durch Demarkationsverträge oder kommunale Neuordnungen),
- Lieferantenwechsel in Netzgebieten mit komplexen Eigentumsverhältnissen (z. B. bei Betreiberwechseln ohne physische Netzänderung).
2. Auswirkungen auf die Verantwortungsabgrenzung
Die Pflichtangabe des ONB führt zu einer präziseren Zuordnung von Verantwortlichkeiten im Lieferantenwechselprozess, insbesondere in folgenden Bereichen:
a) Klärung der Netzherkunft und Bilanzkreisverantwortung
- Der aktuelle Netzbetreiber (ANB) ist für die korrekte Abwicklung des Lieferantenwechsels verantwortlich, muss jedoch bei historischen Netzübergängen den ONB benennen.
- Die Angabe des ONB ermöglicht eine rückwirkende Zuordnung von Bilanzkreisverantwortlichkeiten, falls es zu Abrechnungsdifferenzen kommt (z. B. bei falscher Zuordnung von Entnahmestellen).
- Bei mehrstufigen Übergängen (z. B. Netzbetreiber A → B → C) muss der ANB sicherstellen, dass alle Zwischenstufen dokumentiert sind, um Haftungslücken zu vermeiden.
b) Haftung bei fehlerhafter oder fehlender Angabe
- Fehlt die Angabe des ONB, kann dies zu Verzögerungen im Wechselprozess führen, da der neue Lieferant keine eindeutige Zuordnung der Entnahmestelle vornehmen kann.
- Falsche Angaben (z. B. Benennung eines falschen ONB) können zu Abrechnungsfehlern führen, für die der ANB haftet. Dies betrifft insbesondere:
- Bilanzkreisabrechnung: Falsche Zuordnung von Entnahmen kann zu Nachforderungen oder Gutschriften führen.
- Netzentgeltabrechnung: Bei historischen Gebietsänderungen kann eine falsche ONB-Angabe zu fehlerhaften Netzentgelten führen.
- Regulatorische Konsequenzen: Die BNetzA kann bei systematischen Fehlern Bußgelder verhängen oder Anpassungen der Marktprozesse anordnen.
c) Besonderheiten bei historischen Gebietsänderungen
- Bei kommunalen Gebietsreformen oder Netzübernahmen (z. B. durch Fusionen) muss der ANB prüfen, ob der ONB noch existiert oder ob eine Rechtsnachfolge vorliegt.
- Falls der ONB nicht mehr existiert, muss der ANB alternative Nachweismethoden (z. B. historische Verträge, Demarkationsvereinbarungen) vorhalten, um die Herkunft des Netzgebiets zu belegen.
- Haftungsrisiko: Kann der ANB die Herkunft nicht nachweisen, kann dies zu Rückabwicklungen von Lieferantenwechseln führen, insbesondere wenn der neue Lieferant die Entnahmestelle nicht korrekt zuordnen kann.
3. Praktische Handhabung und Risikominimierung
Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Netzbetreiber folgende Maßnahmen ergreifen:
a) Dokumentationspflichten
- Historische Netzübergänge müssen in einer zentralen Datenbank erfasst werden, um bei Anfragen schnell reagieren zu können.
- Vertragliche Regelungen mit ehemaligen Netzbetreibern sollten aufbewahrt werden, um bei Streitfällen Nachweise erbringen zu können.
b) Automatisierte Prüfroutinen
- EDI-Systeme sollten so konfiguriert sein, dass sie bei fehlender oder inkonsistenter ONB-Angabe automatische Warnmeldungen generieren.
- Plausibilitätsprüfungen sollten sicherstellen, dass der angegebene ONB tatsächlich für das betreffende Netzgebiet zuständig war.
c) Klare Kommunikationswege mit Lieferanten und Bilanzkreisverantwortlichen
- Bei unklaren Netzherkünften sollte der ANB proaktiv mit dem neuen Lieferanten kommunizieren, um Verzögerungen zu vermeiden.
- Schulungen für Mitarbeiter im Bereich Marktkommunikation können helfen, Fehler bei der Angabe des ONB zu reduzieren.
4. Fazit
Die Pflicht zur Angabe des ursprünglichen Netzbetreibers (Z16/RFF+Z08) dient der Transparenz und Rechtssicherheit im Lieferantenwechselprozess. Sie führt zu einer klareren Verantwortungsabgrenzung, insbesondere bei komplexen Netzübergängen oder historischen Gebietsänderungen. Gleichzeitig erhöht sie jedoch die Dokumentations- und Sorgfaltspflichten der Netzbetreiber.
Fehlerhafte oder fehlende Angaben können zu Haftungsrisiken führen, insbesondere in den Bereichen Bilanzkreisabrechnung, Netzentgeltabrechnung und regulatorische Compliance. Netzbetreiber sollten daher prozessorientierte Lösungen implementieren, um die korrekte Angabe des ONB sicherzustellen und damit verbundene Risiken zu minimieren.