Einfluss der Ausschlusskennzeichnung („--“) auf die Risikoverteilung zwischen Marktpartnern und kompensatorische Mechanismen
1. Auswirkungen auf die Risikoverteilung
Die Entscheidung, bestimmte Geschäftsvorfälle durch die Kennzeichnung „--“ von der automatisierten Zuordnungsprüfung auszuschließen, hat direkte Konsequenzen für die Risikoverteilung zwischen den beteiligten Marktpartnern (z. B. Lieferanten, Netzbetreiber, Bilanzkreisverantwortliche oder Handelsplattformen). Die wesentlichen Effekte lassen sich wie folgt systematisieren:
a) Erhöhtes operationelles Risiko für den Datenempfänger
- Verlust der Plausibilitätskontrolle: Ohne Zuordnungsprüfung entfällt die automatisierte Validierung von Stammdaten (z. B. Zählpunktbezeichnungen, Marktpartner-IDs) oder Transaktionsattributen (z. B. Liefermengen, Zeitstempel). Fehlerhafte oder inkonsistente Daten können unentdeckt bleiben, was zu Abrechnungsdifferenzen, Bilanzkreisungleichgewichten oder regulatorischen Verstößen führt.
- Manueller Nachbearbeitungsaufwand: Der Empfänger muss die Daten manuell prüfen oder korrigieren, was zeit- und kostenintensiv ist. Dies erhöht das Risiko von Verzögerungen in nachgelagerten Prozessen (z. B. Rechnungsstellung, Bilanzkreisabrechnung).
- Haftungsrisiko bei Fehlern: Da die Verantwortung für die Datenqualität beim Sender verbleibt, trägt der Empfänger das Risiko, dass fehlerhafte Daten zu finanziellen Verlusten führen (z. B. durch falsche Netznutzungsabrechnungen). Eine klare vertragliche Regelung zur Haftung ist hier essenziell, aber oft schwer durchsetzbar.
b) Risikoverlagerung auf den Datensender
- Erhöhte Sorgfaltspflicht: Der Sender muss sicherstellen, dass die als „--“ gekennzeichneten Vorfälle tatsächlich keiner Prüfung bedürfen (z. B. weil sie Sonderfälle wie Testdaten oder manuell abgestimmte Transaktionen darstellen). Versäumnisse können zu Reputationsschäden oder Vertragsstrafen führen.
- Dokumentationspflicht: Um Nachweispflichten gegenüber Regulierungsbehörden oder Audits zu erfüllen, muss der Sender die Gründe für den Ausschluss der Prüfung nachvollziehbar dokumentieren. Fehlt diese Dokumentation, drohen regulatorische Sanktionen.
c) Systemische Risiken
- Intransparenz in der Lieferkette: Wenn mehrere Marktpartner „--“-Kennzeichnungen nutzen, entsteht eine „Blackbox“ in der Datenverarbeitung. Dies erschwert die Fehleranalyse und erhöht das Risiko von Kettenreaktionen (z. B. falsche Bilanzkreiszuordnungen, die zu Ausgleichsenergiekosten führen).
- Regulatorische Grauzone: Die Kennzeichnung „--“ ist kein standardisiertes Verfahren, sondern eine prozessuale Vereinbarung zwischen Marktpartnern. Fehlt eine klare Regelung in den Marktprozessen (z. B. GPKE, MaBiS), kann dies zu Interpretationsspielräumen und Rechtsunsicherheit führen.
2. Kompensatorische Mechanismen
Um die durch „--“-Kennzeichnungen entstehenden Risiken zu minimieren, können folgende prozessuale und regulatorische Maßnahmen ergriffen werden:
a) Vertragliche und prozessuale Absicherung
- Klare Definition der Ausschlusskriterien:
- In den Marktprozessen (z. B. GPKE, MaBiS) oder bilateralen Verträgen sollte präzise festgelegt werden, unter welchen Bedingungen „--“ zulässig ist (z. B. nur für Testdaten, manuell abgestimmte Korrekturen oder historische Daten).
- Beispiel: Eine Positivliste mit zulässigen Anwendungsfällen (z. B. „Stornierungen älter als 12 Monate“) reduziert Missbrauch.
- Vier-Augen-Prinzip für „--“-Kennzeichnungen:
- Vor der Freigabe eines „--“-Vorgangs sollte eine zweite Instanz (z. B. ein Datenqualitätsmanager) die Notwendigkeit bestätigen. Dies verhindert willkürliche Ausschlüsse.
- Automatisierte Plausibilitätschecks vor dem Ausschluss:
- Selbst wenn eine Zuordnungsprüfung entfällt, können grundlegende Konsistenzprüfungen (z. B. Formatvalidierung, Prüfung auf Pflichtfelder) durchgeführt werden, um grobe Fehler zu vermeiden.
b) Technische Kompensation
- Ersatzprüfungen mit reduzierter Granularität:
- Statt einer vollständigen Zuordnungsprüfung können alternative Validierungen implementiert werden, z. B.:
- Checksummenprüfung für kritische Felder (z. B. Zählpunkt-ID).
- Schwellwertkontrollen (z. B. Warnung bei ungewöhnlich hohen Liefermengen).
- Referenzdatenabgleich (z. B. Vergleich mit historischen Daten desselben Senders).
- Statt einer vollständigen Zuordnungsprüfung können alternative Validierungen implementiert werden, z. B.:
- Protokollierung und Monitoring:
- Alle „--“-Vorgänge sollten in einem separaten Log erfasst und regelmäßig analysiert werden. Auffälligkeiten (z. B. häufige „--“-Kennzeichnungen eines bestimmten Senders) können so frühzeitig erkannt werden.
- Automatisierte Alerts bei Überschreitung definierter Schwellenwerte (z. B. „mehr als 5 % der Vorfälle eines Senders sind als ‚--‘ gekennzeichnet“).
c) Regulatorische und standardisierende Maßnahmen
- Einbindung in Marktprozesse:
- Die Bundesnetzagentur (BNetzA) oder der BDEW könnten die „--“-Kennzeichnung in die offiziellen Marktprozesse (z. B. GPKE, MaBiS) aufnehmen und verbindliche Regeln für deren Verwendung festlegen. Dies würde die Rechtssicherheit erhöhen.
- Auditrechte und Sanktionen:
- Regulatorische Vorgaben könnten vorsehen, dass „--“-Kennzeichnungen nur mit vorheriger Genehmigung der Bundesnetzagentur oder nachweislichem Sonderfall zulässig sind. Bei Missbrauch drohen Bußgelder.
- Standardisierte Fehlercodes:
- Statt einer pauschalen „--“-Kennzeichnung könnten differenzierte Codes eingeführt werden (z. B. „--T“ für Testdaten, „--M“ für manuell abgestimmte Vorfälle), um die Transparenz zu erhöhen.
d) Wirtschaftliche Anreize
- Risikobasierte Preismodelle:
- Marktpartner, die häufig „--“-Kennzeichnungen nutzen, könnten höhere Gebühren für die manuelle Nachbearbeitung zahlen oder eine Risikoprämie entrichten.
- Vertragliche Malus-Regelungen:
- Verträge könnten vorsehen, dass der Sender bei fehlerhaften „--“-Vorgängen die Kosten für Korrekturen trägt oder eine Pönale zahlt.
3. Fazit und Handlungsempfehlungen
Die „--“-Kennzeichnung ist ein pragmatisches Instrument, um Sonderfälle in der Datenverarbeitung abzubilden, birgt jedoch erhebliche Risiken für die Risikoverteilung zwischen Marktpartnern. Um diese Lücke zu schließen, sollten folgende Schritte priorisiert werden:
- Transparenz schaffen: Klare vertragliche und prozessuale Definitionen der zulässigen Anwendungsfälle für „--“.
- Technische Absicherung: Implementierung von Ersatzprüfungen und Monitoring-Systemen.
- Regulatorische Einbindung: Aufnahme der „--“-Kennzeichnung in die offiziellen Marktprozesse mit verbindlichen Regeln.
- Wirtschaftliche Steuerung: Einführung von Anreizen für eine verantwortungsvolle Nutzung (z. B. Gebührenmodelle, Malus-Regelungen).
Ohne solche Maßnahmen besteht die Gefahr, dass die „--“-Kennzeichnung zu einer intransparenten Risikoverlagerung führt, die langfristig die Stabilität der Marktprozesse untergräbt. Eine proaktive Gestaltung der Rahmenbedingungen ist daher unerlässlich.